17.10.2025

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Urlaub vom Postfach

Auch in Deutschland wird der Herbst als Reisezeit immer beliebter. Gerade Beschäftigte ohne schulpflichtige Kinder nutzen die Zeit zwischen den Ferien für ihren Urlaub. Für Unternehmen hat dies den Vorteil, dass sich die Abwesenheit der Beschäftigten entzerrt. Sofern keine Werksferien angeordnet werden, fehlt über das Jahr verteilt immer wieder lediglich ein Teil der Belegschaft.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA Alexander von Chrzanowski
ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und für IT-Recht und Associate Partner bei Rödl & Partner.

Die Auszeit vom Arbeitsplatz sollte dabei auch mit einem Verzicht auf den Zugriff auf das E-Mail-Konto einhergehen. Was für die Beschäftigten eine Befreiung sein kann, stellt Unternehmen gelegentlich vor Schwierigkeiten. Wie ist mit elektronischen Nachrichten umzugehen, die während der Abwesenheit eingehen – oder gar mit alten E-Mails, die in den Postfächern schlummern? Der nachfolgende Beitrag will hierzu eine Orientierung geben.

Zugang von Willenserklärungen

Beschäftigte haben Anspruch auf Erholungsurlaub. Während des Urlaubs besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung oder zur dienstlichen Erreichbarkeit. Die Reaktionen auf eingehende Nachrichten im dienstlichen E-Mail-Account sind von den Beschäftigten damit nicht geschuldet.

Allerdings gilt das nicht absolut: Erklärungen des Arbeitgebers, die über die privaten Kontaktmöglichkeiten der Beschäftigten erfolgen, gehen diesen auch während ihres Urlaubs zu. Daher können schriftliche Kündigungen den Beschäftigten selbst bei Kenntnis des Unternehmens von deren Urlaubsabwesenheit durch Einwurf in ihre Hausbriefkästen zugestellt werden und Fristen in Gang setzen.

Ebenso gehen Nachrichten des Unternehmens an die privaten E-Mail-Adressen der Beschäftigten diesen auch während ihres Urlaubs zu. Voraussetzung für den Zugang ist jedoch, dass die Beschäftigten dem Unternehmen gegenüber ihre private E-Mail-Adresse bekannt gegeben haben, bspw. im Zusammenhang mit der Einstellung. Es reicht dagegen nicht aus, wenn ein Unternehmen die private E-Mail-Adresse durch Nachfrage bei Dritten in Erfahrung gebracht hat und verwendet. Dienstliche Anweisungen an das private E-Mail-Postfach müssen Beschäftigte während der Urlaubszeit jedoch nicht beachten, da die Beschäftigten während dieser Zeit gerade keine Arbeitsleistung und damit auch keine Reaktion schulden. Zudem sollte die dienstliche Kommunikation über private Kommunikationskanäle ohnehin unterbleiben, da das die Vertraulichkeit und Sicherheit gefährden kann.

E-Mail-Zugang im Unternehmen

Der Zugang von Nachrichten unabhängig von der tatsächlichen Anwesenheit von Personen gilt auch für Unternehmen: Wenn sie die Kommunikation über E-Mails eröffnet haben, müssen sie sich den Zugang von elektronischen Nachrichten zu dem Zeitpunkt zurechnen lassen, zu dem E-Mails während der Geschäftszeiten auf dem E-Mail-Server eingehen, wie der BGH bereits 2022 festgestellt hat (Urteil vom 06.10.2022 – VII ZR 895/21). Unerheblich ist auch hier, ob und wann die E-Mails abgerufen oder bearbeitet werden. Daher ist für den Zugang von E-Mails während der Urlaubszeit eine Lösung zu finden.

Funktionsaccounts – weniger ist mehr

Einfach ist es für Unternehmen, die jedenfalls für den Kontakt nach außen wenige gemeinsam genutzte Funktionsaccounts nutzen, bspw. einkauf@example.com. Auf diese können ohnehin mehrere Personen Zugriff haben, sodass sich eine interne Vertretung leicht organisieren lässt.

