Die derzeitigen Krisen schlagen auf die Stimmung der Arbeitnehmenden in Deutschland durch: Emotionale Bindung, Loyalität und Vertrauen in die finanzielle Zukunft des Arbeitgebers sind deutlich eingebrochen. Die hohe emotionale Bindung liegt das erste Mal seit Beginn des Gallup Engagement Index, der seit 2001 jährlich erhoben wird, im einstelligen Bereich (9 %, 2023: 14 %). Gleichzeitig ist auch die Zahl der inneren Kündiger gesunken (13 %, 2023: 19 %). Mit 78 % haben noch nie so viele Beschäftigte in Deutschland Dienst nach Vorschrift gemacht. Die Langzeitstudie Gallup Engagement Index gehört zu den wichtigsten Indikatoren für die Führungskultur und das Arbeitsumfeld in Deutschland.
Die Zahlen wirken sich nicht nur auf Unternehmen, sondern auch auf die Volkswirtschaft negativ aus: Denn die durch sie entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen belaufen sich laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2024 auf eine Summe zwischen 113,1 und 134,7 Milliarden Euro.
Unlust am Job treibt Lust zum Wechsel
„Unternehmen haben es geschafft, innere Kündigung durch gezielte Maßnahmen zu reduzieren – aber sie haben es nicht geschafft, Motivation zu wecken und zu stärken. Inmitten wirtschaftlicher Unsicherheiten, Transformationsthemen und Personalmangel bleibt Führung oft funktional: Sie zielt darauf ab, Demotivation zu vermeiden und damit unmittelbares Risiko einzudämmen. Diejenigen, die schon hoch gebunden sind, verschwinden bei diesem Ansatz zunehmend vom Aufmerksamkeitsradar. Stattdessen müssen Unternehmen eine kontinuierliche, motivierende Führungskultur schaffen, die zu hoher emotionaler Bindung führt und Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit steigert – und zwar nicht nur in Krisenzeiten“, sagt Marco Nink, Director of Research & Analytics von Gallup EMEA.
Doch nicht nur die emotionale Bindung hat gelitten: Auch die Loyalität der Beschäftigten in Deutschland hat weiter abgenommen. Nur die Hälfte der Befragten (50 %, Vorjahr: 53 %) beabsichtigt uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu sein. Damit hält der Abwärtstrend der letzten Jahre weiter an, seit 2018 ist der Wert kontinuierlich um insgesamt 28 Prozentpunkte gesunken (2018: 78 %). Bei der mittelfristigen Bleibeabsicht ist die Situation für Unternehmen noch besorgniserregender: Nur 34 % der Beschäftigten haben vor, noch drei Jahre lang bei ihrem aktuellen Arbeitgeber zu bleiben (Vorjahr: 40 %; 2018: 65 %). „Die vorherrschende schwach ausgeprägte emotionale Bindung trägt zur Wechselwilligkeit bei, während sich die Einschätzung des Arbeitsmarktes zunehmend von der wirtschaftlichen Lage entkoppelt“, so Nink. „Trotz der zahlreichen schlechten Nachrichten der letzten Monate scheinen die Beschäftigten in Deutschland ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin positiv einzuschätzen, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel täglich zu spüren ist.“
Führungskultur in der Krise
Vertrauen in Unternehmen und Führungskräfte sinkt ebenso wie die Zufriedenheit. Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Situation kann das Nutzen von Einsparpotenzialen dabei helfen, finanzielle Stabilität zu ermöglichen. Die allerdings sehen Beschäftigte zunehmend gefährdet: Immer mehr mangelt es an Zutrauen in die finanzielle Zukunft des aktuellen Arbeitgebers. Diese Einschätzung dient als Indikator für die wirtschaftliche Stimmung im Land, da Mitarbeitende unmittelbar wahrnehmen, ob ihr Unternehmen beispielsweise Aufträge gewinnt, investiert oder Stellen ausschreibt. Und dieses Zutrauen ist mit 34 % (Vorjahr: 40 %) so niedrig wie seit der Banken- und Finanzkrise und der daraus resultierenden weltweiten Rezession 2008 (34 %) nicht mehr. Ein knappes Viertel (24 %) ist zwar „äußerst zufrieden“, beim derzeitigen Unternehmen zu arbeiten, aber auch dieser Wert ist gegenüber dem letzten Jahr um sieben Prozentpunkte gesunken (2023: 31 %; 2022: 37 %).
Aber nicht nur das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, sondern auch das in die Vorgesetzten hat gelitten. 2019 vertrauten 49 % ihrer Führungskraft uneingeschränkt. Nachdem der Wert im Jahr 2022 auf 41 % gesunken war, ist er jetzt um 20 Prozentpunkte auf 21 % abgestürzt. Darüber hinaus sind nur noch 16 % voll und ganz mit ihrer Führungskraft zufrieden (2023: 22 %; 2022: 25 %). „Vertrauen ist die Grundlage jeder Beziehung. Wenn das Vertrauen in die Führungskraft sinkt, werden ihre Handlungen kritisch hinterfragt. Die Daten deuten auf tiefe Skepsis und ein Empfinden von Entfremdung in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft hin. Damit sich das ändert, ist ein Kurswechsel nötig. Führungskräfte müssen ihre Beschäftigten nicht nur mitnehmen, sondern aktiv zum Mitmachen bewegen. Wer erlebt, dass seine emotionalen Bedürfnisse bei der Arbeit kontinuierlich erfüllt werden, ist eher bereit, auch herausfordernde Wege mitzugehen“, erklärt Marco Nink.