26 Jahre nach der Wiedervereinigung haben sich die durchschnittlichen Tariflöhne- und -gehälter in Ostdeutschland stark an die im Westen angenähert. Die tariflichen Grundvergütungen in den neuen Ländern erreichen derzeit rund 98 Prozent des Westniveaus.
Der Tariflohnvergleich Ost – West des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt teilweise deutliche Unterschiede nach Branchen: Im öffentlichen Dienst, bei Banken und Versicherungen, in der Eisen- und Stahlindustrie, in der Druckindustrie sowie im Einzelhandel (Brandenburg) liegt das Tarifniveau bereits bei 100 Prozent, im Bauhauptgewerbe erreicht es 93 Prozent, im Kfz-Gewerbe (Thüringen) beträgt es knapp 88 Prozent. Im Hotel- und Gaststättengewerbe (Sachsen) liegt das Tarifniveau bei rund 77 Prozent und in der Landwirtschaft (Mecklenburg-Vorpommern) bei 74 Prozent.
Rückstand ohne Tarif deutlich größer
Weitaus größer ist der Einkommensrückstand bei ostdeutschen Beschäftigten, die nicht nach Tarif bezahlt werden. Diese Differenz ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die effektiven Bruttoverdienste im Osten um insgesamt 16 Prozent niedriger ausfallen als im Westen. „Im vergangenen Jahr sind die Bruttoverdienste in den neuen Bundesländern nicht zuletzt aufgrund des gesetzlichen Mindestlohnes mit durchschnittlich 4,3 Prozent deutlich stärker angestiegen als in den alten Bundesländern mit 2,6 Prozent. Deswegen hat sich der Abstand ein wenig verringert“, erklärt Dr. Reinhard Bispinck, Tarifexperte beim WSI. Dass sich der bei den Tariflöhnen erreichte Angleichungsstand in der Realität nicht 1:1 niederschlägt, hängt nach Bispincks Analyse damit zusammen, dass die Prägekraft der Tarifverträge in Ostdeutschland zu schwach ist. Allerdings zeigt sich auch hier eine kleine Verbesserung: 2015 betrug die Tarifbindung 49 Prozent der Beschäftigten, zwei Prozentpunkte mehr als noch im Jahr zuvor.
Unterschiede bei den Arbeitszeiten, Urlaub und Weihnachtsgeld
Unterschiede bei den tariflichen Arbeitsbedingungen gibt es vor allem noch bei den tariflichen Arbeitszeiten und bei Sonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld. Die tarifliche Wochenarbeitszeit lag im Osten 1991 mit 40,2 gut 2 Stunden höher als im Westen mit 38,1 Stunden. Ende 2015 belief sich die Wochenarbeitszeit auf 38,7 Stunden im Osten und 37,5 Stunden im Westen. Der tarifliche Grundurlaub beträgt zurzeit im Osten 27,7 Arbeitstage (West: 28,8), der Endurlaub, also die maximal erreichbare Zahl von Urlaubstagen, erreicht 29,6 Arbeitstage (West: 30,0). Das tarifliche Urlaubsgeld, festgelegt als Prozentsatz des Monats- bzw. Urlaubsentgelts, hat in vielen Tarifbereichen Westniveau erreicht. Die tarifliche Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld) hat in etlichen Bereichen ebenfalls Westniveau erreicht, aber auch in größeren Branchen (Metall, Chemie, Einzelhandel, öffentlicher Dienst) bestehen noch Unterschiede.
(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 30.09.2016/ Viola C. Didier)