• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Steuerbegünstigung bei widerrufenen Schenkungen?

28.08.2025

Steuerboard

Steuerbegünstigung bei widerrufenen Schenkungen?

Mit Urteil vom 19.03.2025 (II R 34/22) hat der BFH eine praxisrelevante Frage zur Anwendung der Betriebsvermögensverschonung bei widerrufsbedingten Rückabwicklungen von Unternehmensschenkungen entschieden. Zwar bezog sich der Streitfall noch auf die Rechtslage vor der Erbschaftsteuerreform 2009, doch lassen sich die Erwägungen auch auf das aktuelle Recht übertragen. Im Kern ging es darum, ob die zunächst gewährte Steuerbegünstigung für mitunternehmerische Beteiligungen auch dann bestehen bleibt, wenn der Erwerber nach einem Widerruf gemäß § 29 Abs. 2 ErbStG nur noch wie ein fiktiver Nießbraucher behandelt wird. Der BFH stellte klar, dass die Steuerbegünstigung durch die Vorschrift nicht entfällt und zwischenzeitlich gezogene Nutzungen des Beschenkten erfasst.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA/StB Dr. Philipp Weiten, LL.M.,
ist Salary Partner bei TaylorWessing in Düsseldorf

RA Jan-Philipp Jansen, LL.M.,
ist Associate bei TaylorWessing in Düsseldorf

I. Hintergrund

Widerrufsvorbehalte in Schenkungsverträgen sind ein bewährtes Instrument der Nachfolgeplanung. Sie eröffnen dem Schenker die Möglichkeit, auf spätere Veränderungen flexibel reagieren und vollzogene Schenkungen notfalls rückabwickeln zu können. Wird eine Schenkung aufgrund eines vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts rückgängig gemacht, entfällt die Schenkungsteuer nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG rückwirkend; ein bereits erlassener Steuerbescheid ist sodann aufzuheben. Die Rückabwicklung der Schenkung selbst führt zwar zu keiner steuerpflichtigen Rückschenkung. Hat der Beschenkte die zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen aber nach Maßgabe des Schenkungsvertrags nicht herauszugeben, wird der Beschenkte so behandelt, als wäre ihm – gleich einem Nießbraucher – für den betreffenden Zeitraum ein Nutzungsrecht zugewendet worden (§ 29 Abs. 2 ErbStG). Insoweit kann es bei einer Schenkungsteuerbelastung verbleiben.

II. Sachverhalt

Im Streitfall übertrug ein Vater im Jahr 2004 seiner Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkweise Unterbeteiligungen an seinen KG-Beteiligungen. Die Tochter erhielt Gewinn- und Verlustbeteiligungen sowie Entnahme- und Kontrollrechte, wie sie einem Kommanditisten zustehen. In den Schenkungsverträgen behielt sich der Vater ein Widerrufsrecht vor, insbesondere für die Fälle, dass ihm weitere eheliche Abkömmlinge geboren werden oder gesetzliche Änderungen des ErbStG bzw. BewG zu einer günstigeren steuerlichen Behandlung von Vermögensübertragungen führen.

Nach Eintritt beider Widerrufsgründe erklärte der Vater im Jahr 2009 den teilweisen Widerruf und ließ sich die Unterbeteiligungen im Jahr 2011 mit Wirkung auf den vereinbarten Stichtag im selben Jahr rückübertragen. Der Tochter verblieben aber die bis dahin aus den Unterbeteiligungen gezogenen Gewinnanteile, Zinsen und sonstigen Nutzungen. Daraufhin änderte das Finanzamt den Schenkungsteuerbescheid und erfasste die aufgrund des fiktiven Nießbrauchs nach § 29 Abs. 2 ErbStG bei der Tochter verbleibende Bereicherung. Die für die Unterbeteiligungen ursprünglich gewährte Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG a.F. versagte es aber mit der Begründung, die Vorschrift des § 29 Abs. 2 ErbStG enthalte einen eigenständigen Erwerbstatbestand. Durch den Widerruf sei die Mitunternehmerstellung rückwirkend entfallen; ein fiktiver Nießbrauch könne eine solche Stellung nicht begründen.

