I. Aktuelle Gesetzeslage und praktische Auswirkungen
Gegenwärtig finden die Vorschriften zur erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AStG Anwendung, soweit ein unbeschränkt Steuerpflichtiger unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent an einer ausländischen Körperschaft beteiligt ist und diese Gesellschaft Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt, die einer effektiven Besteuerung von weniger als 15% unterliegen. Als Rechtsfolge fingiert die Vorschrift eine Ausschüttung an den deutschen Steuerpflichtigen in Abhängigkeit seiner Beteiligungsquote, die der vollen Einkommen-, Körperschaft- und/oder Gewerbesteuer unterliegt. Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind Einkünfte, die aus dem Halten, der Verwaltung, der Werterhaltung oder der Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (ausgenommen Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AStG) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen, soweit diese Einkünfte nicht aktiven Einkünften nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG zugeordnet werden können.
§ 13 Abs. 1 Satz 4 AStG erweitert den Anwendungsbereich nochmals. Danach können selbst Beteiligungen von weniger als einem Prozent die Anwendung der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung auslösen, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ausschließlich oder nahezu ausschließlich aus Einkünften mit Kapitalanlagecharakter bestehen und mit der Hauptgattung der Aktien der ausländischen Gesellschaft kein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet.
Gerade die Anwendung des Satzes 4 bereitet in der Praxis enorme Probleme. Prinzipiell müsste jeder Aktionär eines börsennotierten (Groß-)Konzerns nachweisen, dass dieser keine Beteiligungen an Gesellschaften hält, die die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 4 AStG erfüllen bzw. falls dies zutreffen sollte, die Hinzurechnungsbesteuerung auf Ebene des Konzerns entsprechend angewendet wurde. Darüber hinaus erfassen die Vorschriften auch mittelbare Beteiligungen, die über Private-Equity-Fonds gehalten werden, obwohl die Beteiligungsquoten üblicherweise äußerst gering sind und die Anleger derartiger Fonds regelmäßig keine Beherrschung über diese Gesellschaften ausüben können.
II. Zweiter Diskussionsentwurf vom 02.12.2024
Nachdem die Finanzverwaltung augenscheinlich große Probleme mit der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung in der Form des ATADUmsG hatte (sowohl das begleitende BMF-Schreiben als auch die offiziellen Vordrucke ließen sehr lange auf sich warten), stellte das BMF mit dem zweiten Diskussionsentwurf eines Mindeststeueranpassungsgesetzes die ersatzlose und rückwirkende Abschaffung des § 13 AStG vor. Zur Begründung führte das BMF aus: Es gebe keine Notwendigkeiten, an diesem einzigartigen Konstrukt festzuhalten, die ATAD sehe solche Vorschriften nicht vor, die Regelung sei in der Theorie äußerst komplex und aus praktischer Sicht für Steuerpflichtige wie auch die Finanzverwaltung in der Administration aufwendig – wenn nicht gar unmöglich. Der Vorschlag erfuhr erwartungsgemäß großen Zuspruch aus der Praxis, jedoch war unklar, ob er tatsächlich umgesetzt werden würde.
III. Referentenentwurf vom 05.08.2025
Der Referentenentwurf hält nicht länger an der Idee einer ersatzlosen Abschaffung des § 13 AStG fest. Stattdessen soll die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung nur noch greifen, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger allein oder gemeinsam mit nahestehenden Personen zu mindestens 10% an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Damit geht sowohl eine Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 1 AStG als auch die ersatzlose Abschaffung des § 13 Abs. 1 Satz 4 AStG einher. Diese Änderungen sollen, wie bereits im Diskussionsentwurf angedacht, rückwirkend gelten. Das würde bedeuten, dass die derzeit geltende Fassung des § 13 AStG nie anwendbar gewesen wäre.
Durch die Einführung der 10%-Grenze will der Gesetzgeber einerseits die Administration der Vorschrift deutlich vereinfachen, andererseits aber am ursprünglichen Gesetzeszweck insoweit festhalten, als Gestaltungen durch Unterlaufen der Beherrschungskriterien auch zukünftig bekämpft werden können. Wieso gerade die 10%-Grenze und nicht z.B. eine 25%-Grenze gewählt wurde, erläutert der Referentenentwurf nicht.
IV. Fazit und Ausblick
Im Bereich von Private-Equity-Fonds, in dem die Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG für großen Aufruhr gesorgt haben, sollten viele Fälle aus der Anwendung der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung ausscheiden. So wäre regelmäßig keine detaillierte Prüfung der Aktivitäten der Portfoliogesellschaften mehr erforderlich, da die Voraussetzungen nach § 13 AStG allein anhand der Beteiligungsquoten der Investoren geprüft werden können. Dies sollte in der Tat zu einer deutlichen Erleichterung für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung führen.
Jedoch kann es in diesem Bereich weiterhin Fälle geben, in denen von einem „Unterlaufen der Beherrschungskriterien durch Gestaltungen“ die Rede sein kann. Denn selbst wenn ein Gesellschafter mit 10% an einem Fonds beteiligt ist, kann er regelmäßig keinen Einfluss auf die Investments des Fonds nehmen. In diesen Fällen erscheint die Anwendung der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung weiterhin als überschießend und die bisher bestehenden praktischen Probleme – insbesondere der Mangel an Informationen – bleiben bestehen.
Da die geplanten Änderungen rückwirkend gelten sollen, gegenwärtig aber keine generelle Fristverlängerung für Zweifelsfälle durch die Finanzbehörden gewährt wurde, ist in der Tax Compliance Vorsicht geboten. Wer sich gegenwärtig unsicher ist, ob die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar ist, sollte eine vorsorgliche Fristverlängerung in Betracht ziehen, selbst wenn die geplanten Änderungen dazu führen, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nicht anwendbar ist. Aus praktischer Sicht stellt dies eine extrem unglückliche Gemengelage dar, weshalb eine generelle Fristverlängerung angezeigt wäre. Sofern bereits Erklärungen nach § 18 AStG abgegeben wurden, die auf § 13 AStG fußen und die Finanzverwaltung diese bearbeitet haben sollte, ist anzuraten, Einspruch gegen etwaige Bescheide einzulegen, um die Verfahren offenzuhalten.
Der Referentenentwurf ist somit zwar eine Rolle rückwärts, spiegelt aber noch immer die Realität wider, indem erkannt wird, dass die aktuelle Gesetzeslage für keine Partei administrierbar ist. Wenn die europarechtlich zulässige und wirtschaftlich sinnvolle Abschaffung des § 13 AStG politisch schon nicht durchsetzbar ist, sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren wenigstens die Mindestbeteiligungsquote weiter erhöht werden.