I. Erbschaftsteuerliche Gesichtspunkte
Jeder Erbenstreit führt früher oder später zu einer zivilrechtlichen Aufteilung des Nachlasses. Dabei steht der Weg zu den Zivilgerichten zur Bestimmung der zutreffenden Erbrechte offen. Dies erweist sich in der Praxis jedoch häufig als wenig praktikabel, sodass die Beteiligten eine (außergerichtliche) Einigung suchen, bei der regelmäßig Abfindungszahlungen für den Verzicht auf eine (vermeintliche) Erbenstellung geleistet werden.
In Bezug auf die Erbschaftsteuer lässt sich insoweit festhalten, dass im Grundsatz jegliche unentgeltlichen Erwerbe aus einem Erbfall der Erbschaftsteuer unterliegen. Nach der seit dem 23.06.2017 geltenden Gesetzeslage (BGBI. I 2017 S. 1682) sind auch Abfindungszahlungen für den Verzicht auf Ansprüche aus einem bestehenden oder vermeintlichen Erbrecht ausdrücklich uneingeschränkt erbschaftsteuerbar gestellt (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber die vor 2011 vorherrschende Rechtsprechung wiederhergestellt, der zufolge auch Abfindungen im Rahmen von Prozessvergleichen als steuerpflichtiger Erwerb gelten, nachdem zwischenzeitlich eine gegenteilige Entscheidung durch den BFH erfolgt war (vom 04.05.2011 − II R 34/09). Der BFH hat in seinem Beschluss vom 01.12.2021 (II B 34/21) klargestellt, dass die geänderte Vorschrift unabhängig vom Zeitpunkt des Erbfalls Anwendung findet und damit eine einheitliche erbschaftsteuerliche Behandlung für alle nach dem 24.06.2017 erklärten Verzichte sicherstellt.
Abgesehen davon sind auch die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Erbschaftsteuerbegünstigungen in Bezug auf jede Nachlassteilung relevant. Insoweit stellt sich stets die Frage, wer welche Steuerbefreiung inwieweit geltend machen kann. Hier ist der sog. Begünstigungstransfer maßgebend, wenn ein Miterbe eine Steuerbegünstigung über seinen Erbteil hinaus geltend machen will, da das jeweilige Wirtschaftsgut überproportional auf diesen Erben übertragen worden ist. Soweit eine entsprechende Nachlassteilung nicht bereits durch die letztwilligen Verfügungen des Erblassers vorgegeben ist, indem z.B. das Familienheim erbschaftsteuerfrei dem Ehegatten vermacht wurde, ist entscheidend, ob die spätere Nachlassteilung im Rahmen der Erbauseinandersetzung (erbschaft-)steuerlich anerkannt wird. Mit BMF-Schreiben vom 14.03.2006, bestätigt in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 (u.a. H E 13.4), hat die Finanzverwaltung die rückwirkende Anerkennung der Nachlassteilung im Regelfall nur dann vorgesehen, wenn die Erbauseinandersetzungsvereinbarung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall abgeschlossen wird. Der BFH hat sich hiermit kürzlich beschäftigt und in seinem Urteil vom 15.05.2024 (II R 12/21) diese Einschränkung relativiert, indem nicht der Zeitpunkt der Nachlassteilung, sondern der Zeitpunkt des vorangegangenen Entschlusses zur Teilung maßgebend sein soll. Auch nach dieser Entscheidung stellt sich jedoch in jedem Einzelfall die Frage, ob ein Begünstigungstransfer möglich ist oder aufgrund einer längeren Zeitspanne zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung eine Steuerbegünstigung nicht oder nur anteilig angewendet werden kann.
II. Ertragsteuerliche Gesichtspunkte
1. Allgemeines
Auch für die Ertragsteuerfolgen ist die zivilrechtliche Rechtsnachfolge der Ausgangspunkt. Darauf aufbauend stellt sich die Frage des zutreffenden Ertragsteuersubjekts nach dem Erbfall. Bei einem Alleinerben ist diese Frage augenscheinlich einfach, da der Alleinerbe vollumfänglich in die einkommensteuerliche Rechtsposition des Erblassers eintritt („Fußstapfentheorie“). Sobald jedoch eine Erbengemeinschaft besteht, wird es komplexer, selbst ohne Streitigkeiten zwischen den Erben.
Soweit und solange eine Erbengemeinschaft besteht, erfolgt aufgrund der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO). Dabei ist eine sog. gewerbliche Infektion der Erbengemeinschaft (Abfärberegelung i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) ausgeschlossen. Die Erbengemeinschaft kann daher unabhängig voneinander sowohl Gewinneinkünfte als auch Überschusseinkünfte erzielen, welche nach der gemeinschaftlichen Ermittlung dem jeweiligen Erben nach Anteilen zugerechnet werden. Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass sämtliche Miterben die Voraussetzungen für die jeweilige Einkunftsart, z.B. die freiberufliche Qualifikation, erfüllen müssen. Ansonsten droht bspw. eine Umqualifizierung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu gewerblichen Einkünften.
