I. Hintergrund
Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Vergabe von Darlehen ist in der Praxis oft umstritten. Kapitalgesellschaften können Darlehensverluste im Grundsatz nicht abziehen, sofern sie an der Darlehensnehmerkörperschaft zu mehr als 25% beteiligt sind oder waren (§ 8b Abs. 3 Satz 4 KStG). Für natürliche Personen ist ein Darlehensverlust im Betriebsvermögen nur zu 60% abziehbar, soweit die natürliche Person die Beteiligung an der darlehensnehmenden Körperschaft im Betriebsvermögen hält und an dieser zu mehr als 25% beteiligt ist (§ 3c Abs. 2 S. 2 EStG).
Beide Vorschriften zielen im Grunde auf ein direktes Beteiligungsverhältnis ab. Umstritten ist seit jeher insbesondere die Anwendung der Abzugsbeschränkungen in Fällen, in denen das Darlehen nicht direkt, sondern durch eine Personengesellschaft vergeben wurde. Denn aufgrund der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft sowie der nicht ganz eindeutig formulierten gesetzlichen Vorgaben war der Anwendungsbereich unklar, weshalb sich bis heute zahlreiche Fragen stellen. Die beiden Urteile enthalten auf einen Großteil dieser Fragen erfreulich klare und inhaltlich überzeugende Antworten.
II. BFH-Urteil vom 27.11.2024
Die Klägerin, eine GmbH, war zu 2,02% an einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG als Kommanditistin beteiligt. Die KG war wiederum an zwei weiteren GmbHs zu 100% beteiligt, an die sie jeweils Darlehen vergeben hatte. Aufgrund der Insolvenz der beiden GmbHs wurden die Darlehensforderungen abgeschrieben, wodurch ein Verlust entstand, der der Klägerin gemäß ihrer Beteiligungsquote zugerechnet wurde.
Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass die Verluste aus der Abschreibung der Darlehen gemäß § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG steuerlich nicht abgezogen werden könnten, da die KG als Darlehensgeberin zu mehr als 25% am Stammkapital der Tochter-GmbHs beteiligt war. Als Begründung führte das Finanzamt an, dass der Begriff „Gesellschafter“ iSd § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG zivilrechtlich zu bestimmen sei und somit die Beteiligungsquote der KG als Gesellschafterin maßgeblich sei und nicht bis zu den einzelnen Gesellschaftern der KG „durchgerechnet“ werden könne.
Nachdem bereits das FG Münster der Auffassung der Finanzverwaltung widersprochen hatte, wies der BFH die Revision des Finanzamts zurück. Ausgehend von der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, die Ausfluss der steuerlichen Transparenz der vorliegend vermögensverwaltenden KG ist, kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung der Klägerin an den Tochter-GmbHs als steuerlich „unmittelbar“ anzusehen ist. Die zivilrechtlich abweichende Rechtslage, die von der Finanzverwaltung als Argument angeführt wurde und den Ursprung im Wortlaut der Norm hat, lehnte der BFH ab. Da die Klägerin damit nur zu ca. 2% an den Darlehensnehmern beteiligt war, waren die Verluste aus den Abschreibungen der Darlehen nicht nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG zu korrigieren.
III. Entscheidung des FG Münster vom 28.01.2025
An der Klägerin, einer SE & Co. KG, war eine weitere KG als Kommanditistin beteiligt, an welcher wiederum vier natürliche Personen als Kommanditisten zu jeweils 25% beteiligt waren. Die Klägerin war gewerblich tätig und hielt in ihrem Betriebsvermögen 100%-Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, denen sie Gesellschafterdarlehen gewährt hatte, die abgeschrieben wurden.
Das Finanzamt unterwarf die Teilwertabschreibungen dem anteiligen Abzugsverbot nach § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG, da die Klägerin jeweils zu mehr als 25% an den Darlehensnehmerinnen beteiligt war.
