Problemaufriss
Von zentraler Bedeutung für den Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft ist, ob diese als umsatzsteuerliche Unternehmerin i.S. des § 2 UStG gilt. Die Unternehmereigenschaft setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit voraus. Eine reine Finanzholding, deren Zweck sich auf das Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen beschränkt, ist keine umsatzsteuerliche Unternehmerin und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Greift die Holding unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften ein (sog. Führungs- oder Funktionsholding), wird sie dadurch unternehmerisch tätig. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass ein solcher Eingriff keine besondere Qualität aufweisen muss. Die entgeltliche Erbringung von z.B. administrativen, finanziellen, kaufmännischen oder technischen Dienstleistungen stellt bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Für sog. gemischte Holdings, die nur gegenüber einigen ihrer Beteiligungsgesellschaften entgeltlich tätig werden, hat für Zwecke des Vorsteuerabzugs eine Aufteilung in einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich zu erfolgen.
Vorsteuerabzugsrecht bei Führungs- oder Funktionsholdings
Der Umfang des Vorsteuerabzugs von Führungs- oder Funktionsholdings war lange umstritten. Der BFH vertrat die Auffassung, dass ein Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig sei, wie die Holding gegenüber ihren Tochtergesellschaften entgeltlich tätig wird. Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Halten und Verwalten der Beteiligungen berechtigten nicht zum Vorsteuerabzug. Demgemäß musste eine Aufteilung von Eingangsleistungen auf den unternehmerischen bzw. nichtunternehmerischen Bereich erfolgen. Im Jahr 2015 verwarf der EuGH diese „Sphärentheorie“ bei reinen Führungs- oder Funktionsholdings. In der Rs. Larentia + Minerva und Marenave (Urteil vom 16.07.2015 – C-108/14, C-109/14) entschied er, dass einer Holdinggesellschaft, die gegenüber sämtlichen Tochtergesellschaften entgeltlich tätig wird, ein vollumfängliches Vorsteuerabzugsrecht aus Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen zusteht. Eine Aufteilung der Kosten aus Eingangsleistungen war bei solchen Holdings danach nicht mehr erforderlich.
EuGH urteilt nun zum sog. Vorschaltmodell bei Holdinggesellschaften
In einem aktuellen Urteil vom 08.09.2022 (C-98/21) hatte der EuGH darüber zu entscheiden, ob die vorgenannten Grundsätze zum Vorsteuerabzug einer Führungs- oder Funktionsholding auch im sog. „Vorschaltmodell“ gelten und ob es sich hierbei um einen Gestaltungsmissbrauch handelt. Bei dem Vorschaltmodell wird eine Holding derart in den Leistungsbezug ihrer Tochtergesellschaften „zwischengeschaltet“, dass sie Leistungen, für die den Tochtergesellschaften bei unmittelbarem Leistungsbezug kein Recht auf Vorsteuerabzug zustünde, selbst bezieht, hieraus einen Vorsteuerabzug geltend macht und anschließend als Gesellschafterbeitrag einlegt.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt erbrachte eine Holdinggesellschaft (GmbH) entgeltliche Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen an ihre Töchtergesellschaften. Außerdem kaufte sie Dienstleistungen von anderen Unternehmen ein, welche sie unentgeltlich als Gesellschafterbeitrag in ihre Tochtergesellschaften einlegte. Diese Leistungen wurden von den Tochtergesellschaften für deren eigene steuerfreie Ausgangsleistungen benötigt. Der von der GmbH geltend gemachte Vorsteuerabzug aus den als Gesellschafterbeitrag eingebrachten Eingangsleistungen war Gegenstand des aktuellen Verfahrens beim EuGH.
EuGH verwirft Recht auf Vorsteuerabzug
Der EuGH hat entschieden, dass im vorliegenden Fall ein Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen für die Gesellschafterbeiträge durch die GmbH nicht zulässig ist. Die Eingangsleistungen stehen in keinem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der GmbH. Sie gehören auch nicht zu den allgemeinen Aufwendungen der Gesellschaft, welche als Kostenelemente in die von ihr erbrachten Dienstleistungen einfließen, sodass kein wirtschaftlicher und zum Vorsteuerabzug berechtigender Zusammenhang mit der Gesamttätigkeit der GmbH besteht. Der EuGH stellt bei seiner Entscheidung fest, dass die Eingangsleistungen ihren Entstehungsgrund in der unentgeltlichen Leistung des Gesellschafterbeitrags haben. Hieraus ergibt sich eine Zuordnung zum nicht unternehmerischen Bereich des Erwerbens, Haltens oder Veräußerns von Beteiligungen, für den ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Zudem stellt der EuGH einen direkten Zusammenhang mit den steuerfreien Ausgangsumsätzen der Tochtergesellschaften fest, woraus sich ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Tätigkeiten der GmbH ebenfalls ausschließen lässt.
Fazit
Vor dem Hintergrund des aktuellen EuGH-Urteils stellt das sog. Vorschaltmodell bei Holdingstrukturen zukünftig kein geeignetes Gestaltungsmittel mehr dar, um einen bei der Tochtergesellschaft ausgeschlossenen Vorsteuerabzug durch Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft in Anspruch zu nehmen.
Sein Urteil begründet der EuGH zum einen damit, dass die Kosten aus den Eingangsleistungen im Gesellschafterbeitrag begründet sind und somit nicht mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding zusammenhängen. Dies wirft die Frage auf, ob hierin eine Abkehr des EuGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zu sehen ist und zukünftig wieder eine Trennung des wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Bereichs von reinen Führungs- oder Funktionsholdings erforderlich wird. Der Generalanwalt Pitruzzella geht hierauf in seinem Schlussantrag vom 03.03.2022 näher ein als der EuGH. Nach seiner Auffassung unterscheidet sich der aktuelle Urteilsfall von dem der bisherigen Rechtsprechung dadurch, dass der frühere Sachverhalt solche Kosten betraf, welche mit dem Beteiligungserwerb an den Tochtergesellschaften einhergingen, die der Holdinggesellschaft tatsächlich zugutekamen (z.B. Rechtsberatungsleistungen).
Zum anderen argumentiert der EuGH, dass die Eingangsleistungen direkt und unmittelbar mit den steuerfreien Ausgangsumsätzen der Töchtergesellschaften zusammenhängen. Hier stellt sich die Frage, ob der EuGH anders entschieden hätte, wenn die Tochtergesellschaften umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze erbracht hätten und somit grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wären.
Die Frage, ob es sich bei dem von den Parteien gewählten Modell um einen Fall des Gestaltungsmissbrauchs handelt, wird vom Generalanwalt Pitruzzella bejaht. Der EuGH lässt diese Frage jedoch unbeantwortet.