22.09.2023

Meldung, Steuerrecht

Zur Steuerbefreiung eines Familienheims

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich in einem aktuellen Urteil mit dem Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims befasst.

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Unter den Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist der Übergang der selbstbewohnten Immobilie (das sog. Familienheim) von der Erbschaftsteuer befreit. Mit Urteil vom 12.07.2023 (3 K 14/23) hat das Niedersächsische Finanzgericht zum Umfang der Steuerbefreiung entschieden, dass nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks (oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche) nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit ist.

Darum ging es im Streitfall

Im Streitfall hatte der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben. Fünf dieser Flurstücke waren nach § 890 Bürgerliches Gesetzbuch zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt.

Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt. Die so festgestellten Werte sind dann vom für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt als sog. Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid zu übernehmen. Über die Steuerbefreiung für ein Familienheim wiederum entscheidet das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Im Streitfall gab es die Besonderheit, dass das für die Bewertung zuständige Finanzamt drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammengefasst und für diese einen Gesamtwert festgestellt hatte. In der Erläuterung des Bescheides hatte das Bewertungsfinanzamt ausgeführt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim ggf. nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus steht. So sah es auch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Es übernahm in den Erbschaftsteuerbescheid nicht den festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke und gewährte hierfür die Steuerbefreiung. Stattdessen rechnete es aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerbefreiung für den gesamten vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert (also für alle drei Flurstücke).

Bewertungskriterien für das Familienheim

Das Finanzgericht hatte sich hier mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Kriterien das Familienheim zu bewerten ist. Der BFH hat bereits mit Urteil vom 23.02.2021 (II R 29/19) ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG entweder im Sinne des BGB oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei. Im Fall des BFH kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass diese offenblieb. Betrachtet man das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, so handelt es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist (vgl. BGH-Urteil vom 14.01.2005 – V ZR 139/04).

Folgt man dem Bewertungsgesetz – auf das § 12 Abs. 3 ErbStG grundsätzlich zur Bewertung von Grundbesitz verweist –, so ist auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Bewertungsgesetz abzustellen. Die wirtschaftliche Einheit bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 Bewertungsgesetz).

Finanzgericht wählt eigenen Weg

Vorliegend traf das Finanzgericht eine Weder-noch-Entscheidung. Weder folgte es der zivilrechtlichen Sichtweise, da das mit dem Haus bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Noch folgte das Gericht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste. Das Gericht vertrat vielmehr die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte. Dies folge aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht.

Zudem sei es verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. Deswegen könne für die Steuerbefreiung nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts abgestellt werden. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen. Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das Gericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit „großem“ Familienheim profitieren von der Befreiungsvorschrift nämlich in größerem Maße als z.B. Personen mit kleiner oder keiner Immobilie, weil die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht die Revision zugelassen (BFH-Az. II R 27/23).


FG Niedersachsen vom 20.09.2023 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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