Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) angerufen, um verschiedene Fragen zum Verfall und der Abgeltung von Urlaubsansprüchen klären zu lassen.
Der Kläger im Streitfall war befristet beschäftigt. Zwei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bat ihn der Arbeitgeber, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, was der Kläger nicht tat. Stattdessen verlangte er eine Woche vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses ohne Erfolg die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen.
Urlaub wäre nach dem BurlG verfallen
Die Vorinstanzen gaben der Klage auf Urlaubsabgeltung statt. Nach den nationalen Bestimmungen waren die Urlaubsansprüche des Klägers mit Ablauf des Urlaubsjahres verfallen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn – wie hier – keine Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Der Arbeitgeber ist nach nationalem Recht nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub aufzuzwingen.
EuGH muss Urlaubsabgeltung konkretisieren
Die Frage, ob Unionsrecht dem entgegensteht, ist vom Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass nicht die geringsten Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen. Im Schrifttum wird aus dem EuGH-Urteil vom 30.06.2016 (Az. C-178/15) teilweise abgeleitet, der Arbeitgeber sei gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung versteht die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 12.06.2014 (Az. C-118/13) so, dass der Mindestjahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. LAG Köln 22.04.2016, Az. 4 Sa 1095/15).
Steht EU-Recht dem BurlG entgegen?
Der EuGH soll nun aufgrund des BAG-Beschlusses vom 13.12.2016 (Az. 9 AZR 541/15 (A) klären, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) einer nationalen Regelung wie der in § 7 BUrlG entgegensteht. Diese sieht als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vor, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen. Falls die Frage bejaht wird: Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand? Ferner besteht Klärungsbedarf, ob die vom EuGH möglicherweise aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC entnommene Verpflichtung zwischen Privatpersonen unmittelbare Wirkung entfaltet.
(BAG, PM 63 vom 13.12.2016 / Viola C. Didier)