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05.05.2025

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Koalitionsvertrag 2025 – Deep Dive zur Unternehmensbesteuerung

Der Koalitionsvertrag enthält im Bereich der Unternehmensbesteuerung grds. positive Ansätze, doch es fehlt an der nötigen Entschlossenheit für eine umfassende und zügige Unternehmenssteuerreform. Darüber darf auch das erste Aufatmen, dass entgegen der vorab bekannt gewordenen Verhandlungszwischenstände überhaupt Entlastungen in Aussicht gestellt werden, nicht hinwegtäuschen. Zudem stehen die angekündigten Maßnahmen bekanntermaßen unter Finanzierungsvorbehalt, sodass ihre Umsetzung ungewiss bleibt.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

StB/Dipl.-Kfm. Dr. Hans Weggenmann
ist geschäftsführender Partner bei Rödl & Partner

I. Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten

Die überschwänglich als „Investitions-Booster“ bezeichnete, von 2025 bis 2027 befristete Maßnahme ist nichts anderes als eine klassische – wenn auch mit 30% relativ großzügige – degressive Abschreibung für sog. Ausrüstungsinvestitionen. Eine stark degressive Abschreibung kann zwar kurzfristig einen positiven Liquiditätseffekt erzeugen. Allerdings ist selbst durch die „dreimal 30%“-Abschreibung aufgrund der jährlich sinkenden Bemessungsgrundlage keine nahezu vollständige Abschreibung innerhalb von drei Jahren realisierbar. Zudem weisen Investitionsentscheidungen regelmäßig einen längeren Planungshorizont auf, sodass hauptsächlich Mitnahmeeffekte für ohnehin geplante Investitionen erzeugt werden. Die Maßnahme ist für Unternehmen daher zwar vorteilhaft, reicht jedoch nicht aus, um einen spürbaren – und angesichts der kurzen Befristung erst recht keinen langfristigen – Investitionsimpuls auszulösen.

Eine steuerliche Definition des Begriffs „Ausrüstungsinvestitionen“ existiert bislang nicht. Es liegt jedoch nahe, dass der Gesetzgeber keine neue Definition einführen, sondern die 2024 ausgelaufene degressive Abschreibung für (alle) im Begünstigungszeitraum angeschafften oder hergestellten beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens – mit einem Satz von 30% statt 20% – wieder aufgreifen wird.

II. Kapitalgesellschaften

Die Entscheidung, die KSt erst ab 2028 und in kleinen Schritten von jew. einem Prozentpunkt über fünf Jahre zu senken, zeugt schon fast von wirtschaftspolitischer Realitätsverweigerung. Die Koalitionspartner wählen jedenfalls den Weg geringster politischer Reibung, indem sie den Beginn der Entlastung an das Ende der Legislaturperiode verlagern. Die Verzögerung der Entlastung fügt sich in ein inzwischen schon altbekanntes Muster ein: Anstatt die strukturellen Ausgabenprobleme im Haushalt konsequent anzugehen, setzt die Politik auf neue Schulden und vertagt dringend notwendige Steuerentlastungen.

Sollte die angekündigte KSt-Senkung tatsächlich umgesetzt werden, würde damit aber zumindest langfristig ein international wettbewerbsfähiges Unternehmenssteuerniveau von 25 % erreicht. Perspektivisch sollte allerdings sogar ein Satz von höchstens 20 % angestrebt werden, da eine niedrigere Gesamtsteuerbelastung die Eigenkapitalbasis stärkt und Investitionsspielräume schafft. Das würde die Attraktivität des Standorts Deutschland deutlich erhöhen.

III. Personengesellschaften

Für PersGes. wird die zur Mitte der Legislaturperiode angekündigte ESt-Senkung für kleine und mittlere Einkommen in der Praxis regelmäßig keine Entlastung bringen. Im Koalitionsvertrag werden PersGes. lediglich mit dem vagen Versprechen „wesentlicher Verbesserungen“ bei der Thesaurierungsbegünstigung und dem Optionsmodell bedacht. Beide Instrumente zielen zwar grds. auf eine Gleichstellung der Steuerbelastung mit KapGes. ab, gelten in der Praxis jedoch zu Recht als kaum handhabbar und werden entsprechend selten genutzt.

