Ein Leiharbeiter war zwischen 2015 und 2018 bei einem Personaldienstleister (Verleiher) befristet angestellt. Während dieser Zeit wurde er durchgehend, jedoch auf jeweils befristeter Basis, in einem Werk eines Entleihers eingesetzt. In seinen Steuererklärungen machte er die Fahrten dorthin als Reisekosten geltend – mit 0,30 € je tatsächlich gefahrenem Kilometer. Das Finanzamt erkannte jedoch nur die Entfernungspauschale (0,30 € je Entfernungskilometer) an, weil es von einer dauerhaften Zuordnung zur Tätigkeitsstätte ausging.
Keine dauerhafte Zuordnung bei befristetem Einsatz
Das Finanzgericht Niedersachsen gab dem Kläger mit Urteil vom 18.06.2024 (12 K 38/24) recht. Auch wenn der Leiharbeiter über mehrere Jahre beim gleichen Entleiher tätig war, handelte es sich um eine Kette befristeter Einsätze im Rahmen eines ebenfalls befristeten Arbeitsverhältnisses. Für die Annahme einer „ersten Tätigkeitsstätte“ fehlt es daher an einer dauerhaften Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Entscheidend sei eine Ex-ante-Betrachtung: Aus Sicht zu Beginn des Arbeitsverhältnisses war ein dauerhafter Einsatz nicht planbar, sondern immer nur kurzfristig verlängert.
Reisekosten statt Entfernungspauschale
Laut FG ist das Wesen der Leiharbeit gerade die Flexibilität und Unsicherheit des Einsatzortes. Der Kläger konnte sich daher nicht auf einen festen Arbeitsweg einstellen. Die typischen Voraussetzungen für eine erste Tätigkeitsstätte – etwa die Möglichkeit, durch Wohnsitzwahl oder Fahrgemeinschaften Kosten zu senken – waren nicht gegeben. Das Gericht erkannte daher die vollen Fahrtkosten (0,30 € je gefahrenem Kilometer) als Werbungskosten an – insgesamt je 3.105 € mehr für die Jahre 2016 und 2017.
Das Urteil stärkt die steuerliche Position von Leiharbeitnehmern mit befristeten Verträgen. Es zeigt: Ein langfristiger Einsatz am gleichen Ort führt nicht automatisch zur steuerlich weniger günstigen „ersten Tätigkeitsstätte“. Vielmehr bleibt entscheidend, ob der Einsatz auch vertraglich dauerhaft angelegt war – was bei Kettenbefristungen regelmäßig nicht der Fall ist.