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25.02.2025

Steuerboard

Ablösezahlung an Nießbraucher steuerfrei – BFH bestätigt strengen Einheitlichkeitsgrundsatz

Der BFH hat sich mit Urteil vom 20.09.2024 (IX R 5/24) mit der steuerlichen Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Geschäftsanteilen befasst und dabei das vorinstanzliche Urteil des FG Nürnberg vom 29.09.2023 (7 K 1029/21) aufgehoben. Die Urteilsgründe geben dabei insbesondere Aufschluss über die Sichtweise des BFH zum Verhältnis von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung bei GmbH-Geschäftsanteilen. Daher geht die Bedeutung des Urteils weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus.

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RA/StB Dr. Jan-Eckhard Wegener, LL.M.,
ist Counsel bei POELLATH in München

1. Thematische Einordnung

Nießbrauchrechte an GmbH-Geschäftsanteilen werfen diverse Problemkreise auf. Während zivilrechtliche Unklarheiten in der Regel durch vorausschauende Vertragsgestaltung beseitigt werden können, verbleiben vor allem steuerrechtliche Fragestellungen. Dazu gehört insbesondere die ertragsteuerliche Einkünftezurechnung. In zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht stehen Gewinnausschüttungen auf nießbrauchbelastete Geschäftsanteile in der Regel nicht dem Gesellschafter, sondern dem Nießbraucher zu (bei Quotennießbrauchrechten ggf. nur teilweise). Es erschiene daher konsequent und interessengerecht, die entsprechenden Einkünfte auch steuerrechtlich dem Nießbraucher zuzurechnen. Sowohl in der Steuerberatungs- als auch in der Finanzverwaltungspraxis wurde dies in der Vergangenheit auch überwiegend so gehandhabt – häufig ohne dabei die konkrete Ausgestaltung des Nießbrauchs zu berücksichtigen.

Unbestritten und steuerrechtlich stringent ist diese steuerliche Zurechnung von Dividenden zum Nießbraucher in den Fällen, in denen der Nießbraucher selbst auch wirtschaftlicher Eigentümer der belasteten Geschäftsanteile ist, etwa weil der Nießbrauch auch die Ausübung der Stimmrechte umfasst oder weil freie Widerrufs- bzw. Verfügungsrechte zugunsten des Nießbrauchers bestehen. Weniger eindeutig ist dies bei den in der Praxis häufig anzutreffenden Ertragsnießbrauchrechten, bei denen dem Nießbraucher außer der Ertragsbeteiligung keinerlei Rechte zustehen. Denn wirtschaftlicher Eigentümer ist in diesen Fällen gerade nicht der Nießbraucher, sondern der Gesellschafter.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein genereller Steuerrechtsgrundsatz dahingehend besteht, dass dem wirtschaftlichen Eigentümer eines Geschäftsanteils auch stets die Einkünfte daraus zuzurechnen sind (strenger Einheitlichkeitsgrundsatz), oder ob die Zurechnung von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünften auseinanderfallen kann – konkret also, ob der Nießbraucher Einkünftezurechnungssubjekt von Dividenden sein kann, obwohl der Gesellschafter der wirtschaftliche Eigentümer des Anteils ist (und ggf. unter welchen Voraussetzungen). Das FG Nürnberg und der BFH vertreten in dieser Frage jedenfalls abweichende Ansichten. Dabei führt insbesondere die Auffassung des BFH im Einzelfall zu fragwürdigen Ergebnissen und steuerfreien Einkünften.

2. Sachverhalt und Ausgangsentscheidung des FG Nürnberg (7 K 1029/21)

Strittig war die Besteuerung der entgeltlichen Ablösung eines Ertragsnießbrauchs an GmbH-Geschäftsanteilen (dazu: Wegener/Steger, DB Steuerboard vom 07.05.2024, DB1461762). Die klagende Nießbraucherin hatte für den Verzicht auf ihr Ertragsnießbrauchrecht an einem GmbH-Geschäftsanteil eine Ablösezahlung vom Gesellschafter erhalten und war der Ansicht, diese Zahlung stelle eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung auf privater Ebene dar.

Nach Ansicht des FG Nürnberg sollte die erhaltene Ablösezahlung hingegen als nachträgliche Einkünfte in Form einer Entschädigung für entgehende Kapitaleinkünfte steuerpflichtig sein (§ 24 Nr. 1 lit. a) i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift wäre jedoch die steuerliche Zurechnung der auf die belasteten Geschäftsanteile entfallenden laufenden Dividenden zur Nießbraucherin. Denn nachträgliche Einkünfte setzen voraus, dass dem Steuerpflichtigen die Einkünfte, für die die Entschädigung gewährt wird, auch steuerlich zuzurechnen gewesen wären. Diese Voraussetzung sah das FG Nürnberg als erfüllt an. Es begründete die Einkünftezurechnung zur Nießbraucherin mit einer an die Nießbraucherin gewährten Stimmrechtsvollmacht, die dieser eine Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle einräume.

Erstaunlich und in dieser Deutlichkeit ein Novum: das FG hatte gleichzeitig ausdrücklich den Gesellschafter als wirtschaftlichen Eigentümer des betroffenen Geschäftsanteils festgestellt. Die Möglichkeit der Trennung von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung hatte das FG dabei schlicht angenommen und einen ebenso denkbaren Einheitlichkeitsgrundsatz ignoriert. Eine tiefere Begründung bzw. Auseinandersetzung mit dieser Grundsatzfrage ließ das Urteil vermissen.