Zudem ist hinter einer derartigen E-Mail-Adresse meist auch ein Dokumenten­management­system geschaltet. So können eingehende (und ausgehende) Nachrichten auch gleich zu den relevanten Vorgängen sortiert werden. Das löst die weitere Aufgabe, das E-Mail-Postfach nicht als zufällige Ansammlung ein- und ausgehender Nachrichten zu belassen („Datengrab“), sondern dem Unternehmen jederzeit systematischen Zugriff auf alle zu einem Vorgang relevanten Nachrichten zu gewähren.

Dennoch ist der Zugang zu solchen Sammelaccounts nicht willkürlich zu ermöglichen. Gerade für E-Mail-Accounts, die leicht personenbezogene oder sonst vertraulich zu behandelnde Daten erhalten dürften, bspw. datenschutz@example.com oder betriebsrat@example.com, sollte sichergestellt werden, wer darauf Zugriff erhalten kann.

Eingerichteter E-Mail-Zugriff Dritter

Bei individuellen Accounts können Beschäftigte auch selbst Zugriffe für Dritte einrichten. Damit können sie Teammitgliedern Zugriff auf ihre E-Mail-Accounts in unterschiedlicher Detailtiefe gewähren. Das ermöglicht nicht nur eine Vertretung im geplanten Urlaubsfall, sondern auch bei kurzfristig ungeplanter Verhinderung (Arbeitsunfähigkeit).

Gegen einen solchen eingeräumten Zugriff für Dritte können Absender von Nachrichten grds. nichts einwenden. Diese haben auch keine Möglichkeit, individuellen Empfängerinnen einer Nachricht die Weitergabe ihrer Nachrichten an Dritte oder diesen den Zugriff auf ihre Nachrichten zu untersagen.

Zudem können Unternehmen festlegen, wie sie die von ihnen dienstlich zur Verfügung gestellten E-Mail-Accounts genutzt wissen wollen – bspw. ausschließlich für geschäftliche Korrespondenz und mit dem wechselseitigen Zugriff von einander vertretenden Kolleginnen und Kollegen. Dennoch sollte in diesem Fall gedanklich geprüft und kurz dokumentiert werden, ob voraussichtlich dienstliche E-Mails eingehen könnten, auf die Teammitglieder keinen Zugriff erhalten sollten.

Automatische E-Mail-Bearbeitung

Als einfache Zwischenlösung lässt sich von den Postfach-Inhabenden jedenfalls für neu eingehende Nachrichten eine automatische Antwort einstellen. Abhängig von ihrem Inhalt stellt die Out-of-office-Nachricht einen Hinweis an die Versendenden dar, ab wann überhaupt mit einer Bearbeitung zu rechnen ist und/oder bei welchen anderen Personen in der Zwischenzeit eine Bearbeitung erfolgversprechender sein könnte.

Allerdings schützt das ein Unternehmen nicht davor, dass eine vorangegangene E-Mail, auf die automatisch geantwortet ist, bereits zugegangen ist. Etwaige Fristen können mit dieser Nachricht dennoch in Gang gesetzt worden sein.

Zwar lassen sich eingehende E-Mails auch automatisch weiterleiten. Als automatische Regel kann das sinnvoll sein für die dauerhaft automatische Weiterleitung von Nachrichten mit einem bestimmten Betreff von bestimmen Adressen an einen weiteren Verteiler – bspw. die Weiterleitung von Newslettern oder Statusberichten. Eine generelle Weiterleitung sämtlicher eingehenden Nachrichten an eine dritte Person sollte dennoch möglichst nicht erfolgen. Aus rechtlicher Sicht wäre zu prüfen, ob hierdurch eine Gefährdung des Umgangs mit personenbezogenen Daten oder sonst vertraulich zu behandelnden Informationen Dritter eintreten kann. Aus praktischer Sicht spricht die Vervielfältigung des E-Mail-Aufkommens gegen eine solche Weiterleitung.

