Neuregelung des § 1 Abs. 3d AStG
§ 1 Abs. 3d AStG sieht vor, dass Betriebsausgabenabzüge innerhalb multinationaler Unternehmensgruppen aufgrund grenzüberschreitender Finanzierungsbeziehungen außerbilanziell zu korrigieren sind,
- wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass der Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit der Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbracht werden können und die Finanzierung nicht nur wirtschaftlich benötigt wurde, sondern auch für den Unternehmenszweck verwendet wird (§ 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 a) u. b) AStG), oder
- soweit der seitens des Steuerpflichtigen zu entrichtende Zinssatz im Rahmen der grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung den Zinssatz übersteigt, welchen der Steuerpflichtige unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten verhandeln könnte (§ 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG).
Die Neuregelung hinterlässt beim Rechtsanwender bislang noch einige offene Anwendungs- und Auslegungsfragen.
Das Konzept der Regelung sowie die Erläuterungen der Finanzverwaltung sind grds. sehr stark auf Konzernstrukturen ausgelegt. Allerdings könnte die Norm auch Auswirkungen auf Private-Equity- und Venture-Capital-Strukturen haben, bei welchen häufig Investmentstrukturen durch die Ausreichung von Darlehen der Fonds finanziert werden. Etwaige Auswirkungen der Neuregelung auf solche Investmentstrukturen sollen daher im Nachfolgenden untersucht werden.
Die multinationale Unternehmensgruppe nach § 1 Abs. 3d AStG – ein unbestimmter Rechtsbegriff?
Voraussetzung für die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelung ist eine grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehung innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe. Daher ist vorab zu klären, ob neben dem Vorliegen einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung bei einer klassischen Private-Equity- oder Venture-Capital-Struktur eine solche multinationale Unternehmensgruppe überhaupt vorliegt.
Der o.g. Entwurf der Finanzverwaltung enthält leider keine Ausführungen zum Begriff der multinationalen Unternehmensgruppe. Dabei fehlt allerdings auch der Norm selbst eine Legaldefinition. Die Gesetzesbegründung gibt allerdings über die Auslegung der multinationalen Unternehmensgruppe insoweit grds. Aufschluss, als dass auf § 90 Abs. 3 Satz 4 AO verwiesen wird. Dieser wiederum definiert eine multinationale Unternehmensgruppe als aus
„mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat“.
Aufgrund des Verweises auf nahestehende Personen im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG scheint es an einem zwingend eigenständigen Anwendungsbereich für den Begriff der multinationalen Unternehmensgruppe zu fehlen. Dennoch verbleibt angesichts des Schweigens der Finanzverwaltung eine Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Verwaltungsauffassung.
Entsprechend sollte für gängige Investmentstrukturen untersucht werden, ob die an der grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung teilnehmenden Parteien sich im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahestehen, um die Frage nach der Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3d AStG zu beantworten.
Betrachtet man in den gängigen Investmentstrukturen das Verhältnis zwischen Fonds und Target, könnte von einem solchen Nahestehen regelmäßig ausgegangen werden. Allerdings sind die meisten Fonds als (vermögensverwaltende) Personengesellschaften strukturiert, sodass hier aufgrund der steuerlichen Transparenz auch auf den jeweiligen dahinterstehenden Investor abzustellen sein könnte, für welchen nicht zwangsläufig ein Nahestehen angenommen werden kann.
Auch bei der Voraussetzung der Grenzüberschreitung ist es fraglich, wann eine solche überhaupt vorliegt. Liegt diese bereits vor, wenn ein deutscher Fonds (deutsche [vermögensverwaltende] Personengesellschaft) mit ausländischen Investoren ein Darlehen an dessen deutsche Tochterkapitalgesellschaft ausreicht? Dies ist derzeit noch ungewiss.
Anforderungen an die Glaubhaftmachung nach § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 a) und b) AStG
a) Erbringung des Kapitaldienstes „von Anfang an“
Hinsichtlich der durch das Erfordernis der Glaubhaftmachung erfolgten Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen in Bezug auf die Fähigkeit, den Kapitaldienst von Anfang an erbringen zu können, und in Bezug auf die wirtschaftliche Notwendigkeit des Finanzbedarfs sowie seiner Verwendung im Rahmen des Unternehmenszwecks hat sich die Finanzverwaltung hingegen in ihrem Entwurf geäußert.
Unsicherheiten bestanden hier insbesondere in Bezug auf den Wortlaut von Anfang an, für welchen die Frage aufkommt, zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige tatsächlich in der Lage sein muss, den Kapitaldienst zu erbringen.
Dass mit dem Erfordernis der Erbringbarkeit des Kapitaldiensts von Anfang an nicht die vollständige Zahlungsmöglichkeit insbesondere von Zins- und Tilgungsanteil (Kapitaldienst) bereits zu Beginn der Finanzierungsbeziehung gemeint sein kann, ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung, in welcher von dem zu erwartenden Bedienenkönnen die Rede ist. Vielmehr ist hierunter die Glaubhaftmachung der Rückzahlungsmöglichkeit über die gesamte Laufzeit der Finanzierungsbeziehung zu verstehen. In diese Richtung kann auch die Konkretisierung der Finanzverwaltung verstanden werden, die von zu erwartenden Zahlungsflüssen spricht, um den Darlehensgeber zu befriedigen.