III. Entscheidung

Der BFH folgte der Auffassung des Finanzamts nicht und entschied in Einklang mit dem erstinstanzlich befassten FG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.05.2022 – 7 K 1550/20, EFG 2023 S. 403), dass die Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG a.F. auch bei der Besteuerung von Nutzungen nach § 29 Abs. 2 ErbStG anzuwenden sei. Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Tochter durch den Erwerb der Unterbeteiligungen die Stellung einer Mitunternehmerin erlangt habe, da die Unterbeteiligung Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative in ausreichendem Umfang vermittelt habe.

Sodann behandelte der BFH die Frage, wie die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 29 Abs. 2 ErbStG systematisch einzuordnen ist. Nach der herrschenden Meinung in der Literatur enthalte § 29 Abs. 2 ErbStG keinen neuen Erwerbstatbestand in Gestalt eines fiktiven Nießbrauchs, sondern lediglich eine Klarstellung, dass eine Erstattung der Steuer insoweit nicht in Betracht komme, als dem Erwerber die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden hätten und er somit bereichert geblieben sei. Die Vorschrift ordne lediglich eine Beschränkung der ursprünglich steuerpflichtigen Schenkung auf den verbleibenden Nutzungsvorteil an. Der ursprüngliche Erwerb bestehe in den Fällen des § 29 Abs. 2 ErbStG in gemindertem Umfang weiter.

Dieser Auffassung schloss sich der BFH an. Der Gesetzgeber habe keine „Gesamtaufrollung“ des Steuerfalls beabsichtigt, sondern nur eine Kürzung der bereits festgesetzten Steuer. Es sollte daher kein neuer Belastungsgrund geschaffen werden. Im Gesamtkontext des § 29 ErbStG sei es das Ansinnen des Gesetzgebers gewesen, den Bedachten bei einem Widerruf in Höhe der eingetretenen Entreicherung freizustellen. § 29 Abs. 2 ErbStG stelle nur sicher, dass die Steuer auf die Höhe des beim Erwerber noch vorhandenen Nutzungsvorteils korrigiert werde. Besonders stellte das Gericht die zeitliche Wirkung des § 29 Abs. 2 ErbStG heraus. Der Widerruf der Schenkung bewirke nämlich keinen rückwirkenden Entfall der Mitunternehmerstellung der Tochter. Aufgrund der lediglich rückwirkenden Korrektur der festgesetzten Steuer, habe das FG daher zu Recht gefolgert, dass es bei § 29 Abs. 2 ErbStG aber im Grunde bei der Besteuerung des ursprünglichen und in dem Fall begünstigten Zuwendungsgegenstandes bleibe, der lediglich ein niedrigerer Wert beigemessen werde.

IV. Stellungnahme

Der BFH bestätigt mit seiner Entscheidung die in der Literatur vertretene Sichtweise, dass § 29 Abs. 2 ErbStG keinen neuen Erwerbstatbestand begründet, sondern eine Korrekturvorschrift darstellt. Die Entscheidung stellt sich damit zugleich gegen die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei einer Rückgängigmachung einer Schenkung steuerbegünstigten Vermögens die Steuerbegünstigung nicht anwendbar ist, soweit die bis zur Rückgängigmachung aus diesem Vermögen gezogenen Nutzungen beim Beschenkten verbleiben (vgl. R E 29 Satz 3 f. ErbStR 2019). Die Finanzverwaltung ist daher aufgefordert, ihre Erbschaftsteuerrichtlinien zeitnah an die BFH-Rechtsprechung anzupassen.

Für die Praxis schafft das Urteil Rechtssicherheit bei der Gestaltung von Widerrufsklauseln in Schenkungsverträgen. Mit Blick auf Personengesellschaften gilt es bei der Gestaltung von Unternehmensschenkungen mit Widerrufsvorbehalt, die Voraussetzungen der Mitunternehmerschaft (Initiative und Risiko) auf Seiten des Erwerbers sauber zu erfüllen und zu dokumentieren. Das sichert die Anwendung der Steuerbegünstigung auch im Falle späterer Rückabwicklungen ab. Dadurch können die zwischenzeitlich angefallenen Erträge nach dem aktuellen Erbschaftsteuerrecht steuerfrei beim Begünstigten verbleiben.

