Vertragsärzte sind nicht berechtigt, ihre Praxis während der Sprechstundenzeiten zu schließen, um an einem „Warnstreik“ teilzunehmen. Derartige, gegen gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen gerichtete „Kampfmaßnahmen“ sind mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts unvereinbar.
Ein Facharzt für Allgemeinmedizin informierte die Kassenärztliche Vereinigung darüber, dass er zusammen mit fünf anderen Vertragsärzten „das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht“ ausüben und deshalb an zwei Tagen seine Praxis schließen werde. Die Kassenärztliche Vereinigung erteilte ihm einen Verweis als Disziplinarmaßnahme, da er durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe.
Präsenzpflicht ist unumstößlich
Das Sozialgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit sei im Vertragsarztrecht nicht vorgesehen. Die dagegen eingelegte Sprungrevision wies das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil B 6 KA 38/15 R vom 30.11.2016 zurück. Der Arzt hat seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt. Vertragsärzte müssen während der angegebenen Sprechstunden für die vertragsärztliche Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen (sog. „Präsenzpflicht“). Etwas anderes gilt etwa bei Krankheit oder Urlaub – nicht jedoch bei der Teilnahme an einem „Warnstreik“.
Konzeption des Vertragsarztrechts kennt keinen Streik
Dem Arzt steht kein durch die Verfassung oder die Europäische Menschenrechtskonvention geschütztes „Streikrecht“ zu. Ein Recht der Vertragsärzte, Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen im Wege von „Arbeitskampfmaßnahmen“ durchzusetzen, ist mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts nicht vereinbar. Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts die teilweise gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten zum Ausgleich gebracht, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen.
(BSG, PM vom 30.11.2016/ Viola C. Didier)