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09.04.2025

Steuerboard

Neues zum Wegzug in ein Niedrigsteuerland: Die BFH-Entscheidung vom 14.01.2025 (IX R 37/21)

Der Wegzug ins Ausland ist und bleibt gerade unter vermögenden Privatpersonen ein Dauerthema. Attraktivere wirtschaftliche Bedingungen und nicht zuletzt mögliche Steuervorteile locken vermögende Zuzügler ins Ausland. Dabei ist jedoch zu beachten, dass gerade ein Umzug in ein Niedrigsteuerland nachlaufende steuerliche Konsequenzen in Deutschland haben kann. Insbesondere bleibt der Wegzügler unter gewissen Voraussetzungen in Deutschland (erweitert beschränkt) steuerpflichtig. Der BFH äußert sich in einem aktuellen Urteil vom 14.01.2025 (IX R 37/21) zu zentralen Fragen der Voraussetzungen der sogenannten erweiterten beschränkten Steuerpflicht beim Wegzug in Länder mit sogenannten Vorzugsbesteuerungsregimen. Gegenstand der Entscheidung des BFH war die britische Remittance Basis Taxation, die vor wenigen Tagen, am 06.04.2025, außer Kraft getreten ist, sodass der Entscheidung insoweit eine alte Rechtslage zugrunde liegt. Die vom BFH dargelegten Grundsätze entfalten jedoch über den Einzelfall hinaus Wirkung für zukünftige Wegzüge in ein Land mit Vorzugsbesteuerungsregime und sollten daher beachtet werden.

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RA Hanno Dassel
ist Associate bei POELLATH in Berlin

I. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 AStG)

Das Außensteuergesetz sieht eine erweiterte beschränkte Einkommensteuer- und eine erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht vor, wobei nur Erstere Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist. Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht setzt voraus, dass die natürliche Person

  • in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war,
  • mittlerweile in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie mit ihrem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt und
  • weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat.

1. Zweck der erweiterten beschränkten Steuerpflicht

Das gesetzgeberische Motiv hinter der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist es, Steuervorteile auszugleichen, die einem wegziehenden Steuerpflichtigen trotz Beibehaltung wesentlicher wirtschaftlicher Interessen im Inland gegenüber einem Steuerinländer erwachsen. Damit soll einem Wegzug ins niedrig besteuernde Ausland vorgebeugt werden.

2. „Niedrige Besteuerung“

Das Merkmal der „niedrigen Besteuerung“ wird vom Gesetz definiert. Das Gesetz sieht zwei Varianten der Niedrigbesteuerung vor: Zum einen ist von einer niedrigen Besteuerung auszugehen, wenn ein sog. abstrakter Belastungsvergleich ergibt, dass die in dem ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer bei einem Einkommen von 77.000 € einer unverheirateten natürlichen Person um mehr als ein Drittel niedriger liegt als die entsprechende deutsche Einkommensteuer. Zum anderen ist eine Niedrigbesteuerung anzunehmen, wenn die ausländische Einkommensteuer aufgrund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung des Wegzugslandes eingeräumten Vorzugbesteuerung erheblich gemindert sein kann. Bei beiden Alternativen handelt es sich jedoch nur um Vermutungen, die der Steuerpflichtige durch einen sog. konkreten Belastungsvergleich widerlegen kann.

3. Wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland

Wesentliche wirtschaftliche Interessen liegen u.a. vor, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

  • Beteiligung von mehr als 1% an einer deutschen Kapitalgesellschaft;
  • Unternehmer oder Mitunternehmer einer gewerblichen deutschen Personengesellschaft (wobei Kommanditisten einen Anspruch auf mind. 25% der Gewinne haben müssen);
  •  die inländischen Einkünfte (genauer die nicht ausländischen Einkünfte) machen mehr als 30% der Gesamteinkünfte aus oder übersteigen die Grenze von 62.000 € oder
  • das deutsche (bzw. nicht ausländische) Vermögen macht mehr als 30% des Gesamtvermögens oder mehr als 154.000 € aus.

4. Umfang

Von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht umfasst sind alle nicht ausländischen Einkünfte des Steuerpflichtigen, die der Steuerpflichtige bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem der Wegzug erfolgt ist, bezieht.

II. Die Entscheidung des BFH (IX R 37/21)

Gegenstand der Entscheidung des BFH war das Merkmal der Vorzugsbesteuerung. Maßgeblichen Erkenntnisgewinn hat der BFH durch die Klärung von Auslegungsfragen in Bezug auf den unbestimmten Rechtsbegriff der Vorzugsbesteuerung geschaffen. Insbesondere hat sich der BFH – soweit ersichtlich –  erstmals zu der Frage geäußert, wann von einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung erheblich geminderten Einkommensteuer auszugehen ist.

