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09.09.2025

Steuerboard

BFH urteilt erstmals zur rückwirkenden Anwendbarkeit des § 6e EStG

Mit Urteil vom 15.07.2025 (IX R 13/24) hat der BFH erstmals bestätigt, dass die rückwirkende Anwendung des § 6e EStG nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Dies war fraglich, da § 6e EStG auch für Wirtschaftsjahre gilt, die vor dem 18.12.2019 enden und somit eine Rückwirkung vorliegt (§ 52 Abs. 14a EStG). Der Entscheidung lagen Aufwendungen einer Immobilienprojektentwicklungsgesellschaft zugrunde, die die Finanzverwaltung nicht als Aufwand, sondern als Anschaffungsnebenkosten nach § 6e EStG behandeln wollte. Die Entscheidung könnte jedoch auch für andere Arten von Fonds relevant sein.

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StB/FBIStR Dipl-Fw. (FH) Raphael Baumgartner, M.A. (Taxation),
ist Counsel bei POELLATH in München

StB Dipl-Fw. (FH) Michael Forchhammer, M.A. (Taxation),
ist Associate bei POELLATH in München

I. Aktuelle Gesetzeslage und praktische Auswirkungen

Mit Einführung des § 6e EStG durch das Jahressteuergesetz 2019 (JStG 2019) vom 12.12.2019 wurde die ertragsteuerliche Behandlung von sog. Fondsetablierungskosten erstmals gesetzlich kodifiziert.

Damit sollte die Auffassung der Finanzverwaltung – auch für die Vergangenheit – festgeschrieben und alle offenen Fragen zu diesem Themenbereich beseitigt werden. Mittlerweile ist klar, dass dieses Ziel verfehlt wurde. Grund hierfür sind insbesondere der unglückliche Wortlaut der Norm, die zahlreichen undefinierten Begriffe wie „vorformuliertes Vertragswerk“ oder „Einflussnahme der Anleger“ sowie die unsystematische und von handelsrechtlichen Grundsätzen abweichende Behandlung von Kosten. Folgerichtig wird die Norm im Schrifttum stark kritisiert. Als würde dies noch nicht genug Konfliktpotential beinhalten, wurde die Vorschrift auch noch mit rückwirkender Geltung für alle offenen Fälle eingeführt und ihr somit verfassungsrechtliche Bedenken mit in die Wiege gelegt. All dies stellte die Beratungspraxis vor Herausforderungen im Umgang mit Sachverhalten, die unter den Anwendungsbereich des § 6e EStG fallen können. Dementsprechend mussten sich bereits das FG Münster (Urteil vom 24.01.2024 – 12 K 357/18 F, vgl. Baumgartner, DB Steuerboard vom 18.04.2024 = DB1461108) und das FG Hamburg (Urteil vom 21.02.2024 – 6 K 27/22) insbesondere mit der rückwirkenden Anwendung des § 6e EStG auseinandersetzen. Gegen das letztgenannte Urteil wurde Revision beim BFH eingelegt. Das folgende Urteil des BFH ist Gegenstand dieses Beitrags. Ferner wurde am 15.11.2024 durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Entwurf eines Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Fondsetablierungskosten veröffentlicht, womit das BMF seine Auffassung zur Aktivierung von Aufwendungen vorgelegt (vgl. Shyshkin, DB Steuerboard vom 21.11.2024 = DB1469079).

