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22.07.2024

Interview

Unternehmensnachfolge: „Frühzeitige und vorausschauende Planung ist das Fundament für den erfolgreichen Generationenwechsel“

Eine KfW-Untersuchung zeigt, dass bis 2026 bundesweit bei etwa 560.000 Unternehmen eine Unternehmensnachfolge zu erwarten ist. Immer mehr Regularien, Bürokratie und geopolitische Herausforderungen verringern die Motivation für die Übernahme. Wie der Generationswechsel in diesen Zeiten dennoch ein Erfolg werden kann, beleuchtet StB Markus Schmitz, Partner bei Deloitte in München.

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Markus Schmitz

DB: Herr Schmitz, beim Thema Unternehmensnachfolge im Mittelstand sehen wir die Konsequenzen des demografischen Wandels wie nirgendwo sonst. Wie erleben Sie die aktuelle Lage?

Schmitz: Viele Unternehmer beschäftigen sich gerade intensiv mit der Frage, wie das eigene Unternehmen in Zukunft fortgeführt werden soll und vor allem von wem. Durch die niedrige Geburtenrate steht nicht mehr automatisch ein Kind zur Unternehmensnachfolge bereit, wie es vielleicht vor einigen Jahren noch regelmäßig der Fall war. Zudem erschweren teilweise die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und die vorrangige Bewältigung von Krisen die Übernahme von manchen Unternehmen zusätzlich. Für einen solchen Übergang braucht es stabile Verhältnisse und auch die Nachfolgegeneration muss sich die Übernahme unter solchen Bedingungen zutrauen.

DB: Laut einer KfW-Umfrage wollen 61 % der Inhaber den Betrieb am liebsten an einen Unternehmensnachfolger übergeben, 53 % würden eine familieninterne Nachfolge bevorzugen. Warum ist das heute nicht mehr so einfach?

Schmitz: Die Fortführung des Familienunternehmens ist heute nicht mehr so selbstverständlich wie es vor einigen Jahren noch war. Der Arbeitsmarkt verändert sich und der nachfolgenden Generation stehen viel mehr eigene berufliche Möglichkeiten zur Verfügung als damals. Viele Kinder möchten nicht das von der Familie aufgebaute Unternehmen fortführen, sondern gehen ihren eigenen Ideen, Wünschen und Begabungen nach.

DB: Welche Optionen für eine Nachfolgeregelung gibt es abseits der eigenen Kinder?

Schmitz: Eine oft gewählte Form ist der Rückzug der Familie aus der operativen Unternehmensführung und hin zu einer reinen Unternehmensinhaber-Rolle. Hierbei wird eine Fremdgeschäftsführung eingeführt, während das Unternehmen selbst im Eigentum der Familie bleibt. Häufig werden hierfür eigene Familien-Holding-Gesellschaften gegründet.

Wenn keine Nachkommen vorhanden sind, wird das Unternehmen in manchen Fällen auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen, wobei auch hier zuvor eine Fremdgeschäftsführung etabliert wird. Schlussendlich wählen einige Unternehmer auch den Weg der Veräußerung des Unternehmens, entweder an einen externen Investor, ein anderes Familienunternehmen oder an die gegebenenfalls bereits seit vielen Jahren bestehende Fremdgeschäftsführung (Management Buy-Out). Dies sind aber nur einige Beispiele, weil es in der Praxis immer auf die individuelle Situation ankommt, welches Konzept für den Unternehmer, die Familie und das Unternehmen am besten passt.

DB: Da in inhabergeführten Firmen Geschäftsführung und Eigentum in einer Hand liegen, sind gleichzeitig die Interessen des Unternehmens und der Familie zu berücksichtigen. Worauf sollten insbesondere die Gesellschafter von Familienunternehmen bei der Unternehmensnachfolge achten?

Schmitz: Zunächst ist es wichtig, dass man sich frühzeitig Gedanken über die Nachfolge macht, nach dem Motto „Schenkungen kann man planen, Sterben nicht“. Durch das Ausnutzen von persönlichen Freibeträgen, die alle 10 Jahre gewährt werden, und unter der Hinzunahme von einem Nießbrauch an den Unternehmenserträgen kann bereits vor dem eigenen Tod ein großer Teil des betrieblichen Vermögens auf die nächste Generation übertragen werden. Aber auch innerhalb des Unternehmens kann man durch Vermögensumschichtungen gewährleisten, dass Verschonungen für das betriebliche Vermögen erreicht werden können.