Laut der Finanzverwaltung soll der Steuerpflichtige demnach aufzeigen:
- ob und wie der Kapitaldienst erbracht werden kann (bspw. anhand einer Prognoserechnung),
- dass der Kapitaldienst wie vereinbart erbracht wird und
- welcher Zweck mit dem überlassenen Kapital verfolgt und wie das Kapital verwendet wird.
Für die Praxis der Investmentstrukturen sollte diese Voraussetzung nur wenig Probleme bereiten. Zum einen sind die meisten Darlehensbeziehungen endfällig ausgestaltet und werden bei einem Verkauf des Portfoliounternehmens fällig, bei welchem ausreichend Mittel für die Rückzahlung der Darlehensbeträge zur Verfügung stehen. Zum anderen werden die Darlehen zur Finanzierung von Tochtergesellschaften oder zum Erwerb eines Targets verwendet, sodass durch Liquidation/Verkauf entsprechende Mittel zur Rückzahlung der Darlehenssumme geschaffenen werden können.
b) Wirtschaftliche Notwendigkeit und Verwendung für den Verwendungszweck
In Bezug auf die wirtschaftliche Notwendigkeit des Darlehens und seiner Verwendung für Unternehmenszwecke stellt die Finanzverwaltung auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer ab, der die begründete Aussicht auf Rendite durch die Finanzierung sieht und das Kapital deshalb für Unternehmenszwecke einsetzt.
Da in gängigen Investmentstrukturen regelmäßig das Darlehen mit einem Zinsaufschlag weitergegeben wird oder die Darlehensmittel zum Erwerb eines Unternehmens dienen, sollte auch diese Voraussetzung und insbesondere der Nachweis einer begründeten Aussicht auf Rendite erfüllt sein.
Die Fremdüblichkeit des Zinssatzes nach § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG
Die Fremdüblichkeit des Zinssatzes richtet sich nach derzeitiger Auffassung der Finanzverwaltung vor allem nach der Bonität des Steuerpflichtigen als Darlehensnehmer, wobei ausweislich des Wortlauts des § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG – Rating für die Unternehmensgruppe – damit die Bonität der Gruppe gemeint ist. Hintergrund dieser Regelung ist laut der Gesetzesbegründung auch hier das Abstellen auf den Geschäftsleiter der Unternehmensgruppe, der nach der günstigsten Finanzierungsmöglichkeit für seine Unternehmensgruppe suchen wird.
Inwiefern dieser gesetzgeberische Hintergrund hingegen für Investmentstrukturen Relevanz hat, bleibt zumindest fraglich, da nicht jede Gesellschaft einer solchen Struktur für die Aufnahme von Darlehen überhaupt infrage kommt, sodass sich rein aus praktischen Gesichtspunkten hiernach die zu betrachtende Gruppe schon beschränkt.
Da es wohl häufig kein Rating der Gruppe oder der einzelnen Gesellschaften der Investmentstruktur bei Begründung des Finanzierungsverhältnisses geben wird, kann laut der Finanzverwaltung ein Rating anhand der Finanzierungskosten der Unternehmensgruppe auf den Zeitpunkt der Darlehensvergabe bestimmt werden.
Für gängige Investmentstrukturen liegt es daher nahe (so allerdings nicht von der Finanzverwaltung bestätigt), sich an dem meist vorhandenen Zinssatz einer externen Finanzierung auf Akquisitionsebene zu bedienen. Wie üblich sind diese externen Darlehen im Gegensatz zu den Darlehen in der Investmentstruktur voll besichert, sodass hier ggf. der Zins für die vorliegende Regelung nach oben angepasst werden kann.
Fazit
Der Entwurf der Finanzverwaltung enthält einige sehr nützliche – wenn auch nicht abschließende – Antworten und Konkretisierungen zu aufgekommenen Anwendungs- und Auslegungsfragen im Hinblick auf § 1 Abs. 3d AStG. Zwar ist fraglich, ob Investmentstrukturen aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen einer multinationalen Unternehmensstruktur oder einer grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung überhaupt in den Anwendungsbereich der Regelung fallen, allerdings sollten nach derzeitigem Stand die Anforderungen an die Glaubhaftmachung und Vergleichbarkeit nach § 1 Abs. 3d AStG auch für Investmentstrukturen erfüllbar sein.
Nichtsdestoweniger sollten auch Investmentstrukturen bereits heute ihre Finanzierungsbeziehungen entsprechend der Gesetzeslage und der vorläufigen Verwaltungsauffassung überprüfen.
Die Verbände haben nunmehr bis zum 06.09.2024 Zeit, auf den Entwurf der Finanzverwaltung zu reagieren und hierzu Stellung zu nehmen. Die weitere Entwicklung bleibt somit abzuwarten.