Das FG Münster folgte dieser Auffassung nicht. Der Wortlaut der Norm stellt darauf ab, dass „das Darlehen von einem Steuerpflichtigen gewährt wird, der zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital der Körperschaft, der das Darlehen gewährt wurde, beteiligt ist oder war“. Nach überzeugender Auffassung des Gerichts sei Steuerpflichtiger in diesem Sinne nicht die Klägerin als Darlehensgeberin, sondern die natürlichen Personen, die an der Klägerin mittelbar beteiligt waren. Aufgrund der steuerlichen Transparenz der gewerblich tätigen SE & Co. KG sei sie nicht „Steuerpflichtiger“ in diesem Sinne. Nicht entschieden hat das Gericht, ob das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG Anwendung fände, wenn eine natürliche Person mittelbar zu mehr als 25% an der Darlehensnehmerin beteiligt wäre, da dies vorliegend nicht der Fall war.
IV. Fazit und Ausblick
Beide Urteile sind zu begrüßen, da sie den Anwendungsbereich der Verlustabzugsbeschränkungen im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm einschränken und somit zu einer sachgerechten Besteuerung führen. Trotz dessen bleiben jedoch auch Restzweifel bestehen. So wurde das besprochene BFH-Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht, weshalb die Finanzverwaltung es noch nicht über den Einzelfall hinaus beachten wird. Das Urteil des FG Münster wurde zwar rechtskräftig, da die zwischenzeitlich eingelegte Revision zurückgezogen wurde, jedoch bleibt dadurch eine höchstrichterliche Entscheidung aus.
Unklar ist zudem die Frage, ob eine Verlustabzugsbeschränkung nach § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG ausscheidet, wenn die zwischengeschaltete Personengesellschaft nicht vermögensverwaltend, sondern gewerblich – unter Umständen auch nur gewerblich geprägt – ist. Vor dem Hintergrund des Wortlauts der Norm sowie der Entscheidungsgründe des BFH im dargestellten Urteil ist zumindest zu befürchten, dass die Verlustabzugsbeschränkung Anwendung findet. Der BFH führt in seinem Urteil insbesondere aus, dass der Begriff des „Gesellschafters“ zunächst zivilrechtlich zu verstehen ist, dieser Grundsatz aber von der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO durchbrochen wird. Da die Bruchteilsbetrachtung nur bei vermögensverwaltenden Gesellschaften gilt, ist zu befürchten, dass der BFH bei gewerblichen Personengesellschaften anders urteilen könnte. Auch vor dem Hintergrund des § 8b Abs. 6 KStG, der die Anwendung des § 8b KStG vorsieht, sofern die Beteiligung über eine Mitunternehmerschaft gehalten wird, ist ein solches Ergebnis zu denkbar.
Auch das Urteil des FG Münster und die klare Trennung zwischen der Formulierung „Steuerpflichtiger“ im Sinne des § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG und „Gesellschafter“ für Zwecke des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG deuten eher darauf hin, dass der BFH ein Abzugsverbot bejahen würde, wenn die Beteiligung über eine gewerbliche Personengesellschaft gehalten wird.
Um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, hilft aber der Sinn und Zweck der Norm. Denn mit der Einführung der § 8b Abs. 3 Satz 4 bis 7 KStG sollten Gestaltungen unterbunden werden, bei denen ein Gesellschafter seine Gesellschaft gezielt mit Darlehen und nicht mit Eigenkapital finanziert, um das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG zu umgehen und etwaige Substanzverluste steuerwirksam geltend machen zu können. Einem solchen Vorgehen stehen § 8b Abs. 3 Satz 4 bis 7 KStG entgegen. Hiernach ist bei einer Beteiligung von mehr als 25% von einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auszugehen.
Die Abweichung vom Grundsatz der zivilrechtlichen Betrachtung begründete der BFH im Streitfall auch mit der mittelbaren Beteiligung der Klägerin an der Darlehensnehmerin, die weniger als 25% betragen hatte, weshalb keine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gegeben war.
Schließlich bezog sich der BFH im Streitfall noch auf eine Abwandlung des Sachverhalts und führte an, dass das Abzugsverbot nicht greifen würde, wenn das Darlehen nicht von der KG, sondern der Klägerin direkt vergeben worden wäre. In diesem Fall wäre ausschließlich die mittelbare Beteiligungsquote der Klägerin relevant, weshalb das Abzugsverbot nicht gegriffen hätte. Entsprechendes gilt gleichermaßen bei einer Beteiligung über eine gewerbliche Personengesellschaft. Man darf somit mit Spannung erwarten, ob und wie der BFH einen solchen Fall entscheiden wird.