Auch eine jahrelange Verzögerung durch ein Erbscheinverfahren schützt nicht vor Nachzahlungszinsen, stellt der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 09.04.2025 (X R 12/21) klar. Im Streitfall hatte ein Erbe wegen langwieriger Streitigkeiten um die Testierfähigkeit des Erblassers erst 2018, sechs Jahre nach dem Todesfall, einen Erbschein erhalten. Erst danach konnte das Finanzamt seine Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017 erstellen. Diese enthielten erhebliche Nachzahlungszinsen, da dem Erben Einkünfte aus dem Nachlass zugerechnet wurden.
Keine Unbilligkeit wegen fehlender Einflussmöglichkeiten
Der Erbe beantragte den Erlass der Zinsen in Höhe von 33.752 €, da er während des Erbscheinverfahrens keine Verfügungsmacht über den Nachlass hatte. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Auch das Finanzgericht wies die Klage ab und nun auch der BFH. Er betont im Urteil, dass Zinsen nach § 233a AO grundsätzlich auch dann erhoben werden dürfen, wenn ein Grundlagenbescheid (wie hier zur Erbauseinandersetzung) erst Jahre später ergeht. Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Steuer früher hätte zahlen können oder ob er tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Verzögerung hatte. Entscheidend sei allein der gesetzlich typisierte Liquiditätsvorteil.
Auch die fehlende Möglichkeit zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor Erlangung des Erbscheins begründet keine „sachliche Unbilligkeit“, die einen Erlass rechtfertigen könnte. Der Gesetzgeber habe für solche Fälle, anders als bei rückwirkenden Ereignissen, bewusst keine Sonderregelung geschaffen.
Keine Billigkeitskorrektur trotz Härte
Zwar erkannte der BFH an, dass der Kläger die Steuerschuld tatsächlich erst nach Erlangung des Erbscheins ausgleichen konnte. Dennoch sei die Anwendung der Zinspflicht rechtens. Eine Billigkeitskorrektur würde das gesetzliche Konzept des § 233a AO unterlaufen.
Fazit
Der Bundesfinanzhof stellte klar: Selbst bei jahrelangen Erbschaftsstreitigkeiten besteht kein Anspruch auf Erlass von Nachzahlungszinsen. Entscheidend ist nicht, ob ein wirtschaftlicher Vorteil tatsächlich bestand; es zählt der gesetzlich vermutete Zinsvorteil durch spätere Steuerzahlung. Ein wichtiger Hinweis für alle Erben in komplexen Nachlassverfahren.