Bei der Bewertung von Betrieben gilt der Verkehrswert – also der am freien Markt erzielbare Verkaufspreis. Für nicht börsennotierte Familienunternehmen ist das ein Problem. Sie müssen entweder ein Gutachten anfertigen lassen oder das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden – beides hat aber seine Tücken.
Familien sichern die Zukunft ihrer Unternehmen, indem sie die Gesellschafter engen vertraglichen Bindungen und Auflagen für die Gewinnverwendung unterwerfen. Beschränkungen bei der Gewinnausschüttung halten finanzielle Mittel im Betrieb, damit diese dort für Investitionen und Arbeitsplätze eingesetzt werden können. Der Verkauf eines Anteils des Familienbetriebes ist in der Regel nicht oder nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich. Verhindert wird damit ein Kapitalabfluss aus dem Unternehmen. Dieser Faktor müsste ein Gutachten zum Verkehrswert berücksichtigen. Das aktuelle Bewertungsrecht lässt dies aber nicht zu. Derzeit gleichen die Verschonungsregelungen in der Erbschaftsteuer das Problem aus. Das neue Erbschaftsteuergesetz wird die bisherigen Verschonungsregeln jedoch ändern – die unrealistische Bewertung wird künftig deutlich spürbar.
Niedrige Zinsen schaffen überhöhte Verkehrswerte
Anstelle eines teuren Gutachtens nutzen viele kleine und mittelständische Unternehmen für die Ermittlung des Verkehrswertes das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren. Dabei wird, grob gesagt, ein Kapitalisierungsfaktor aus dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank hergeleitet. Als das Verfahren 2008 entwickelt wurde, lag der Faktor bei 11, inzwischen liegt er bei 18,2. Denn: Sinkt der Zins, erhöht sich der Faktor und damit der Wert des Unternehmens. Dieses Verfahren ist zwar unbürokratisch, führt in der Praxis jedoch zu völlig überhöhten Werten. Allein von 2014 auf 2015 stieg der so berechnete durchschnittliche Wert von Betrieben in Deutschland um 30 Prozent, ohne dass eine Änderung der Marktsituation dies auch nur in Ansätzen widerspiegelt.
Verschonung von Betriebsvermögen auf der Kippe
Mit den Einschränkungen der bisherigen Verschonungsregelungen – so wie im aktuellen Kabinettsentwurf zur Erbschaftsteuer vorgesehen – wird die problematische gesetzliche Unternehmensbewertung für die Familienunternehmen zu einem ernsten Problem. Aus Sicht des DIHK sollte der Gesetzgeber mit der Anpassung der Erbschaftsteuer eine Korrektur des Bewertungsgesetzes verabschieden. Beschränkungen in der Verfügung über das Betriebsvermögen müssten bereits in der Bewertung berücksichtigt werden. Zudem müsste der Kapitalisierungsfaktor so angepasst werden, dass selbst bei niedrigen Zinsen keine Mondpreise für Unternehmen entstehen.
(DIHK / Viola C. Didier)