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02.09.2015

Arbeitsrecht, Meldung

Kirchliches Arbeitsrecht: Verfassungsbeschwerde gegen den „Dritten Weg“

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Der Betrieb

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zum so genannten „Dritten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht wegen Unzulässigkeit verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde war von einer Gewerkschaft eingelegt worden, die vor dem Bundesarbeitsgericht zwar obsiegt hatte, sich aber durch die Urteilsgründe beschwert sah. Nach dem „Dritten Weg“ werden die Arbeitsvertragsbedingungen weder einseitig durch die kirchlichen Dienstgeber („Erster Weg“) noch durch Tarifverträge („Zweiter Weg“) festgelegt, sondern durch eine Arbeitsrechtliche Kommission. Sie ist ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern von Dienstgebern und Dienstnehmern besetzt ist. Ihre Aufgabe liegt darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zustande, so wird ein ebenfalls paritätisch zusammengesetzter Schlichtungsausschuss mit der Angelegenheit befasst. Dieser entscheidet abschließend. Streiks und Aussperrung sind ausgeschlossen.

Beeinträchtigen Streiks das kirchliche Selbstbestimmungsrecht?

Die Beschwerdeführerin in dem vom Bundesverfassungsgericht geprüften Fall war eine Gewerkschaft. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens waren zwei evangelische Landeskirchen sowie sieben Einrichtungen der Diakonie. Im Ausgangsverfahren begehrten sie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, zukünftig Streiks und Streikaufrufe in Einrichtungen der Klägerinnen zu unterlassen. Ein im Wesentlichen stattgebendes Urteil des Arbeitsgerichts hob das Landesarbeitsgericht auf und wies die Klage insgesamt ab. Die Revision der Klägerinnen blieb ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin wandte sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Sie sei zwar nicht durch den Tenor, jedoch durch die Entscheidungsgründe beschwert. Aus diesen ergebe sich für den vorliegenden Fall insbesondere, dass gewerkschaftliche Streiks mit Tarifbezug das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise beeinträchtigten und solche ohne tarifliches Regelungsziel generell rechtswidrig seien.

Kein Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht

Mit Beschluss 2 BvR 2292/13 vom 15.07.2015 hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass der Gewerkschaft die erforderliche Beschwerdebefugnis fehlte. Sie sei weder durch den Urteilstenor beschwert noch folge ausnahmsweise aus den Urteilsgründen, dass sie gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen ist.

Fraglich, ob Gewerkschaft zukünftig betroffen sein wird

Eine gegenwärtige Beschwer folge nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht nicht nur geschriebenes Recht angewandt, sondern das im Wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägte Arbeitskampfrecht richterrechtlich weiterentwickelt hat. Damit hat das Bundesarbeitsgericht nicht Recht gesetzt, das für die Beschwerdeführerin zukünftig verbindlich wäre. Die Fachgerichte sind an durch die Rechtsprechung entwickeltes Recht nicht in gleicher Weise gebunden wie an Gesetze. Nach deutschem Recht gibt es grundsätzlich keine Präjudizienbindung. Die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den „Dritten Weg“ führten schließlich nicht dazu, dass klar abzusehen wäre, dass und wie die Beschwerdeführerin zukünftig betroffen ist. Die Beschwerdeführerin sei durch das Urteil auch nicht unmittelbar betroffen, so die Richter. Der potenzielle Ausschluss des Streikrechts könnte sich vielmehr erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus. Die vorherige Befassung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin zumutbar und ermöglicht es, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte hinsichtlich der – inzwischen modifizierten – kirchenrechtlichen Vorschriften zu vermitteln.

(BVerfG/Viola C. Didier) 


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