Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16.07.2025 (I R 1/23) entschieden, dass Verluste einer Kapitalgesellschaft, die im Wirtschaftsjahr eines schädlichen Beteiligungserwerbs vor dem Erwerbszeitpunkt entstehen, zwar nicht vorgetragen, wohl aber in das Vorjahr zurückgetragen werden können. Damit widerspricht der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung und stärkt die Rechte von Kapitalgesellschaften im Rahmen der Verlustnutzung.
Der Streitfall: Verlust im Verschmelzungsjahr
Eine GmbH erzielte im Jahr 2017 einen Gewinn von rund 1,84 Mio. €. Im Jahr 2018, das aufgrund einer Verschmelzung mit Wirkung zum 30.09.2018 endete, erwirtschaftete sie einen Verlust von 14.058 €. Noch vor der Verschmelzung hatte eine andere GmbH am 17.10.2018 100% der Anteile an der verlusttragenden Gesellschaft erworben. Das Finanzamt verweigerte daraufhin einen Verlustrücktrag in das Jahr 2017 mit Verweis auf § 8c KStG.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung war der Verlust nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nicht mehr abziehbar, da ein schädlicher Beteiligungserwerb vorlag. Verluste, die bis zum Erwerbszeitpunkt entstanden seien, dürften weder vorgetragen noch rückgetragen werden. Auch die Verschmelzungsrückwirkung ändere daran nichts.
BFH: Verlustrücktrag bleibt zulässig
Der BFH widersprach dieser Ansicht. Zwar greife § 8c KStG hinsichtlich des Verlustvortrags, nicht jedoch für den Verlustrücktrag. Die Vorschrift wolle verhindern, dass neue Gesellschafter Verluste nutzen, die unter dem alten Gesellschafterkreis entstanden sind. Wird der Verlust jedoch in ein Jahr zurückgetragen, in dem der Gesellschafterbestand noch unverändert war, bleibt die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft gewahrt. § 8c KStG steht einem solchen Verlustrücktrag nicht entgegen.
Rechtliche Einordnung und Auswirkungen
Der BFH stützt sich auf eine teleologische Auslegung der Vorschrift und widerspricht damit ausdrücklich der Verwaltungsauffassung im BMF-Schreiben vom 28.11.2017. Das Gericht betont, dass der Gesetzeszweck lediglich eine Nutzung der Verluste durch neue Anteilseigner verhindern wolle, nicht aber eine Nutzung durch die ursprünglichen Anteilseigner mittels Rücktrag.
Diese Entscheidung schafft Rechtssicherheit für Fälle, in denen Kapitalgesellschaften unterjährig übernommen werden und im selben Jahr Verluste entstehen. Steuerpflichtige können nun auf den Verlustrücktrag in das Vorjahr vertrauen, sofern die Verluste vor dem Beteiligungserwerb angefallen sind.

