Und ewig grüßen die Gesetzesentwürfe
Der aufmerksame Betrachter des steuerrechtlichen Geschehens dürfte dieser Tage nicht schlecht staunen. Im Regierungsentwurf zum Steuerfortentwicklungsgesetz („SteFeG“) liest man erneut von Mitteilungspflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen. Lässt man die anhaltende Diskussion über deren haushalts- und steuerpolitische Sinnhaftigkeit für den Moment beiseite, verbleibt die Frage: Wie oft darf ein Thema eigentlich auf die steuerpolitische Agenda gesetzt werden?
Die Antwort der letzten gut 15 Jahre: Anscheinend nicht oft genug.
In zugegeben anderer Form war die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen bereits im JStG 2007 und 2008 diskutiert worden. Nach dem damaligen Scheitern wurde sie 2014 durch den Bundesrat erneut auf die Tagesordnung gesetzt und durch Gutachten hochrangiger Steuerrechtslehrer für das BMF neu aufgekocht. Als dann auch bei der Umsetzung von DAC 6 in deutsches Recht niemand etwas von einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen hören wollte, versuchte es der deutsche Steuergesetzgeber im Wachstumschancengesetz erneut.
Der jetzige Clou: Die Referentenentwürfe seit 2023 für die geplanten § 138l bis § 138n AO-E orientieren sich so weit wie möglich an ihrem Pendant für grenzüberschreitende Steuergestaltungen.
Ein neuer Versuch – viel Bekanntes, einiges Neues
Dieser Trick hat zwar im Rahmen des Wachstumschancengesetzes nicht geklappt, wird nun aber im Regierungsentwurf zum SteFeG erneut versucht.
Wollen deutsche Fondsmanager und Anleger deutscher Fonds die möglichen Folgen der angedachten Regelungen in §§ 138l bis 138n AO-E besser abschätzen, tun sie gut daran, die existierenden Regelungen zur Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen in §§ 138d bis 138k AO nicht aus den Augen zu verlieren.
Nach deren Logik definiert § 138l Abs. 2 AO-E mithin wenig überraschend potenziell meldepflichtige innerstaatliche Steuersachverhalte als (i) nicht grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die (ii) eine Steuer vom Einkommen oder Vermögen, die Gewerbesteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer oder die Grunderwerbsteuer betreffen und die (iii) ein Kennzeichen (sog. Hallmark) aufweisen. Zur Verringerung potenziell meldepflichtiger Sachverhalte muss bei innerstaatlichen Steuergestaltungen ein Hauptvorteil stets die Erlangung eines steuerlichen Vorteils sein (sog. Main Benefit Test). Der Main Benefit Test muss folglich bei jeder potenziell meldepflichtigen innerstaatlichen Steuergestaltung bejaht werden und ist – anders als bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen – nicht nur bei bestimmten Hallmarks anzuwenden.
Auch für die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen soll das BMF eine Whitelist veröffentlichen können, um bestimmte Fallgruppen festzulegen, in denen der Main Benefit Test nicht anschlägt, da die steuerlichen Vorteile der Gestaltung gesetzlich vorgesehen sind. Mit Rücksicht auf den weitgehenden Gleichlauf der Mitteilungspflicht für innerstaatliche und grenzüberschreitende Steuergestaltungen ist jedoch auch das bestehende BMF-Schreiben zu DAC 6 aus dem Jahr 2021 und die darin enthaltene Whitelist zum besseren Verständnis des hier behandelten Gesetzesentwurfs relevant.
Im Katalog der Hallmarks für innerstaatliche Steuergestaltungen in § 138l Abs. 3 AO-E fehlen natürlich die Hallmarks mit ausschließlich grenzüberschreitendem Charakter; viele andere Hallmarks werden jedoch wortgleich aus § 138e AO kopiert. Zu den Hallmarks für innerstaatliche Steuergestaltungen zählen damit unter anderem die standardisierte Dokumentation und Struktur (§ 138l Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO-E) und die Umqualifikation von Einkünften in Vermögen, Schenkungen oder andere nicht oder niedrig besteuerte Einnahmen (§ 138l Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO-E). Beide Hallmarks wurden im Bereich von Private Equity und Venture Capital Fonds auch schon im Rahmen der DAC-6-Umsetzung diskutiert.
Sehr genau hinsehen sollten Stakeholder deutscher Fonds bei der geplanten Regelung des § 138l Abs. 5 AO-E. Die Norm ist als weitere Verengung für das Vorliegen meldepflichtiger innerstaatlicher Steuergestaltungen gedacht. Meldepflichtig sollen danach nur solche innerstaatlichen Steuergestaltungen sein, bei denen nutzerbezogene und/oder gestaltungsbezogene Kriterien vorliegen. Die gestaltungsbezogenen Kriterien können hier vernachlässigt werden, da sie aktuell nur schenkungsteuerliche und grunderwerbsteuerliche Sachverhalte betreffen.