II. Entscheidung des BFH zur rückwirkenden Anwendung im konkreten Fall

Die Klägerin ist eine Immobilienprojektentwicklungsgesellschaft und erzielte Einkünfte aus der Vermietung einer Immobilie. Zur Absicherung der Mieteinkünfte schloss die Klägerin einen Garantievertrag, wofür sie im Jahre 2014 u.a. eine Pre-Opening-Zahlung an die Garantiegeberin leistete. Diese behandelte sie steuerlich als sofort abziehbare Werbungskosten. Die Finanzverwaltung sowie das FG stuften die Zahlungen jedoch als zu aktivierende Fondsetablierungskosten i. S. d. § 6e EStG ein und sahen in der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift keinen Verfassungsverstoß. Der BFH bestätigte diese Auffassung und urteilte, dass gemäß § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG solche Aufwendungen als Anschaffungskosten zu qualifizieren seien, die für Wirtschaftsgüter aufgewendet würden, die ein Steuerpflichtiger gemeinschaftlich mit weiteren Anlegern gemäß einem von einem Projektanbieter vorformulierten Vertragswerk anschaffe. Hätten die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Vertragswerk, gälten die Wirtschaftsgüter gemäß § 6e Abs. 1 Satz 2 EStG als angeschafft. Im zu entscheidenden Fall sei unstreitig gewesen, dass die Klägerin als Projektanbieterin mit dem Ziel der Herstellung und Vermietung einer Immobilie mit einem vorformulierten Vertragswerk an ihre Anleger aufgetreten sei. Somit stellte die Pre-Opening-Zahlung Fondsetablierungskosten i. S. d. § 6e Abs. 2 EStG dar.

Des Weiteren urteilte der BFH, dass die Norm auch rückwirkend Anwendung finde und dies nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

Grundsätzlich stelle die angeordnete Wirkung von § 6e EStG bereits für Zeiträume vor ihrer Einführung eine sog. echte Rückwirkung dar. Der BFH führt aus, dass dies gegeben sei, da die Rechtsfolge der Norm eine belastende Wirkung entfalte und dies auch für vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm bereits abgeschlossene Tatbestände gelten solle. Eine solche echte Rückwirkung sei verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Jedoch könne das Rückwirkungsverbot durchbrochen werden, wenn kein Vertrauensschutz auf den Bestand des geltenden Rechts habe gebildet werden können. So könne der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eine Rechtslage rückwirkend festschreiben, die einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprochen habe.

So liege es hier, denn es bestand kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, die Pre-Opening-Zahlung unmittelbar steuerlich in Abzug bringen zu können, da nach der im Streitjahr 2014 geltenden, gefestigten und langjährigen Rechtsprechung sowie einheitlichen Rechtspraxis derartige Aufwendungen als steuerlich zu aktivierende Anschaffungskosten anzusehen gewesen seien.

Bis zum BFH-Urteil vom 26.04.2018 (IV R 33/15), das sich auf einen sog. Zweitmarktfonds bezog, dessen Zielfonds Schiffsgesellschaften waren, seien nach der gefestigten und langjährigen Rechtsprechung sowie einheitlichen Rechtspraxis Fondsetablierungskosten bei modellhafter Gestaltung unter Anwendung von § 42 AO als Anschaffungskosten behandelt worden. Diese Rechtsprechung bezog sich vor allem auf Schiffs- und Bauherrenfonds und nach den damaligen Rechtsprechungsgrundsätzen zählten Mietgarantien wie die Pre-Opening-Zahlung zu den Anschaffungskosten. Seit Verkündung dieses Urteils und auch der Einführung von § 15b EStG könne eine Aktivierung der Kosten nach Ansicht des BFH nicht mehr auf § 42 AO gestützt werden. Für den Streitfall habe die BFH-Entscheidung aus 2018 keine Auswirkung, da der BFH seine Rechtsprechung zu einem Zeitpunkt geändert habe, als die Pre-Opening-Zahlung bereits geleistet war. Mit der Einführung von § 15b EStG wollte der Gesetzgeber die Attraktivität geschlossener Fonds in Form von Personengesellschaften, die ihren Anlegern in der Anfangsphase hohe Verluste zuweisen und so zu einer Steuerstundung führen, einschränken. Die Einführung von § 15b EStG ändere nach Ansicht des BFH jedoch nichts an der Aktivierungspflicht der Kosten, denn die Vorschrift untersage lediglich den Ausgleich von Verlusten im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell mit anderweitigen Einkünften. Sie treffe zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Fondsetablierungskosten keine Aussage. Ferner spreche die explizit angeordnete weitere Anwendbarkeit des § 15b EStG in § 6e Abs. 5 EStG laut BFH dafür, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung getrennt von der Aktivierung der Kosten zu betrachten sei.