3. Revisionsentscheidung des BFH (IX R 5/24)

Eine tragfähige Begründung für diese Trennung fehlte offenbar auch dem BFH, der das Urteil des FG Nürnberg aufhob und den Grundsatz der Einheitlichkeit von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung am GmbH-Geschäftsanteil betont. Eine vom wirtschaftlichen Eigentum abweichende Einkünftezurechnung komme im Rahmen der §§ 17 und 20 EStG nicht in Betracht. Insbesondere regele § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG keine vom wirtschaftlichen Eigentum abweichende Zurechnung, sondern setze für eine Einkünftezurechnung zum Nießbraucher gerade dessen Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer voraus.

Wirtschaftlicher Eigentümer der Geschäftsanteile war nach der tatrichterlichen Würdigung des FG allerdings gerade der Gesellschafter. Zwar könne im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung das wirtschaftliche Eigentum auch beim Nießbraucher liegen. Vorliegend war die entsprechende Sachverhaltswürdigung des FG aus Sicht des BFH jedoch möglich und damit bindend. Im Ergebnis war die Ablösezahlung an die Nießbraucherin daher steuerfrei.

4. Anmerkung und Ausblick

a) Grundsatz der Einheitlichkeit vs. Trennungsmöglichkeit

Der BFH betont den Grundsatz der Einheitlichkeit von wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung bei Geschäftsanteilen in erfreulicher Deutlichkeit. Darüber hinaus macht er seine Lesart des § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG deutlich: eine Vorschrift, die seit ihrer Einführung für Verwirrung statt Erkenntnisgewinn sorgt. Insoweit schafft der BFH Klarheit. Eine Begründung oder Herleitung des Einheitlichkeitsgrundsatzes enthält das Urteil allerdings nicht. Zuzugeben ist dem BFH, dass die Einheitlichkeit naheliegender scheint und daher auf den ersten Blick weniger Begründung erfordert als die Abspaltung/Trennung der Einkünftezurechung vom wirtschaftlichen Eigentum.

Auf den zweiten Blick wäre eine tiefere Auseinandersetzung und dogmatische Begründung dennoch wünschenswert gewesen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die steuerliche Zurechnung von laufenden Erträgen der steuerlichen Zurechnung der Substanz uneingeschränkt folgen muss. Leistungsfähigkeits- und Zuflussprinzip sowie pragmatische Erwägungen sprechen gerade in Nießbrauchkonstellationen eher für die Auffassung des FG. Denn während die Dispositionsbefugnis über die Quelle (Geschäftsanteil) und damit das wirtschaftliche Eigentum an der Quelle in der Regel beim Gesellschafter liegt, stehen und fließen Gewinnausschüttungen wirtschaftlich typischerweise dem Nießbraucher zu, der frei über sie verfügen kann. Ein auf Veräußerungsgewinne (§§ 17 Abs. 1 und 20 Abs. 2 EStG) beschränkter Einheitlichkeitsgrundsatz mit der Möglichkeit einer isolierten steuerlichen Zurechnung von Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 EStG) wäre daher mindestens genauso denkbar gewesen. In diese Richtung ließe sich – entgegen der Ansicht des BFH – auch § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG interpretieren: eine Vorschrift, der nach der vom BFH angewendeten Lesart kein eigener Anwendungsbereich mehr verbleibt.

b) Praktische Auswirkungen

Der strenge Einheitlichkeitsgrundsatz erspart dem Rechtsanwender die weitere Abgrenzung von wirtschaftlichem Eigentum und Zurechnung der laufenden Erträge. Hätte sich der BFH demgegenüber für die Möglichkeit der Abspaltung der Einkünftezurechnung vom wirtschaftlichen Eigentum ausgesprochen, hätte es zudem einer Konkretisierung der dafür im Einzelfall erforderlichen Voraussetzungen bedurft. Die Herausbildung entsprechender neuer Fallgruppen und allgemeingültiger Abgrenzungskriterien wäre langwierig und streitanfällig. Dies wird durch den Einheitlichkeitsgrundsatz vermieden. Stattdessen verläuft die Grenzlinie ausschließlich bei der Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums.

Im Hinblick auf Ertragsnießbrauchrechte widersprechen die steuerlichen Folgen des Einheitlichkeitsgrundsatzes allerdings regelmäßig der wirtschaftlichen Realität. Denn der Nießbraucher wird regelmäßig nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile sein, sodass der Einheitlichkeitsgrundsatz eine Einkünftezurechnung an ihn nicht zulässt, obwohl ihm die laufenden Erträge allein zufließen. Solange die Kapitalertragsteuer vorschriftsmäßig einbehalten wird und es sich bei Gesellschafter und Nießbraucher um natürliche Personen handelt, die demselben Steuerregime unterliegen, scheinen die praktischen Konsequenzen vernachlässigbar. Zu Verwerfungen kommt es, wenn entweder der Nießbraucher oder der Gesellschafter die Günstigerprüfung in Anspruch nehmen könnte oder steuerlich im Ausland ansässig ist. Absurd wird es, wenn eine der Parteien die Voraussetzungen des § 8b Abs. 1 und 4 KStG erfüllt. Dann erhält entweder der Nießbraucher als natürliche Person steuerfreie Ausschüttungen, weil diese der § 8b KStG-begünstigen Körperschaft zugerechnet werden, oder umgekehrt, es fällt Kapitalertragsteuer an, obwohl der Ausschüttungsbetrag weiterhin dem KStG-Regime einer nießbrauchberechtigten Körperschaft unterfällt. Diese Verwerfungen wären durch eine Besteuerung an der „richtigen“ Stelle mit der vom FG vertretenen Auffassung vermeidbar gewesen.

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