I. Relevanz des Verspätungszuschlags im Private-Equity-Bereich
Private-Equity-Fonds sind meist als Personengesellschaften strukturiert. Wenn mehrere Personen gemeinsam Einkünfte aus einer Personengesellschaft erzielen, ist eine gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO („Feststellungserklärung“) erforderlich. Bei Nicht- oder verspäteter Abgabe droht unter anderem ein Verspätungszuschlag nach § 152 AO.
Im Private-Equity-Bereich hat § 152 AO insbesondere dann Relevanz, wenn Anleger in einen einzigen (Haupt-)Fonds investieren, der Fondsmanager jedoch zahlreiche Alternative Investmentvehikel (AIVs) errichtet und über diese einzelne oder mehrere Investments tätigt. Im Ergebnis sind die Anleger an mehreren Personengesellschaften beteiligt, bei denen Verspätungszuschläge anfallen können.
II. Rechtsentwicklung und Grundsätze des § 152 AO
1. Entscheidung über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags
Nach der durch das StModernG vom 18.07.2016 erfolgten Reform des § 152 AO, die erstmalig für Feststellungserklärungen ab 2018 anwendbar ist, hat die Vorschrift des § 152 AO in der Tax-Compliance-Praxis deutlich an Bedeutung gewonnen.
Vor der Reform lag es stets im Ermessen der Finanzverwaltung, ob und in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird (Ermessensentscheidung). Da die Finanzämter bei der Ermessensausübung unbestimmte Rechtsbegriffe bzw. Kriterien berücksichtigen mussten, die teilweise Rückfragen bei den Steuerpflichtigen erforderten, führten solche Entscheidungen in der Praxis häufig zu langwierigen Streitigkeiten.
Zur Vereinheitlichung der Abläufe wurde die Vorschrift dahingehend reformiert, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nunmehr in den meisten Fällen nach § 152 Abs. 2 AO zwingend zu erfolgen hat (gebundene Entscheidung). Obwohl die Muss-Regelung des § 152 Abs. 2 AO in der Praxis von größerer Bedeutung ist, stellt sie nach dem Aufbau der Norm eine Ausnahme von der Kann-Regelung dar. Nach § 152 Abs. 1 AO bleibt der Finanzverwaltung eine Ermessensentscheidung dem Grunde nach („ob“) weiterhin vorbehalten, sofern eine gebundene Entscheidung aufgrund eines Rückausnahmetatbestandes des § 152 Abs. 3 AO nicht in Betracht kommt.
2. Höhe eines Verspätungszuschlags
Vor der Reform durch das StModernG durfte der Verspätungszuschlag 10% der festgesetzten Steuer (relative Obergrenze) nicht übersteigen und höchstens 25.000 € (absolute Obergrenze) betragen. Bei Feststellungserklärungen waren die steuerlichen Auswirkungen zu schätzen.
Mit der Umsetzung der Reform beträgt der Verspätungszuschlag für Feststellungserklärungen nunmehr für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,0625% der positiven Summe der festgestellten Einkünfte (nicht der festgesetzten Steuer), mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung; vgl. § 152 Abs. 7 AO.
Die bisherige absolute Obergrenze von 25.000 € bleibt unverändert bestehen, auf die relative Obergrenze wurde verzichtet. Es ist zu beachten, dass bei mehreren nicht oder verspätet abgegebenen Steuererklärungen für jede Pflichtverletzung mit einem Verspätungszuschlag zu rechnen ist.
3. Ausnahmen von der verpflichtenden Festsetzung
Die Einführung der Pflichtfestsetzung eines Verspätungszuschlags machte eine gesetzliche Regelung der Ausnahmefälle erforderlich, in denen ein Verspätungszuschlag nicht angemessen ist. Nach § 152 Abs. 3 AO ist insbesondere in folgenden Fällen von der Pflichtfestsetzung abzusehen:
- Nr. 1: wenn die Finanzbehörde die Abgabefrist verlängert hat oder diese Frist rückwirkend verlängert,
- Nr. 2: wenn die Steuer auf null Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird und
- Nr. 3: wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt.
Das gilt nach dem Gesetzeswortlaut des § 152 Abs. 6 Satz 1 AO in der Fassung vor dem JStG 2024 uneingeschränkt auch für Feststellungserklärungen. Dies wurde in der Fachliteratur kontrovers diskutiert, insbesondere in Bezug auf Nr. 3. Die Finanzverwaltung hat die Ausnahmen Nr. 2 und Nr. 3 aus praktischen Gründen vielfach nicht angewandt; siehe beispielhaft nachstehend.