Eine auch nach dem Urteil noch ungeklärte Anschlussfrage ergibt sich bei der widerrufsbedingten Rückabwicklung von ursprünglich schenkungsteuerlich begünstigten Übertragungen von Kapitalgesellschaftsanteilen. Diese sind nach aktuellem Erbschaftsteuerrecht ebenso wie Mitunternehmerschaften begünstigungsfähig, wenn der Schenker an der Kapitalgesellschaft zu mindestens 25% unmittelbar beteiligt war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Zwar betonte der BFH in der vorliegenden Entscheidung einerseits, dass durch § 29 Abs. 2 ErbStG die beim ursprünglichen Erwerb begünstigte Stellung des Erwerbers nicht rückwirkend entfalle. Das spricht dafür, dass die dem Erwerber verbleibenden Nutzungen bei der Rückabwicklung von begünstigten Kapitalgesellschaftsanteilen nach § 29 Abs. 2 ErbStG ebenso begünstigt sind. Ist das ursprünglich zugewendete Vermögen also steuerbegünstigt, was im Rahmen der jeweiligen Schenkung zu prüfen ist, bleiben es auch die Nutzungen als Nießbrauch hieran (so auch Kugelmüller-Pugh, DStR 2025 S. 1747 [1752]).

Andererseits argumentierte der BFH, dass die Anwendung der Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen im Urteilsfall auch im Rahmen des § 29 Abs. 2 ErbStG („fiktiver Nießbrauch“) gerade deshalb folgerichtig sei, weil auch die Zuwendung eines Nießbrauchs an einer mitunternehmerischen Personengesellschaft erbschaftsteuerlich begünstigungsfähig sein könne. Das gilt bei Kapitalgesellschaftsanteilen aber gerade nicht. Anders als bei Mitunternehmerschaften fordert das Gesetz (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) eine „unmittelbare“ Beteiligung am Nennkapital. Der Zuwendungsnießbrauch an einem Kapitalgesellschaftsanteil ist daher nicht nach §§ 13a ff. ErbStG begünstigt, weil der Nießbrauch unabhängig von seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung nicht dem Anteil gleichzusetzen ist. Insoweit besteht auch nach der Entscheidung des BFH weiterhin Rechtsunsicherheit darüber, ob der Verbleib der Erträge von Kapitalgesellschaftsanteilen beim Begünstigten im Falle einer widerrufsbedingten Rückabwicklung nach § 29 Abs. 2 ErbStG schenkungsteuerlich begünstigt wären. Eine Äußerung seitens der Finanzverwaltung wäre daher auch insoweit zu begrüßen.

Weitere Autoreninformationen:


, , , ,

Weitere Meldungen


Meldung

©Olivier Le Moal / istockfoto.com


28.08.2025

Google Flights: Angaben zur Emissionseinsparung irreführend

Googles Prozentangaben zu Emissions-Einsparpotenzialen bei Flügen sind Schätzgrößen und ohne weitere Hinweise darauf irreführend, so das LG Berlin.

weiterlesen
Google Flights: Angaben zur Emissionseinsparung irreführend

Meldung

©Gehkah/fotolia.com


28.08.2025

BFH: Rückversicherer müssen Zinsen dem Gewinn zurechnen

Rückversicherungsunternehmen unterliegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten, entschied der BFH.

weiterlesen
BFH: Rückversicherer müssen Zinsen dem Gewinn zurechnen

Meldung

©jirsak/123rf.com


27.08.2025

Apple Watch darf nicht als „CO2-neutrales Produkt“ beworben werden

Apple darf nicht mehr mit langfristiger CO₂-Kompensation für seine Smartwatch werben. Die Werbung sei irreführend und verstoße gegen das Wettbewerbsrecht.

weiterlesen
Apple Watch darf nicht als „CO2-neutrales Produkt“ beworben werden

Haben wir Ihr Interesse für DER BETRIEB geweckt?

Sichern Sie sich das DER BETRIEB Gratis Paket: 4 Hefte + Datenbank