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31.10.2025

Rechtsboard

Equal Pay – Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot kann Gehaltsanpassung bis zur Höhe der Bezüge der Vergleichsperson bedingen

Das BAG gibt in seiner Pressemitteilung zum Urteil vom 23.10.2025 – 8 AZR 300/24 zu erkennen, dass ein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das dem im Rahmen des Paarvergleichs herangezogenen Kollegen gezahlt wird, also nach „ganz oben“ – nicht nur zu einer Anpassung an den Mittelwert des Entgelts der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts.

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RA/FAArbR Daniel Greger
ist tätig im Fachbereich Arbeitsrecht bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg

Dr. Friederike Wolter
ist tätig als Rechtsreferendarin im Fachbereich Arbeitsrecht bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg

Der Fall

Dem Urteil des BAG, zu dem bisher nur die Pressemitteilung vorliegt, lag ein Fall zugrunde, in dem die in einer Führungsposition bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigte Klägerin eine finanzielle Gleichstellung mit einem von ihr konkret benannten männlichen Kollegen begehrte, der ebenfalls in der ihr zugeordneten Führungsebene tätig war. Insgesamt verlangte sie die Zahlung einer Lohndifferenz von über 400.000 € brutto für die Jahre 2018 bis 2022. Hilfsweise machte sie die Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem Mittelwert des Entgelts (Median) ihrer männlichen Kollegen geltend; der Medianwert war der Klägerin aufgrund des von der Beklagten im Intranet zur Verfügung gestellten Entgelttransparenz-Dashboards bekannt. Die Gehaltsdaten des männlichen Kollegen im Hinblick auf ihren Hauptantrag sind ihr von einem ehemaligen Betriebsratsmitglied mitgeteilt worden. Das ArbG gab der Klage teilweise statt, das LAG sprach der Klägerin lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen Kolleginnen und dem der männlichen Kollegen für einzelne Entgeltbestandteile zu.   

Das Urteil des BAG: Gehalt eines Kollegen des anderen Geschlechts begründet Vermutung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung

Der Achte BAG-Senat gab wiederum teilweise der Revision statt und verwies die Sache zurück an die Vorinstanz. Laut den ersten, aus der Pressemitteilung ersichtlichen Maßgaben bedarf es gemäß den Erfurter Richtern hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast keiner überwiegenden Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Ein anderes Ergebnis sei mit dem Unionsrecht unvereinbar. Es genüge, wenn die Arbeitnehmerin darlegt und im Fall des Bestreitens beweist, dass ein männlicher Kollege bei Verrichtung gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein höheres Entgelt erhält.

Bereits zuvor hatte der Senat die Darlegungserleichterung aus § 22 AGG bei Rechtsstreiten zur Entgeltgleichheit nach den §§ 3, 7 EntgTranspG bzw. Art. 157 AEUV herangezogen und das Beweismaß für das Vorliegen einer geschlechtsbedingten Diskriminierung beim Entgelt unter unionsrechtskonformer Auslegung des § 22 AGG verringert: Im Bestreitensfall habe die klagende Partei ein höheres Entgelt eines Kollegen des anderen Geschlechts bei Verrichtung gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu beweisen (BAG vom 21.01.2021 – 8 AZR 488/19, DB 2021 S. 1682, Rn. 51).

Wie der Senat nun ausführt, komme es nicht auf die Größe der männlichen Vergleichsgruppe oder die Höhe der Medianentgelte von den jeweiligen Geschlechtsgruppen an. Diese seien für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung. Bislang hatte der Senat lediglich entschieden, dass beim Fehlen einer ausreichenden männlichen Vergleichsgruppe (neben der Klägerin gab es nur zwei Kollegen des anderen Geschlechts mit gleicher Tätigkeit) „jedenfalls in einem solchen Fall“ das Aufzeigen eines einzelnen Kollegen des anderen Geschlechts ausreicht (BAG vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21, ZIP 2023 S. 1494, Rn. 44). Das BAG entwickelt seine Rechtsprechung mithin hier dahingehend weiter, dass eine Klägerin ihrer Darlegungslast auch dann genügt, wenn sie auf ein einzelnes Gehalt eines männlichen Kollegen verweist. Hierbei überstieg das Gehalt des benannten männlichen Kollegen auch das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe deutlich.

Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung

Ob die Klägerin tatsächlich die begehrte Anpassung verlangen kann, ist indes noch offen. Im Rahmen der neuen Verhandlung der Sache vor dem LAG kann die Beklagte die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts widerlegen – trotz der „Intransparenz ihres Entgeltsystems“, wie das BAG betonte. Die Beklagte hatte den Umstand, dass das Gehalt der Klägerin unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe liegt, bisher mit Leistungsmängeln begründet. Für die Widerlegung der Vermutung ist erforderlich, dass ein Arbeitgeber Tatsachen vorträgt und ggf. beweist, aus denen sich ergibt, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Zu der höheren Bemessung des Entgelts des männlichen Kollegen müssten daher ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht geführt haben. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG können insbesondere arbeitsmarkt-, leistungs- und arbeitsergebnisbezogene Kriterien ein unterschiedliches Entgelt im Rahmen der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen. Solche Gründe können etwa vorliegen, wenn auf dem Arbeitsmarkt ein Mangel an Bewerbern mit bestimmter Qualifikation herrscht und zur Gewinnung solcher Kräfte ein höheres Entgelt geboten wird. Auch die Berufserfahrung und die Qualifikation sind grundsätzlich geeignet, eine Entgeltungleichheit zu rechtfertigen.

Folgen und Praxishinweise

Soweit die Beklagte im vorliegenden Verfahren die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung nicht widerlegen kann, hat die Klägerin Anspruch auf das Entgelt, das der zum Vergleich herangezogene einzelne männliche Kollege erhält. Damit weicht das BAG von der in der Vorinstanz vertretenen Auffassung ab, wonach eine Entgeltanpassung lediglich in der Höhe der Differenz zwischen den Medianentgelten der männlichen und weiblichen Kollegen in Betracht kommt. Nach der Pressemitteilung des BAG ist für den Anpassungsanspruch derweil vielmehr das konkrete Entgelt der benannten oder einzelner Vergleichspersonen maßgeblich. Es ist daher derzeit nicht auszuschließen, dass sich eine Entgeltanpassung – vorbehaltlich einer wirksamen Widerlegung durch den Arbeitgeber – auch auf das höchste Entgelt innerhalb der Vergleichsgruppe „nach ganz oben“ erstrecken kann. Zugleich bleibt zu berücksichtigen, dass die Entscheidung keine pauschale Verpflichtung zu einer Anpassung „nach ganz oben“ begründen dürfte. Vielmehr ist zu prüfen, für welche Entgeltbestandteile eine geschlechtsbedingte Benachteiligung tatsächlich festzustellen ist und ob insoweit sachliche Rechtfertigungsgründe entgegenstehen.

Die Entscheidung verdeutlicht gleichwohl, dass nur geringe Anforderungen an den Arbeitnehmervortrag gestellt werden, um die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung zu begründen. Für Arbeitgeber ergibt sich daraus das Risiko, in Equal-Pay-Verfahren unterlegen zu sein – unabhängig davon, ob tatsächlich eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beabsichtigt war. In Anbetracht der potenziellen finanziellen Folgen sollten Entgeltsysteme und Vergütungspraktiken überprüft und sachliche Kriterien für Entgeltdifferenzierungen festgelegt sowie Prozesse für eine hinreichende Dokumentation eingerichtet werden, um im Streitfall eine geschlechtsunabhängige Differenzierung belegen zu können. Dies beinhaltet vor allem auch, die Gründe für individuelle Vergütungsentscheidungen zu dokumentieren. Dabei sollten zuletzt auch die Anforderungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Entgelttransparenz-Richtlinie (EU) 2023/970 berücksichtigt werden, die bis 07.06.2026 zu erfolgen hat. Die Richtlinie sieht beispielsweise vor, dass Arbeitgeber mit mehr als 150 Arbeitnehmern künftig eine umfassende Berichterstattung über das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle vorlegen müssen. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hat zur Art und Weise der Umsetzung der Richtlinie kürzlich eine Einschätzung abgegeben.

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