Problematisch ist vor allem, dass der Koalitionsvertrag offenlässt, welche konkreten Maßnahmen zu erwarten sind. Dabei besteht in der Wirtschaft Einigkeit darüber, an welchen Stellschrauben bei beiden Regelungskomplexen angesetzt werden müsste, um praxistaugliche Lösungen zu schaffen. Die Politik müsste also in der Theorie nicht bei null beginnen, sondern könnte auf fundierte Vorschläge aus früheren Reformdebatten zurückgreifen. In der Praxis ist jedoch zu befürchten, dass auch die neue Regierung die zentralen Schwachstellen nicht angehen wird und es erneut bei kosmetischen Korrekturen bleibt.

IV. Handlungsbedarf bei der Thesaurierungsbegünstigung

Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG soll die Steuerbelastung nicht entnommener Gewinne bei PersGes. mindern, um die steuerliche Benachteiligung einbehaltener und reinvestierter Gewinne gegenüber KapGes. abzubauen und damit eigenkapitalfinanzierte Investitionen zu erleichtern. Aus Sicht der PersGes. muss konkret an folgenden Stellschrauben gedreht werden, um die Thesaurierungsbegünstigung endlich praxistauglich aufzustellen:

1.  Erstens muss der Nachversteuerungssatz reduziert werden, da in der derzeitigen Rechtslage bei einer späteren Entnahme eine erhebliche Nachversteuerung anfällt. Hier wird eine Günstigerprüfung entsprechend § 32d Abs. 6 EStG zwischen pauschaler Nachversteuerung und individuellem ESt-Satz ins Feld geführt (vgl. BDI-Position „Reform der Thesaurierungsbegünstigung“, Juni 2022, S. 4).

2.  Zweitens ist eine Flexibilisierung der Verwendungsreihenfolge gem. § 34a Abs. 4 EStG notwendig. In der aktuellen Rechtslage kommt es zu einem Einschluss (Lock-In-Effekt) steuerfreier und bereits tarifbesteuerter Gewinne, die schon vor der erstmaligen Inanspruchnahme des § 34a EStG im Unternehmen belassen wurden. Diese Altrücklagen können nicht entnommen werden, ohne zuvor eine Nachversteuerung auszulösen. Dies schafft einen Anreiz, im Jahr vor der erstmaligen Nutzung der Thesaurierungsbegünstigung sämtliche im Unternehmen vorhandenen liquiden Mittel zu entnehmen, was offenkundig dem Ziel der Eigenkapitalstärkung widerspricht (vgl. Leingärtner/Stephany, 47. EL Dezember 2024, Rn. 37; Brandis/Heuermann/Ratschow, 174. EL November 2024, EStG § 34a Rn. 5). Daher ist eine Anpassung erforderlich, die eine vorrangige Entnahme derartiger von der Nachbesteuerung auszunehmender Altrücklagen ermöglicht. Diese Maßnahme dürfte den Fiskus letztlich kein Steuerpotenzial kosten, da die Altrücklagen auch ohne die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung für Neugewinne ohne zusätzliche Belastung hätten entnommen werden können. Ansätze zur Verbesserung der Verwendungsreihenfolge waren schon im ursprünglichen Entwurf des Wachstumschancengesetzes enthalten, haben es jedoch nicht in das verabschiedete Gesetz geschafft.

3.  Drittens müssen Umstrukturierungshindernisse beseitigt werden. In der derzeitigen Rechtslage lösen Umstrukturierungen in der Regel eine Nachversteuerung der thesaurierten Gewinne aus. Statt einer Nachversteuerung sollte ein Übergang des nachversteuerungspflichtigen Betrags auf die übernehmende Gesellschaft gesetzlich angeordnet werden; bei KapGes. konkret durch Erhöhung des ausschüttbaren Gewinns gem. § 27 KStG (vgl. BDI-Position „Reform der Thesaurierungsbegünstigung“, Juni 2022, S. 4 f.). Auch diese Maßnahme verursacht keinen Verlust an Steuerpotenzial, da bei Ausschüttung auf Ebene der Gesellschafter die Dividendenbesteuerung erfolgt, sobald die Mittel tatsächlich aus der unternehmerischen Sphäre entnommen werden.