DB: Welche Fallstricke gilt es bei der Übertragung von Anteilen an die nachfolgende Generation aus juristischer Sicht zu beachten?

Schmitz: Hier gibt es eine Vielzahl an Aspekten, die man im Blick haben muss. So ist beispielsweise eine Übertragung an minderjährige Kinder mit zusätzlichen gesetzlichen Hürden verbunden –  Stichworte: Ergänzungspfleger und familiengerichtliche Genehmigung. Zudem möchte man auch nach der Schenkung sicherstellen, dass das geschenkte (Unternehmens-)Vermögen in der Familie bleibt, was durch entsprechende Rückforderungsklauseln in den Schenkungsverträgen erreicht werden kann.

Regelmäßig werden in den Schenkungsverträgen auch Klauseln aufgenommen, die eine Rückabwicklung von Schenkungen ermöglichen, sofern nicht die erwartete schenkungsteuerliche Verschonung erreicht werden kann. Das Gesetz versagt eine begünstigte Übertragung von betrieblichem Vermögen, wenn bestimmte Grenzbeträge im Unternehmen nicht eingehalten werden können. Wird aufgrund von zum Schenkungsstichtag unvorhersehbaren Umständen eine Verschonung daraufhin verwehrt, kann man rückwirkend auch keine Teilverschonung mehr in Anspruch nehmen. Deshalb ist neben einer sorgfältigen Prüfung und Simulation der steuerlichen Auswirkungen im Vorfeld, beispielsweise unter Einsatz des Deloitte-Erbschaftsteuer-Navigators, auch eine genaue vertragliche Ausgestaltung erforderlich, damit das steuerliche Risiko vorab schon so gering wie möglich gehalten wird.

DB: Sie nennen das Stichwort Schenkungsstichtag. Was bedeutet das und wie würde das in der Praxis aussehen?

Schmitz: Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn das eigene Unternehmen Grundstücke nicht ausschließlich für eigene betriebliche Zwecke nutzt, sondern an fremde Dritte vermietet, so sind diese Grundstücke als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen zu beurteilen, sodass für diese Art von Betriebsvermögen keine Verschonung gewährt werden kann. Für die Beurteilung, ob schädliches Verwaltungsvermögen vorliegt, kommt es jedoch auf die Verhältnisse am Schenkungsstichtag an. Wenn der Mietvertrag im laufenden Jahr z.B. am 30.06. ausläuft und die Immobilie anschließend umgebaut und für eigenbetriebliche Zwecke genutzt werden soll, könnte der Schenkungsstichtag auf den 01.07. gelegt werden. Das Grundstück ist dann zum Schenkungsstichtag nicht mehr an fremde Dritte vermietet, sodass eine Verschonung gewährt werden könnte.

DB: Was ist ertragsteuerlich bei der Übertragung von Anteilen zu beachten?

Schmitz: Unter anderem ist darauf zu achten, dass keine Beendigung einer etwaigen Betriebsaufspaltung passiert. Wenn der Schenker seiner Gesellschaft ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück zur Nutzung überlassen hat und das ganze Unternehmen oder die Mehrheit an seinem Unternehmen verliert, kann es zu einer Beendigung der Betriebsaufspaltung kommen. Eine Folge wäre eine Besteuerung der Wertsteigerung des Grundstücks, welches meist über mehrere Jahre an das Unternehmen vermietet wurde. Zudem droht eine Versteuerung der stillen Reserven in den Geschäftsanteilen.

DB: Kann die Planung von Anteilsübertragungen Auswirkungen auf die operative Tätigkeit eines Unternehmens haben?

Schmitz: Ja, die bereits angesprochenen betriebsinternen Vermögensumschichtungen als vorbereitende Maßnahmen können spürbare Auswirkungen auf die operative Tätigkeit haben. Hier ist z.B. die Reduzierung von Finanzmitteln im Vorfeld von Schenkungen zu nennen. Diese im Vorfeld einer Schenkung vorzunehmenden Handlungen müssen in enger Abstimmung mit dem Rechnungswesen/Treasury durchgeführt werden.