Der Begriff der Vorzugsbesteuerung setzt laut BFH voraus, dass das dem Steuerpflichtigen zuteilwerdende (Steuer-)Privileg von besonderen, an die Ansässigkeit anknüpfenden Voraussetzungen abhängig ist. Der Vorzug gegenüber der allgemeinen Besteuerung dürfe daher nicht an sachliche, sondern müsse an persönliche Kriterien gebunden sein, d.h. der Vorzug müsse dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als Zugezogener gewährt werden. Zudem müsse es ein Vorteil sein, der den im Wegzugsstaat lebenden Bürgern dieses Staates nicht zugänglich ist.

Für die Beurteilung, ob die Steuerlast erheblich gemindert sei, kommt es nach Ansicht des Senats auf eine qualitative Betrachtung an. Demnach sei eine Minderung der Steuerlast im Sinne des Gesetzes jedenfalls dann „erheblich“, wenn die Vorzugsbesteuerung eine vollständige Freistellung bestimmter Teile des nach dem allgemeinen Besteuerungssystem grundsätzlich voll zu versteuernden Einkommens auslösen könne. Feste Schwellengrenzen bestünden keine. Insbesondere könne nicht auf die im Rahmen des abstrakten Belastungsvergleichs geregelten Drittel-Schwellengrenzen zurückgegriffen werden.

Damit hat der BFH sich der von der Finanzverwaltung bereits länger vertretenen Auslegung angeschlossen.

III. Folgen für die Einordnung ausgewählter Sondersteuerregime

Auch in Europa finden sich mittlerweile zahlreiche Sondersteuerregime, wie etwa das Pauschalsteuersystem in Italien oder das neue Foreign-Income-and-Gains-Regime („FIG“) in Großbritannien, für deren Einordnung die o.g. Grundsätze in Zukunft maßgeblich sind.

1. Pauschalsteuer in Italien

Im Jahr 2016 führte Italien ein Sondersteuerregime für vermögende Privatpersonen ein, die in mindestens neun der letzten zehn Jahre keinen steuerlichen Wohnsitz in Italien hatten und diesen nun nach Italien verlegen. Nicht in Italien erzielte Einkünfte können durch Zahlung eines Pauschalbetrages anstelle der Zahlung der normalen italienischen Einkommensteuer versteuert werden, wenn die Person ausdrücklich dazu optiert. In den ersten fünf Jahren sind jedoch Kapitaleinkünfte aus wesentlichen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften davon ausgenommen.

Trotz der tatsächlichen jährlichen Steuerzahlungen wird man wohl, wie bisher und vorbehaltlich des konkreten Belastungsvergleichs, davon ausgehen müssen, dass es sich nach den o.g. Grundsätzen des BFH um eine Vorzugsbesteuerung handelt. Die Option zur Pauschalbesteuerung steht nur denjenigen Einwanderern offen, die in den letzten zehn Jahren neun Jahre nicht in Italien steuerlich ansässig waren. Damit wird an ein persönliches Merkmal angeknüpft. Darüber hinaus werden mit den ausländischen Einkünften Einkünfte aus dem grundsätzlich zu versteuernden Einkommen herausgenommen, denn auch in Italien gilt das Welteinkommensprinzip.

2. Foreign-Income-and-Gains-Regime in Großbritannien

Das sogenannte FIG-Regime hat vor wenigen Tagen die abgeschaffte Remittance Basis Taxation abgelöst. Die Remittance Basis Taxation ist letztmalig im Steuerjahr 2024/2025 anzuwenden. Danach sieht das FIG vollständige Steuererleichterungen für (diverse) ausländische Einkünfte (z.B. Dividenden von ausländischen Gesellschaften) für Neuansässige in Großbritannien in den ersten vier Jahren ihrer Residence in Großbritannien vor, wenn die Steuerpflichtigen in den letzten zehn Jahren zuvor in Großbritannien nicht steuerlich ansässig waren. Damit sollte es sich, wie bei der Remittance Basis Taxation, auch beim FIG um eine Vorzugsbesteuerung handeln, denn es wird weiterhin an ein persönliches Merkmal angeknüpft und grundsätzlich steuerbare Einkünfte aus dem zu versteuernden Einkommen herausgenommen. Noch nicht abschließend geklärt ist, inwieweit die enge zeitliche Begrenzung eines solchen Regimes, hier auf vier Jahre, eine andere Einordnung gebietet. Mit Blick auf die vom BFH getroffene Auslegung scheint eine zeitliche Begrenzung für die Einordnung als Vorzugssteuerregime irrelevant zu sein. Eine abschließende Klärung bleibt abzuwarten.

IV. Fazit

Die Entscheidung des BFH überrascht mit Blick auf die Einordnung der Remittance Basis Taxation nicht und dürfte auch hinsichtlich bestehender Vorzugssteuerregime keine wesentlichen Änderungen zur Folge haben. Das Urteil erinnert indes daran, dass die Folgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht bei der Nutzung von Sondersteuerregimen im Auge behalten werden müssen. Das gilt auch vor dem Hintergrund ggf. bestehender Doppelbesteuerungsabkommen, weil diese in solchen Fällen oft keinen Schutz bieten.

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