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15.10.2025

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FG München: Sitzverlagerung einer EU/EWR-Stiftung führt nicht zum Verlust der Rechtsfähigkeit

Zuwendungen Dritter an eine Stiftung lösen grundsätzlich keine Schenkungsteuer beim Stifter aus. Genau dies nahm jedoch ein Finanzamt im Fall einer liechtensteinischen Stiftung an, deren Stifter im Inland ansässig ist. Die Stiftung hatte ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, woraus das Finanzamt den Verlust der Rechtsfähigkeit ableitete und die Zuwendung dem Stifter zurechnete.

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StB/ FBIStR Dr. Erik Muscheites
ist Associated Partner bei POELLATH in Frankfurt/M.

I. Einleitung

Grundlage des Falls war keine komplexe Sachverhaltsgestaltung, sondern die im internationalen Privatrecht seit langem umstrittene Frage nach dem maßgeblichen Anknüpfungspunkt für das Gesellschaftsstatut. Hierbei stehen sich im Wesentlichen zwei Theorien gegenüber: die Sitztheorie und die Gründungstheorie.

Nach der Sitztheorie richtet sich das anwendbare Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates, in dem die juristische Person ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Demgegenüber knüpft die Gründungstheorie an das Recht des Gründungsstaates an. Ein Wechsel des Verwaltungssitzes führt nach der Sitztheorie somit zu einem Wechsel des Gesellschaftsstatuts (Statutenwechsel).

Das FG München hat sich in seiner Entscheidung vom 13.08.2025 (4 K 2055/23) mit dieser Streitfrage befasst und dazu Stellung genommen, ob bei einer Sitzverlagerung die Rechtsfähigkeit einer EU/EWR-Stiftung verloren geht und dadurch Zuwendungen an die Stiftung beim Stifter schenkungsteuerlich zu erfassen sind.

II. Sachverhalt

Der im Inland ansässige Kläger hatte nach liechtensteinischem Recht wirksam eine Stiftung errichtet. In den Stiftungsdokumenten waren dem Stifter keine umfassenden Herrschafts- oder Verfügungsbefugnisse über das Stiftungsvermögen eingeräumt worden.

Anschließend verlegte die Stiftung ihren Verwaltungssitz von Liechtenstein nach München. Von dort aus ist die Stiftung gewerblich tätig und als Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Grundbuch eingetragen.

Ein Dritter schenkte der Stiftung einen Betrag von 30.000 €. Daraufhin setzte das Finanzamt gegen den Stifter (Kläger) Schenkungsteuer in Höhe von 1.500 € fest. Das Finanzamt qualifizierte die Zuwendung als freigebige Zuwendung an den Kläger und begründete dies damit, dass die Rechtsfähigkeit der Stiftung durch die Sitzverlegung erloschen sei.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, den Schenkungsteuerbescheid aufzuheben.

III. Entscheidung

Das FG München gab der Klage statt und hob den Schenkungsteuerbescheid auf.

Die Geldschenkung des Dritten an die Stiftung stellt nach Ansicht des Gerichts keine unentgeltliche Zuwendung an den Kläger im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Das Vermögen einer rechtlich selbständigen und intransparenten Stiftung ist dem Stifter nicht zuzurechnen, weshalb ein Vermögenszufluss an die Stiftung auch nur bei dieser zu erfassen ist. Eine Schenkung an eine solche Stiftung kann daher beim Stifter grundsätzlich keine steuerbare Zuwendung auslösen.

Das Gericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Argumente:

1. Keine Zurechnung des Stiftungsvermögens

Das Stiftungsvermögen ist dem Stifter nur dann zuzurechnen, wenn dieser sich umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen der Stiftung vorbehalten hat, sodass die Stiftung nicht frei über das ihr zugewendete Vermögen verfügen kann. Laut den Stiftungsdokumenten hatte sich der Stifter im Streitfall keine derartigen Befugnisse eingeräumt. Entscheidend war daher allein die Frage, ob eine rechtsfähige Stiftung fortbestand.