Die nutzerbezogenen Kriterien nach § 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO-E enthalten deutlich mehr Diskussionspotenzial. Anzeigepflichtig sollen danach zum einen alle innerstaatlichen Steuergestaltungen sein, bei denen der Nutzer oder der Konzern, in den der Nutzer eingebunden ist, in zwei von drei Geschäftsjahren unmittelbar vor dem Zeitpunkt des zu meldenden Sachverhalts die Umsatzschwelle von 50 Mio. € (§ 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO-E) oder die Einkünfteschwelle (EStG-Einkünfte)/Einkommensschwelle (KStG-Einkünfte) von jeweils 2 Mio. € (§ 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO-E) überschritten hat. Zum anderen sollen solche Sachverhalte unabhängig von Schwellenwerten anzeigepflichtig sein, in denen der Nutzer von ausländischen Personen beherrscht wird, sowie in Fällen, in denen der Nutzer ein Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds i.S.d. InvStG oder dessen Anleger ist (§ 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d–f AO-E). Das Kriterium der Anleger von Investmentfonds i.S.d. InvStG soll jedoch nur betroffen sein, wenn der Investmentfonds weniger als 100 Anleger hat und die Anschaffungskosten der Anteile des Investmentfonds oberhalb von 100.000 € lagen. Zugleich gilt eine etwaige Mitteilungspflicht der Anleger von Fonds i.S.d. InvStG natürlich nur insoweit, als die Steuergestaltung eben aus dieser Beteiligung am Fonds resultiert.
Auswirkungen der geplanten Regelungen auf deutsche Fonds
Auf Tatbestandsebene werden sich auch für rein deutsche Fondsstrukturen damit Fragen stellen, die 2020 und 2021 bereits bei der Umsetzung von DAC 6 diskutiert wurden.
- Stellt die klassische deutsche Fondsstruktur in der Form einer GmbH & Co. KG eine standardisierte Struktur i.S.d. Hallmarks dar?
- Erfüllt die Ausnutzung der Möglichkeit zur steuerlichen Entprägung auf Ebene der Fondsgesellschaft das Hallmark der Einkünfteumqualifikation?
Auf beide Fragen hat sich für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch durch das BMF-Schreiben aus dem Jahr 2021 und dessen Anhang eine gewisse Klarheit ergeben. Aufgrund des Gleichlaufs des Wortlauts beider Regelungskomplexe kann die Antwort aus Sicht des Verfassers für innerstaatliche Steuergestaltungen nicht anders ausfallen. Selbst wenn die klassische deutsche Fondsstruktur in der Form einer GmbH & Co. KG das Hallmark der standardisierten Struktur erfüllen würde, wird der Main Benefit Test wohl verneint werden können. Grundsätzlich sind die Beweggründe zur Auflegung einer solchen Struktur nicht hauptsächlich steuerlicher Natur i.S.d. Main Benefit Tests. Betreffend die Frage zur steuerlichen Entprägung sollte die Antwort im Text der Whitelist selbst liegen. So kann die Ausübung steuerlicher Wahlrechte im Bereich der Prägung oder Entprägung deutscher Personengesellschaften nicht die Bejahung des Main Benefit Tests nach sich ziehen.
Bezüglich der angedachten Kriterien, die eine Meldepflicht auslösen (§ 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO-E), muss zwischen deutschen körperschaftlich verfassten Fonds und deutschen Fonds in der Form einer Personengesellschaft unterschieden werden.
Für Erstere, also deutsche Fonds i.S.d. InvStG und deren Anleger, wirkt sich die vorgesehene Verengung der Meldepflicht negativ aus. Sie weisen ein besonderes nutzerbezogenes Kriterium kraft Status auf. Bezüglich der Reichweite der Kriterien in § 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e und f AO-E lohnt erneut der Blick in das BMF-Schreiben von 2021. Zwar hatte die Literatur bis dato Fonds oftmals nur dann als Nutzer eingestuft, wenn der Fonds Steuergestaltungen auf Ebene der Portfoliogesellschaften nutzte, und die Nutzereigenschaft mithin eng ausgelegt. Das BMF-Schreiben bejaht hingegen im Bereich der Fonds i.S.d. InvStG die Nutzereigenschaft des Fonds auch dann, wenn sich die angedachte Gestaltung beim Anleger auswirkt. Zwar gilt das BMF-Schreiben formal nicht für die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen, eine gleichlautende Anwendung in diesem Bereich liegt jedoch aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit beider Regelungskomplexe nahe. Die Anleger entsprechender Fonds weisen das besondere nutzerbezogene Kriterium ebenfalls auf.
Für die Gruppe der Fonds in der Rechtsform der Personengesellschaft und deren Anleger, die nicht in den Anwendungsbereich des InvStG fallen, gelten die nutzerbezogenen Kriterien nach § 138l Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e-f AO-E nicht. Das sind gute Nachrichten, da die große Mehrheit deutscher Fondsgesellschaften auch heute noch als steuerlich transparente KGs strukturiert sind. Für diese Gruppe werden die Schwellenwerte als nutzerbezogene Kriterien relevant sein. Wird der Fonds als Steuergestaltung eingestuft, können große institutionelle Investoren leicht die höhenmäßigen Schwellenwerte überschreiten. Eine Meldepflicht wäre die Folge.
Ausblick
Die Überlegungen zeigen, dass die Diskussionspunkte im Bereich der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen für deutsche Fonds vorgezeichnet sind. Wünschenswert wäre daher, dass das BMF bei einem Inkrafttreten der Regelungen schnell mit einem entsprechenden BMF-Schreiben nachzieht. Insgeheim zu hoffen bleibt, dass vielleicht auch der Weg im Gesetzgebungsverfahren vorgezeichnet bleibt und die Regelungen es – wie schon beim Wachstumschancengesetz – überhaupt nicht ins Gesetz schaffen.