Eine Bausparkasse kann einen Bausparvertrag mit einem festen Zinssatz, der seit 10 Jahren zuteilungsreif ist, vom Bausparer aber weiter bespart wird, kündigen und so der Verpflichtung zur Zahlung der im Bausparvertrag vereinbarten Zinsen entgehen.
Ein Bausparer hatte bei einer Bausparkasse im Jahr 1991 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 44.000 DM (22.496,42 Euro) abgeschlossen. Nach den Vertragsbedingungen der Bausparkasse war das von dem Mann angesparte Bausparguthaben jährlich mit 3 % zu verzinsen. Die Bedingungen sahen weiter vor, dass die Bausparkasse den Vertrag nicht kündigen durfte, solange der Bausparer seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Ende des Jahre 1997 lagen die im Vertrag vereinbarten Zuteilungsvoraussetzungen vor.
Kann die Bausparkasse einfach kündigen?
In der Folgezeit nahm der Mann aber kein Bauspardarlehn in Anspruch. Ende 2014 kündigte die Bausparkasse den Vertrag zum 30.06.2015 unter Hinweis auf § 489 BGB. Diese zwingende gesetzliche Vorschrift sieht vor, dass ein Darlehnsnehmer einen Darlehnsvertrag mit einem festen Sollzinssatz in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren seit dem vollständigen Empfang des Darlehns mit sechsmonatiger Frist kündigen kann. Nach dem Ausspruch der Kündigung haben die Parteien über deren Wirksamkeit gestritten. Der Bausparer hat daraufhin Klage erhoben, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Kündigung der Bausparkasse den Bausparvertrag nicht beendet hat.
Bausparkasse steht Kündigungsrecht des Darlehnsnehmers zu
Die Feststellungsklage ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 30.12.2015 (Az. 31 U 191/15) entschieden, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag wirksam gekündigt hat. Der Beklagten habe, so der Senat, das in § 489 BGB geregelte Kündigungsrecht des Darlehnsnehmers zugestanden. Der Bausparvertrag sei ein Darlehnsvertrag mit der Besonderheit, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehns ihre jeweiligen Rollen als Darlehnsgeber und Darlehnsnehmer tauschten. In der Ansparphase sei daher die Bausparkasse Darlehnsnehmerin.
Bausparbedingungen schließen gesetzliches Kündigungsrecht nicht aus
Die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB seien gegeben. Der Bausparvertrag habe einen gebundenen Sollzins vorgesehen und sei unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt worden. Der von der Vorschrift vorausgesetzte vollständige Empfang der Darlehnsvaluta stehe in einem Bausparfall der eingetretenen Zuteilungsreife gleich. Die Norm wolle einen Interessenausgleich schaffen und den Darlehnsnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze schützen. Sie gelte auch für Bausparkassen in der Ansparphase. Das sei interessengerecht. Bei Bausparverträgen sei auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife abzustellen, weil – mangels Verpflichtung des Bausparers zum Abruf des Bauspardarlehns – die Höhe des von der Bausparkasse in der Ansparphase entgegenzunehmenden Darlehnsbetrages nicht festgelegt sei. Mit dem Eintritt der Zuteilungsreife liege es allein beim Bausparer, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen, indem er das der Bausparkasse gewährte Darlehn kündige und die Voraussetzungen für die Valutierung seines Bauspardarlehns schaffe. Die Bausparbedingungen der Beklagten könnten das gesetzliche Kündigungsrecht nicht ausschließen, weil die gesetzliche Bestimmung zwingendes Recht sei.
(OLG Hamm vom 01.02.2016 / Viola C. Didier)