Um den Wechsel des Ertragsteuersubjekts vom Erblasser zu den Miterben zu erleichtern und eine gewisse Dispositionsmöglichkeit zu eröffnen, lässt die Finanzverwaltung auch im Kontext der Einkommensteuer eine rückwirkende Nachlassteilung zu (s.o., BMF-Schreiben vom 14.03.2006). Ob die kürzlich ergangene BFH-Entscheidung zum Begünstigungstransfer bei der Erbschaftsteuer auch für die ertragsteuerliche Rückwirkung der Nachlassteilung maßgebend ist und damit eine weitergehende Rückwirkung ermöglicht, ist gegenwärtig allerdings noch unklar.
2. Abfindungen
Kommt es – u.U. nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den (vermeintlichen) Miterben – zur Nachlassteilung, spielen Abfindungszahlungen eine entscheidende Rolle, da diese zur ertragsteuerlichen Realisation von stillen Reserven führen können. Dabei ist in erster Linie zwischen zwei Alternativen zu unterscheiden, der Abfindung zwischen Miterben, soweit keine quotengerechte Nachlassteilung erfolgen kann bzw. soll, und der Abfindung eines sog. Erbprätendenten für dessen Verzicht auf das (vermeintliche) Erbrecht.
Im ersten Fall liegt ein entgeltliches Rechtsgeschäft im Regelfall nur insoweit vor, wie der jeweilige Miterbe ein „Mehr“ gegenüber seiner Erbquote erhält und die anderen Miterben abfindet. Die Abfindungszahlung wird beim leistenden Miterben als Anschaffungskosten und bei den empfangenden Miterben als Veräußerungserlös qualifiziert. Die ertragsteuerlichen Rechtsfolgen sind im Übrigen vom übertragenden Wirtschaftsgut abhängig. Nur im Ausnahmefall, insbesondere aufgrund einer freiwilligen oder einer zwingenden Betriebsaufgabe, werden über die Abfindungsquote hinaus stille Reserven aufgedeckt.
Im zweiten Fall, bei der Abfindung eines Erbprätendenten, soll dagegen nach der Rechtsprechung stets insgesamt ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegen. Dabei sind die ertragsteuerlichen Grundsätze zur Erbauseinandersetzung ebenfalls anzuwenden, obwohl es an einer zivilrechtlichen Erbenstellung im Endeffekt fehlt (BFH vom 14.03.1996 – IV R 9/95), sodass der Vorgang als Veräußerung des potenziellen Anteils am Nachlass angesehen wird. Die Ertragsteuerfolgen im Einzelfall hängen davon ab, wie sich der Nachlass zusammensetzt und inwieweit die Nachlassgegenstände steuerverstrickt sind.
3. Sonderfall – gesellschaftsrechtliche Sonderrechtsnachfolge
Einen Sonderfall stellt die gesellschaftsrechtliche Sonderrechtsnachfolge dar, da diese eine Rechtsnachfolge unabhängig von der sonstigen Erbfolge ermöglicht. Nach Ansicht des BFH steht ein abgefundener Erbprätendent einem Miterben, der im Rahmen einer Erbauseinandersetzung aus der Personengesellschaft entgeltlich ausscheidet, nur dann gleich, wenn der Erbprätendent gesellschaftsrechtlich nicht von der Rechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil ausgeschlossen war (BFH vom 16.05.2013 – IV R 15/10). Der Entscheidung des BFH lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Erblasser an einer gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft beteiligt war und nach dessen Tod mehrere potenzielle Erben aufgrund unklarer letztwilliger Verfügungen um die Unternehmensnachfolge stritten. Im Rahmen eines Vergleichs einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass einer der Erbprätendenten gegen Zahlung einer Abfindung auf die weitere Geltendmachung seines Erbrechts verzichtete. Unter der Voraussetzung, dass der Gesellschaftsvertrag den Erbprätendenten nicht von der gesellschaftsrechtlichen Sonderrechtsnachfolge ausschließt, sah der BFH die erhaltene Abfindung als Gegenleistung für den Verzicht auf die potenzielle Mitunternehmerstellung des Erbprätendenten an. Da die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln für Unternehmensvermögen bei einem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG keine Anwendung finden, führt diese Rechtsprechung im Ergebnis zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer.
III. Fazit
Es wird deutlich, dass ein Erbfall nicht nur erbschaftsteuerliche Konsequenzen hat, sondern stets auch aus ertragsteuerlicher Perspektive genau zu beleuchten ist. Hierbei führt jeglicher Streit zwischen (vermeintlichen) Miterben zu einer erhöhten Komplexität und teilweise auch zu nachteiligen Steuerfolgen, die wiederum alle Beteiligten treffen können. Vor diesem Hintergrund ist eine frühzeitige Nachfolgeplanung, insbesondere bei komplizierten Familiensituationen, in jedem Fall der vorzugswürdigere Weg. Eine qualifizierte rechtliche und steuerliche Beratung leistet hierbei einen wesentlichen Beitrag zur Vorbeugung rechtlicher Auseinandersetzungen sowie zur Vermeidung nachteiliger steuerlicher Mehrfachbelastungen.