DB: Was sollte man nach der Anteilsübertragung sonst noch im Auge behalten?

Schmitz: Hier gibt es tatsächlich mehrere Dinge zu beachten. Auf der einen Seite muss die nachfolgende Generation die übertragenen Anteile für eine bestimmte Zeit selbst behalten, sodass ein direkter Verkauf der Anteile oder von wesentlichen Betriebsgrundlagen zu einer Nachversteuerung führen würde. Außerdem muss auch innerhalb des Unternehmens darauf geachtet werden, dass die Löhne, die vor der Übertragung gezahlt wurden, in einem gewissen Umfang auch noch in den folgenden Jahren weitergezahlt werden. Auch hier droht eine Nachversteuerung, wenn man die Belegschaft im Unternehmen nach der Übertragung umfassend ändert, beispielsweise wenn Arbeitsplätze in nicht EU-/EWR-Staaten verlagert oder Mitarbeiter entlassen werden. Diese Regeln sind eine weitere Voraussetzung dafür, dass das betriebliche Vermögen von einer Schenkungsteuer in einem gewissen Umfang verschont wird.

DB: Gibt es auch solche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Auslandsvermögen?

Schmitz: Zunächst ist zu sagen, dass auch Auslandsvermögen von der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer erfasst wird, wenn der Schenker oder der Beschenkte einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Bei der Übertragung von Auslandsvermögen sollte beachtet werden, dass ausländische Steuern grundsätzlich bei der deutschen Schenkungsteuer angerechnet werden können. Beispielsweise kann man mit Geldschenkungen zunächst das Ausschöpfen der persönlichen Freibeträge erreichen, sodass mit der zusätzlichen Schenkung einer Auslandsimmobilie deutsche Schenkungsteuer entsteht. Auf diese Steuer kann dann die ausländische Steuer – unter gewissen Voraussetzungen und Beschränkungen – angerechnet werden. Nutzt man die Freibeträge zuvor nicht aus, bleibt die Schenkung der Immobilie in Deutschland gegebenenfalls steuerfrei und die Anrechnung von ausländischen Steuern läuft ins Leere.

DB: Wie gehen Sie vor, wenn Sie für einen Mandanten eine Nachfolgeregelung planen und umsetzen? Gerne an einem konkreten Beispiel, wenn Sie mögen!

Schmitz: Zunächst bespreche ich die aktuelle familiäre Situation mit dem Mandanten und erfrage den genauen Bestand des vorhandenen Privat- und Betriebsvermögens. In einem konkreten Fall ging es beispielsweise auch um die Frage, welche Freibeträge in welcher Höhe zur Verfügung stehen und ob Detailanalysen von z.B. betrieblichen Vermögen oder Immobilienvermögen erforderlich sind. In diesen nachfolgenden Detailanalysen ging es darum, dass man nicht begünstigtes Vermögen im Betrieb vorab identifiziert. Danach wurde auf Grundlage dieser Erkenntnisse zunächst eine Simulation der Steuerbelastung im Status quo durchgeführt. Im Anschluss erfolgte die Identifizierung von Übertragungsvarianten und die Entwicklung von Lösungsansätzen für die individuelle Vermögensübertragung, die dann zusammen mit dem Mandanten durchgesprochen wurden. Hierbei ging es auch um individuelle Präferenzen des Mandanten – beispielsweise Mitspracherecht und Sicherung der Erträge aus dem Unternehmen bis zum Tod. Im konkreten Fall wurde also die maßgeschneiderte Übertragungslösung für die Implementierung und anschließende Schenkung von Anteilen an einer Familienholdinggesellschaft identifiziert. Nachdem die Familienholdinggesellschaft implementiert wurde, habe ich zusammen mit einem Rechtsanwalt und Notar die Ausgestaltung des Schenkungsvertrages begleitet. Nach erfolgreicher Übertragung haben wir schlussendlich die erforderlichen Steuererklärungen erstellt und überwachen nun die korrekte Veranlagung durch die Finanzverwaltung.

DB: Vielen Dank für das Interview, Herr Schmitz!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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