V. Handlungsbedarf beim Optionsmodell

Das Optionsmodell geht noch weiter als die Thesaurierungsbegünstigung und soll es PersGes. ermöglichen, sich ertragsteuerlich vollständig wie eine KapGes. behandeln zu lassen. Bei Ausübung der Option erfolgt steuerlich ein fiktiver Formwechsel, zivilrechtlich bleibt die Rechtsform aber unberührt. Aus Sicht der PersGes. muss konkret an folgenden Stellschrauben gedreht werden, um das im Jahr 2022 eingeführte Optionsmodell attraktiv zu machen:

1.  Erstens muss das Problem der zwingenden Miteinbringung des Sonderbetriebsvermögens behoben werden. Das Optionsmodell zwingt PersGes. beim Wechsel in die KSt in der Praxis oft zur Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven, da die Steuerneutralität des fiktiven Formwechsels die Einbringung nicht nur des Anteils des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, sondern auch der wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens in die optierende PersGes. erfordert. Dazu zählen vor allem Grund und Boden, Gebäude und Beteiligungen (an Komplementär-GmbHs) im Privateigentum der Unternehmer. Eine solche Einbringung des Sonderbetriebsvermögens hat aber zur Folge, dass die Wirtschaftsgüter anschließend allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zuzurechnen sind. Ein Ergebnis, das offenkundig in aller Regel nicht gewünscht ist, und sich auch durch zivilrechtliche Ausgleichsvereinbarungen nicht vollständig ausschalten lässt. Alternativ ließe sich das Sonderbetriebsvermögen vor der Optionsausübung zwar in ein anderes Betriebsvermögen übertragen, wobei allerdings das Risiko besteht, dass die Finanzverwaltung dieses Vorgehen als einen „schädlichen Gesamtplan“ einstuft (vgl. auch Brühl/Weiss, DStR 2021 S. 1617 [1622]).

Werden die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Einbringung im Ergebnis nicht erfüllt, führt die Ausübung der Option für diese Vermögenswerte – insb. vor dem Hintergrund teils erheblicher Wertsteigerungen in den vergangenen Jahren – zu einer entsprechend hohen Steuerbelastung. Dieses Dilemma könnte – ebenfalls ohne Verlust von Steuerpotenzial – z.B. durch Gewährung einer steuerfreien Rücklage gelöst werden.

2.  Zweitens müssen die Nachteile beim Zusammenspiel von Optionsmodell und Thesaurierungsbegünstigung behoben werden. In der derzeitigen Rechtslage lösen Gesellschaften, die bislang die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen haben, durch die Optionsausübung die Nachversteuerung aus (vgl. auch Bünning, BB 2022 S. 427 [428]; Kahle, FR 2022 S. 377 [384]). Letztlich tritt das bereits beschriebene Umstrukturierungshindernis der Thesaurierungsbegünstigung also auch bei der fiktiven Umwandlung zutage.

VI. Gewerbesteuer

Bei der GewSt sollen „Scheinsitzverlegungen“ in GewSt-Oasen verhindert und der GewSt-Mindesthebesatz von 200% auf 280% erhöht werden. Die Erhöhung des Mindesthebesatzes mag zwar geeignet sein, um Gestaltungen mit GewSt-Oasen weniger attraktiv erscheinen zu lassen. Allerdings werden dadurch nicht nur vermeintlich missbräuchliche Gestaltungen erfasst, sondern die gesamte Unternehmerschaft in Gemeinden mit bislang niedrigem Hebesatz zusätzlich belastet.

Statt über eine Erhöhung des Mindesthebesatzes nachzudenken, wäre vielmehr eine grundlegende Vereinfachung der GewSt geboten. Dies stünde ganz i.S.d. im Koalitionsvertrag auch für den Steuerbereich angekündigten Bürokratieabbaus. Konkret ist eine deutlich stärkere Annäherung der Bemessungsgrundlage der GewSt an die der ESt bzw. KSt durch eine weitgehende Streichung der Hinzurechnungs- und Kürzungstatbestände gem. §§ 8 ff. GewStG geboten (vgl. Abschlussbericht der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“, S. 51 ff.). Diese Maßnahme würde das Steuerpotenzial der Gemeinden nicht übermäßig belasten, da sie im realen Wirtschaftsleben nicht von Hinzurechnungen, sondern von den Gewinnen der Unternehmen leben. Wenn Unternehmen Verluste machen, sollten sie nicht zusätzlich durch Steuern aufgrund von Hinzurechnungen in ihrer Substanz belastet werden.

VII. Fazit

Der Koalitionsvertrag enthält durchaus sinnvolle Einzelmaßnahmen, die kurzfristig ein positives Signal senden. An der Tatsache, dass eine umfassende und dringend notwendige Unternehmenssteuerreform weiterhin ausbleibt, ändert das jedoch nichts. Die deutsche Wirtschaft fußt auf einer starken Innovationskraft und ist in vielen Bereichen nach wie vor Weltmarktführer. Sie hat eine zukunftsgerichtete Unternehmensbesteuerung verdient, um sich weiterhin dem globalen Wettbewerb stellen zu können

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