Zugriff auf E-Mail-Postfächer Abwesender

Damit bleibt die Frage, ob Personen „spontan“ auf E-Mail-Postfächer abwesender Beschäftigter zugreifen können. Ein Grund dafür kann der Zugriff und die Reaktion auf eingehende neue Nachrichten sein, wie bereits dargestellt. Ein anderer Aspekt betrifft die Notwendigkeit, bei unzureichender Vorgangsdokumentation außerhalb personalisierter Postfächer weitere fehlende Informationen zusammensuchen zu müssen.

Solche Fälle treten in einem Unternehmen nicht plötzlich und unerwartet auf. Sowohl geplante Abwesenheitszeiten (z.B. Urlaub) als auch ungeplante Verhinderungen (z.B. Arbeitsunfähigkeit) sind absehbar. Unternehmen müssen sich daher auf solche Situationen einstellen, um angemessen damit umgehen zu können. Zudem ist es in ohnehin stressigen Situationen wenig hilfreich, noch darüber nachdenken zu müssen, wie genau jetzt ein Zugriff auf Informationen ermöglicht werden kann. Schließlich müssen Mitarbeitende nicht nur für sich die Gewissheit erlangen, rechtmäßig zu handeln, sondern ggf. auch andere davon überzeugen.

Es nützt bspw. wenig, sich davon zu überzeugen, dass das Fernmeldegeheimnis auf Unternehmen, die ihren Beschäftigten lediglich dienstliche E-Mail-Postfächer zur betrieblichen Verwendung zur Verfügung stellen, wohl nicht anwendbar ist. Gerichte haben in der Vergangenheit immer wieder Fälle entschieden, in denen der Zugriff in Sondersituationen erfolgte und als zulässig akzeptiert wurde (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 16.02.2011 – 4 Sa 2132/10, Erkrankung einer Mitarbeiterin für knapp zwei Monate und vergebliche Kontaktversuche des Unternehmens). Im Zweifel müssen jedoch auch Systemadministratoren unter Umständen davon überzeugt werden, den Zugriff auf solche Postfächer trotz möglicher strafrechtlicher Sanktionen einzuräumen.

Daher ist sinnvoller, für derartig absehbare Fälle betriebliche Regelungen zur E-Mail-Nutzung, der Vertretung und dem Zugriff auf Postfächer aufzustellen, etwa

  • die E-Mail-Nutzung generell nur für dienstliche Zwecke zuzulassen und eine private Nutzung auszuschließen – in Zeiten allgegenwärtiger Smartphones besteht nahezu kein Bedarf mehr, Beschäftigten die Privatnutzung dienstlicher E-Mails zu gestatten,
  • bei geplanter Abwesenheit die Beschäftigten zur Einrichtung einer automatischen Benachrichtigung mit Benennung der Vertretung und deren Kontaktdaten zu verpflichten,
  • ggf. für den Fall ungeplanter Abwesenheiten (Erkrankung) eine Vertretung mit Zugriff auf das E-Mail-Konto zu betrauen und etwaige Informationspflichten dafür zu regeln,
  • E-Mails nicht als Datenhalde zu betrachten, sondern wie sonstige Geschäftspost zu behandeln und – idealerweise elektronisch – zu den jeweiligen Vorgängen außerhalb des eigenen E-Mail-Postfachs hinzuzufügen.

Schließlich lässt sich auf diese Weise auch eine echte Vertretung während der Urlaubszeit erreichen, bei der eingehende Aufgaben auch abgearbeitet werden können. Andernfalls schließt sich nach der Urlaubsrückkehr das bloße Abarbeiten der zwischenzeitlich aufgelaufenen Nachrichten an, was einen etwa eingetretenen Erholungseffekt schnell reduziert. Eine solche Anforderung enthält das Bundesurlaubsgesetz jedoch bislang noch nicht.

 

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