Mit Urteil vom 29.10.2025 (9 K 1180/22 Kap) hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass die Übertragung eigener Anteile einer GmbH an ihren faktischen Alleingesellschafter zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt, diese jedoch aus Sicht des Gesellschafters mit 0 Euro zu bewerten ist. Die Entscheidung steht im Spannungsfeld zwischen formaler Bewertung und wirtschaftlicher Realität und könnte weitreichende steuerliche Folgen haben.
Streitfall: GmbH überträgt eigene Anteile an Gesellschafter
Die Klägerin, eine GmbH, hatte 2015 die Anteile ihrer Mitgesellschafter erworben und hielt diese fortan als eigene Anteile. Ein Jahr später übertrug sie diese Anteile auf ihren Gesellschafter-Geschäftsführer C, der zu diesem Zeitpunkt faktisch Alleingesellschafter war. Das Finanzamt sah hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung und setzte Kapitalertragsteuer fest, gestützt auf den Substanzwert der übertragenen Anteile.
Keine Kapitalertragsteuer auf Anteilsübertragung
Das FG bestätigte zwar dem Grunde nach das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. C habe ein veräußerbares Wirtschaftsgut erhalten, das auf das Gesellschaftsverhältnis zurückzuführen sei. Dennoch sei diesem Vorteil im konkreten Fall kein steuerlich relevanter Wert beizumessen.
Begründet wurde dies mit den besonderen Umständen der Beteiligung: C war bereits faktisch Alleingesellschafter der GmbH und gewann durch die Übertragung wirtschaftlich nichts hinzu. Das FG griff dabei auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 13.05.2025 – VIII B 33/24) zurück, in der dieser offengelassen hatte, wie ein solcher Vorteil zu bewerten sei. Der BFH stellte klar, dass eine Bewertung mit 0 Euro dann geboten sei, wenn sich ein eigentlich werthaltiges Wirtschaftsgut für den Empfänger als wirtschaftlich bedeutungslos darstellt.
Bedeutung für die Besteuerung
Die Entscheidung betont das Prinzip der Besteuerung nach individueller Leistungsfähigkeit. Maßgeblich sei nicht allein, ob ein Vorteil objektiv einen Wert hat, sondern ob er dem Steuerpflichtigen in seiner konkreten Lage auch tatsächlich zugutekommt. Da sich die rechtlich-wirtschaftliche Position von C durch die Anteilsübertragung nicht verändert habe, bestehe kein Raum für eine Besteuerung der vermeintlichen Bereicherung.
Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung hat das Finanzgericht Münster die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

