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17.11.2025

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Sozialversicherungsrecht – Drum prüfe, wer im Ausland tätig werden lasse

Im Rahmen der stetig fortschreitenden Globalisierung und dem grenzüberschreitenden Einsatz von Mitarbeitenden sollten Unternehmen zur Verhinderung finanzieller Ansprüche von Sozialversicherungsbehörden die Frage nach dem anwendbaren Sozialversicherungsrecht in jedem Einzelfall grundlegend prüfen. Im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang bestehenden Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbestände erlangt dies weitere Relevanz auch für die Personalverantwortlichen und gesetzlichen Vertreter in den Unternehmen.

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RAin/FAinArbR Saskia MacLaughlin, LL.M.
ist Counsel bei DLA Piper UK LLP (Frankfurt/M.)

Auch das LSG Bayern (vom 22.01.2025 – L 19 R 456/22) beschäftigte sich jüngst mit der Frage des Territorialitätsprinzips der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Fall einer Beschäftigung eines Ausländers in dessen Heimatstaat durch ein deutsches Unternehmen. Es stellte fest, dass es bei Tätigkeiten mit Auslandsbezug für die Bestimmung der Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung maßgeblich auf den tatsächlichen Beschäftigungsort ankomme.

Der Sachverhalt

Der Kläger war von 1992 bis 2015 bei einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland angestellt, hatte jedoch seinen Wohnsitz im Ausland und übte die Tätigkeit ausschließlich aus seinem dort befindlichen Homeoffice aus. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob trotz Auslandswohnsitz und ausschließlicher Tätigkeitserbringung aus dem Ausland eine Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung bestand. Der Kläger machte geltend, dass die Tätigkeit faktisch für einen deutschen Arbeitgeber erbracht wurde und daher die deutsche Sozialversicherungspflicht greifen müsse.

Die Entscheidung

Das LSG hat – wie die zuständige Behörde und sodann Vorinstanz – den Anspruch des Klägers nicht anerkannt, da während seiner Beschäftigung beim beklagten Unternehmen im Ausland keine Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe.

Das LSG stellte zunächst klar, dass die Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung grundsätzlich an den Ort der tatsächlichen Beschäftigung anknüpfe, mithin das Territorialitätsprinzip gelte. Der Beschäftigungsort wird in § 9 Abs. 1 SGB IV als der Ort definiert, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Maßgeblich seien insoweit allein die tatsächlichen Verhältnisse und nicht etwaige rechtliche Vereinbarungen. Da der Kläger seine Tätigkeit ausschließlich aus seinem Homeoffice im Ausland ausgeübt habe, greife das deutsche Sozialversicherungsrecht nicht automatisch. Der Sitz des Arbeitgebers in Deutschland sei insofern nicht von Relevanz.

Ausnahmefälle, die zu einer Abweichung vom Grundsatz des Beschäftigungsstaatsprinzips führten, seien nicht erfüllt gewesen, insbesondere habe es sich nicht um eine befristete Entsendung gehandelt. Der Kläger war bereits zu Beschäftigungsbeginn im Ausland wohnhaft und zu keinem Zeitpunkt für das Unternehmen in Deutschland tätig, so dass es an einer dem Entsendebegriff immanenten „Bewegung“ aus Deutschland ins Ausland fehle. Darüber hinaus fehle es auch an einer im Voraus vorgenommenen zeitlichen Begrenzung des Auslandsaufenthaltes.

Nach § 6 SGB IV bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Auch aus dem zwischen Deutschland und dem Heimat- und Beschäftigungsland des Klägers geltenden bilateralen Sozialversicherungsabkommen habe sich jedoch keine andere Bewertung ergeben.

Konsequenzen für die Praxis

In Zeiten stetig fortschreitender Globalisierung und dem grenzüberschreitenden Einsatz von Mitarbeitenden, sowie dem erhöhten Prüfungsaufkommen seitens der zuständigen Behörden wird es für Unternehmen immer wichtiger, die Auslandseinsätze – und sei dies „nur“ im Rahmen von Workation und Homeoffice – auch sozialversicherungsrechtlich sicher zu gestalten.

Was ist also zu tun:

Vor Beginn der Auslandstätigkeit eines Mitarbeitenden sollte eine klare Prüfung des tatsächlichen Beschäftigungsortes und eine entsprechende Dokumentation dieses Ortes erfolgen. Der Mitarbeiter ist zu verpflichten, den Arbeitgeber über etwaige Änderungen vorab in Kenntnis zu setzen, um diesem eine erneute Prüfung zu ermöglichen. Gerade im Nachgang der Pandemie mussten viele Unternehmen feststellen, dass Mitarbeiter letztlich kommentarlos im Ausland verblieben oder dahin verzogen waren, ohne dass eine Prüfung möglicher sozialversicherungsrechtlicher Auswirkungen erfolgte, mit teils erheblichen finanziellen und strafrechtlichen Konsequenzen.

Sofern es einen Auslandsbezug gibt, sollte geprüft werden, ob eine der Ausnahmen des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsortsprinzips gilt, sei dies aufgrund des Vorliegens einer Entsendung, der regelmäßigen Tätigkeit in mehreren Staaten oder entsprechend der Regelungen von über- oder zwischenstaatlichem Recht.

In der EU sind die Regelungen der Verordnung (EG) 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Grundverordnung) i.V. mit der Verordnung (EG) 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Grundverordnung maßgeblich, welche den sozialen Schutz für Versicherte regeln, die sich im jeweils anderen Vertragsstaat aufhalten, um eine Doppelversicherung auszuschließen. Diese Regelungen sind auch anwendbar auf die EWR-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein sowie die Schweiz. Ein inhaltlich vergleichbares Abkommen besteht zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Darüber hinaus hat Deutschland mit zahlreichen Staaten (aktuell 23) bilaterale Sozialversicherungsabkommen geschlossen, welche individuell unterschiedliche Bereiche der Sozialversicherung betreffen.

Es ist dringend zu empfehlen, in einem solchen Fall vom zuständigen Sozialversicherungsträger den Status des betreffenden Mitarbeitenden prüfen und durch offizielle Bescheinigung, beispielsweise die A-Bescheinigung innerhalb der EU, bestätigen zu lassen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vom 06.09.2018 – C-527/16) und des BSG (vom 29.06.2016 – B 12 R 8/14 R) sind entsprechende Bescheinigungen für die Sozialversicherungsträger, Behörden und Gerichte des anderen Landes so lange verbindlich, wie sie nicht von dem zuständigen ausstellenden Sozialversicherungsträger widerrufen oder für ungültig erklärt werden und bieten damit rechtliche Sicherheit für den Arbeitgeber.

Im Übrigen ist die ordnungsgemäße Anmeldung, Dokumentation und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend des für anwendbar befundenen Sozialversicherungsrechtes zu gewährleisten.

Grundsätzlich ist es gerade für größere Unternehmen ratsam, zur Vermeidung etwaiger sozialversicherungsrechtlicher Beitragsnachforderungen und sich daran anschließender Sanktionen aufgrund der akzessorischen Verwirklichung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, interne Richtlinien zu erstellen, die klare Vorgaben für Tätigkeiten mit Auslandsbezug definieren und einheitliche Prozesse etablieren. Dies kann auch die Möglichkeit der fortgesetzten – jedoch dann freiwilligen weiteren – Versicherung in der deutschen Rentenversicherung beinhalten.

Sofern dieser Bereich bisher nicht im Fokus stand, sollte eine Überprüfung der bisherigen Auslandseinsätze unter anderem aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht durchgeführt werden, um Compliance sicherzustellen.

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Christian Rolf


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