2. Sitzverlagerung führt nicht zum Verlust der Rechtsfähigkeit

An der wirksamen Errichtung der Stiftung nach liechtensteinischem Recht hegte das Gericht keine Zweifel. Entgegen der Auffassung des Finanzamts führte auch der Wechsel des Verwaltungssitzes nicht zum Erlöschen der Rechtsfähigkeit.

Während das Finanzamt die Sitztheorie anwandte, folgte das FG München der Gründungstheorie. Nach dieser richtet sich die Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach dem Recht des Gründungsstaates, hier also nach liechtensteinischem Recht. Damit schließt sich das FG München der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften (EuGH  vom 05.11.2002 –Rs. C-208/00, „Überseering“; EuGH  vom 30.09.2003, – C-167/01, „Inspire Art“) und der Folge-Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH vom 19.09.2005 – II ZR 372/03) an und überträgt diese auf Stiftungssachverhalte.

Nach dieser Rechtsprechung ist die Rechtsfähigkeit von im EU/EWR-Raum gegründeten Gesellschaften in allen Mitgliedstaaten anzuerkennen, unabhängig davon, wo sich deren Verwaltungssitz befindet. Umstritten ist bislang jedoch, ob diese Rechtsprechung zu Gesellschaften auch auf Stiftungen übertragbar ist. Das Gericht stufte die Stiftung aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit als „Gesellschaft“ im Sinne des Art. 54 AEUV ein, die sich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) berufen kann und stellt damit klar, dass die europarechtlichen Vorgaben zum Kollisionsrecht auch für EU/EWR-Stiftungen gelten.

Es setzte sich auch mit den von den Befürwortern der Sitztheorie vorgebrachten Gegenargumenten auseinander. Ein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit liegt hier nicht vor. Dies gilt selbst dann, wenn die Gründung in einem anderen Staat nur dazu gedient hätte, in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften zu kommen.

Die Anwendung der Sitztheorie wird auch nicht durch ein „Aufsichtsvakuum“ zwingend vorgeschrieben. Zwar unterliegt die streitgegenständliche Stiftung hier keiner Stiftungsaufsicht. Da der Rechtsverkehr aber gar nicht durch die Stiftungsaufsicht geschützt wird, kann dies nicht als Argument gegen die Gründungstheorie herangezogen werden.

Im Ergebnis führt die Sitzverlagerung daher nicht zu einem Verlust der Rechtsfähigkeit. Die Stiftung bleibt intransparent, sodass die ihr zugewendeten Beträge keine Schenkungsteuer beim Stifter auslösen.

IV. Fazit und Ausblick

Das Urteil des FG München ist im Ergebnis folgerichtig, steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und überträgt diese konsequent auf Stiftungen. Zuwendungen Dritter an eine intransparente Stiftung sind nicht dem Stifter zuzurechnen. Daran ändert auch die Verlagerung des Verwaltungssitzes einer EU/EWR-Stiftung nach Deutschland nichts, da dieser Vorgang nicht zum Verlust der Rechtsfähigkeit und somit nicht zu einer steuerlichen Transparenz der Stiftung führt.

Die damit verbundene Wertung, dass die „europäische Gründungstheorie“ auf Grundlage der EuGH-Rechtsprechung nicht nur für Gesellschaften gilt, sondern auch auf Stiftungen zu übertragen ist, ist zu begrüßen.

Das FG München hat die Revision zum BFH jedoch wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Damit erhält der II. Senat des BFH die Möglichkeit, die (höchstrichterlich noch nicht geklärte) Frage des Fortbestands der Rechtsfähigkeit von im Ausland gegründeten Stiftungen nach der Sitzverlegung in das Inland zu beantworten und Rechtssicherheit zu schaffen. Die Revision wurde zwischenzeitlich eingelegt (unter II R 41/25). Es bleibt daher abzuwarten, wie der BFH in dieser Sache entscheiden wird. Insoweit sollte in vergleichbaren Fällen das Ruhen des Verfahrens angeregt werden.

Zudem ist zu beachten, dass die Grundsätze der Gründungstheorie im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nur für Gesellschaften und Stiftungen aus dem EU/EWR-Raum gelten. Im Verhältnis zu Drittstaaten wendet Deutschland (vorbehaltlich abweichender völkerrechtlicher Verträge) weiterhin die Sitztheorie an.

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