III. Aktuelle Rechtsänderungen
1. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2023 – 12 K 1945/23
Im vorliegenden Fall war der Kläger an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt. Aufgrund der verspäteten Abgabe der Feststellungserklärung setzte das Finanzamt einen Verspätungszuschlag fest. Der Kläger hatte jedoch seine Einkommensteuervorauszahlungen im Hinblick auf den Gewinnanteil aus der Personengesellschaft angepasst, sodass die für ihn unter Berücksichtigung seines Gewinnanteils festgesetzte Einkommensteuer die Summe der Vorauszahlungen nicht überstieg.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass § 152 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 AO auf Feststellungserklärungen nicht anwendbar seien. Die Verweisung des § 152 Abs. 6 Satz 1 AO auf § 152 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 AO gehe bei Feststellungsbescheiden ins Leere. Eine Prüfung, ob die aufgrund des Grundlagenbescheids im Folgebescheid festgesetzte Steuer die Summe der Vorauszahlungen nicht übersteigt, sei zwar theoretisch denkbar, aber praktisch nicht umsetzbar.
Das FG erkannte zwar die praktischen Schwierigkeiten an, entschied aber aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts zugunsten des Steuerpflichtigen. Die Entscheidung des BFH steht noch aus (IV R 29/23).
2. Änderung des § 152 AO durch das JStG 2024
Durch das JStG 2024 wurde § 152 Abs. 6 AO dahingehend geändert, dass sich der bisherige Verweis auf den gesamten § 152 Abs. 3 AO nunmehr ausschließlich auf die Regelung des § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO beschränkt. Folglich sind für Feststellungserklärungen alle in Abs. 3 genannten Ausnahmen außer der Fristverlängerung nach § 109 AO nicht anwendbar.
Dies ist eine gesetzgeberische Reaktion auf das o.g. Urteil des FG Baden-Württemberg. Nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum JStG 2024 (BT-Drucks. 20/13419 S. 252) würde der mit der o.g. Reform des § 152 AO durch das StModernG angestrebte Vereinfachungseffekt entfallen, wenn bei Anwendung des § 152 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 AO die Auswirkungen der Feststellungen in den Folgebescheiden zu ermitteln wären.
Beachtlich ist, dass diese Änderung in der Gesetzesbegründung als klarstellend bezeichnet wird.
Aus den Gesetzesmaterialien zum StModernG ergibt sich zwar die Absicht, der Verwaltung eindeutige und automationsgerechte Kriterien für die Bemessung des Verspätungszuschlags bei Feststellungserklärungen vorzugeben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber seinerzeit die entsprechende Anwendung des § 152 Abs. 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 AO auf Feststellungserklärungen ausschließen wollte.
3. Anhängige Verfahren beim BFH
In Bezug auf den Verspätungszuschlag sind beim BFH mehrere Verfahren anhängig. Neben dem bereits erwähnten Verfahren IV R 29/23 muss der BFH auch klären, ob bei der Bemessung des Verspätungszuschlags für Feststellungserklärungen eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen auf ein Kalenderjahr bezogenen Steuererklärungen vorliegt, wenn die Ausnahmen des § 152 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 AO bei Feststellungserklärungen nicht zur Anwendung kommen (VIII R 28/23; Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil vom 24.08.2023 – 12 K 1698/22 AO).
Darüber hinaus muss der BFH klären, ob Verspätungszuschläge in den Streitjahren 2018 und 2019 nach § 152 Abs. 1 AO (Ermessensentscheidung) oder nach § 152 Abs. 2 AO (gebundene Entscheidung) festzusetzen sind (VI R 2/24; Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.12.2023 – 3 K 88/22).
Des Weiteren hat der BFH zu entscheiden, ob bei der Ausübung des Entschließungsermessens die Folgen der Pflichtverletzung und die wirtschaftliche Wirkung des Verspätungszuschlags für den Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sind (XI R 19/24; Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.03.2024 – 7 K 7067/22).
IV. Fazit
Mit der Einführung der grundsätzlich zwingenden Festsetzung eines Verspätungszuschlags hat die Regelung des § 152 AO im Bereich der Tax Compliance erheblich an Bedeutung gewonnen. Die in § 152 Abs. 3 AO aufgeführten Ausnahmen von der zwingenden Festsetzung galten nach dem Gesetzeswortlaut auch für Feststellungserklärungen. Durch das JStG 2024 mit Wirkung vom 06.12.2024 wurden diese Ausnahmen für Feststellungserklärungen auf eine einzige Ausnahme beschränkt, nämlich die Fristverlängerung nach § 109 AO.
Mehrere beim BFH anhängige Verfahren zeigen jedoch, dass die Anwendung des § 152 AO weiterhin Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen bleibt. Dies gilt wohl insbesondere für die möglicherweise ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags für Feststellungserklärungen im Verhältnis zu anderen Erklärungsfällen.