Im Übrigen habe der Bauherren- und Fonds-Erlass (BMF, Schreiben vom 20.10.2003) keine entscheidungserhebliche Auswirkung, da er als Verwaltungsanweisung nur die Finanzverwaltung binde und sich eine allgemeine Rechtspraxis nur aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben könne.

Da der BFH im Ergebnis davon überzeugt war, dass die Rückwirkung in diesem Fall gerechtfertigt war, hat er davon abgesehen, den Fall dem BVerfG vorzulegen.

III. Fazit und Ausblick

Nach diesem ersten höchstrichterlichen Urteil herrscht nun zumindest insoweit traurige Gewissheit, als das Argument der Rückwirkung in vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen nicht mehr ins Feld geführt werden kann. Die verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der BFH zumindest in den Fällen nicht, in denen bereits vor Einführung des § 6e EStG eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung sowie eine einheitliche Rechtspraxis bestanden hat.

Dieses Urteil sollte jedoch nicht als Freibrief für den Gesetzgeber gesehen werden, das es ihm ermöglicht, nicht genehme höchstrichterliche Rechtsprechung mit Rückwirkung durch ein Nichtanwendungsgesetz jederzeit und in jedem Fall zu überschreiben. Der BFH führt aus, dass dies nur möglich sein soll, wenn eine einhellige und unstreitige Rechtslage vorliege, die in der Praxis einheitlich so gelebt werde. Lägen hingegen unterschiedliche Auffassungen seitens Rechtsprechung und Finanzverwaltung vor, könne sich der Gesetzgeber nicht auf eine gesicherte Rechtslage berufen. Eine echte Rückwirkung sei in diesen Fällen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zulässig.

Sofern Praxisfälle vom entschiedenen Einzelfall abweichen, bestehen weiterhin gute Argumente dafür, dass eine verfassungswidrige echte Rückwirkung vorliegt. Besonders relevant ist dies für Private Equity und Venture Capital Fonds, da diesbezüglich weder eine gefestigte Rechtsprechung noch eine einheitliche praktische Behandlung erkennbar ist. Im Entscheidungsfall handelt es sich um eine Immobiliengesellschaft, im Fall des FG Münster handelt es sich um einen geschlossenen Schiffsfonds. Diese Fälle sind somit nicht ohne weiters auf Private Equity Fonds übertragbar. Sollte die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung auch auf Private Equity Fonds anwenden wollen, sollte sorgsam geprüft und argumentativ entgegengehalten werden, dass dies aufgrund der allenfalls eingeschränkten Vergleichbarkeit unzutreffend ist.

Darüber hinaus gibt es bezüglich der Anwendung von § 6e EStG noch immer und trotz des Entwurfs des BMF-Schreibens viele ungeklärte Fragen für Private Equity und Venture Capital Fonds. Welche Kosten sind zu aktivieren? Wie lange läuft die Investitionsphase? Was ist ein vorformuliertes Vertragswerk? Wann haben Anleger eine Einflussnahmemöglichkeit? Wie sind die Kosten zu verteilen und aufzulösen? Einige dieser Punkte werden durch den Entwurf des BMF-Schreibens angesprochen, lassen den Rechtsanwender aber dennoch fragend zurück, da keine ausreichend klaren Aussagen enthalten sind und die Finanzverwaltung die Begriffe ausufernd auslegt, um möglichst viele Aufwendungen unter den Anwendungsbereich des § 6e EStG zu fassen. Die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich und eine weitere oder finale Fassung eines BMF-Schreibens dürfen daher mit Spannung erwartet werden.

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