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25.08.2022

Steuerboard

Grunderwerbsteuer: Wann sind Grundstücke einer Untergesellschaft der Obergesellschaft zuzuordnen?

Wenn in mehrstufigen Unternehmensstrukturen in Deutschland belegener Grundbesitz vorhanden ist und Gesellschaftsanteile bewegt werden sollen, ist regelmäßig die Grunderwerbsteuer ein Knackpunkt bei den Strukturierungsüberlegungen. Die Antwort auf die Frage, wann ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“, ist dann entscheidend dafür, ob und in welchem Umfang Grunderwerbsteuer anfällt. In diesem Kontext hat der BFH entschieden, dass ein Grundstück der Untergesellschaft einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich nur dann zuzurechnen ist, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat (Urteil vom 01.12.2021 – II R 44/18).

Grunderwerbsteuer: Wann sind Grundstücke einer Untergesellschaft der Obergesellschaft zuzuordnen?

RAin/StBin Dr. Lisa Riedel
Prokuristin bei Dornbach, Bonn

Vereinfachter Sachverhalt

Die Klägerin war eine KG in einer mehrstöckigen Unternehmensstruktur (Obergesellschaft). Sie hielt 100% der Aktien an der X-AG (Untergesellschaft). Die X-AG war zivilrechtliche Eigentümerin von inländischem Grundbesitz. Alleiniger Kommanditist der obersten Personengesellschaft in der Struktur war ursprünglich A.

Im Jahr 2011 trat A die von ihm gehaltenen Kommanditanteile an der obersten KG vollständig an eine Personengesellschaft ab. Damit wurde die Beteiligungskette um eine weitere Personengesellschaft erweitert. Im Jahr 2013 führte die Unternehmensgruppe unter anderem folgende Strukturmaßnahmen durch: Die Obergesellschaft veräußerte 5,1% der Anteile an der X-AG. Zudem wurde die Obergesellschaft im Wege des Formwechsels in eine KGaA umgewandelt.

Streitig war, ob die Grundstücke der Untergesellschaft (X-AG) der Obergesellschaft grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sind mit der Folge, dass die Abtretung der Kommanditanteile im Jahr 2011 gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG a. F. steuerbar war und die Strukturmaßnahmen im Jahr 2013 zu einem Sperrfristverstoß i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. führten.

Entscheidung des BFH

Der BFH ist der Ansicht, dass die Abtretung der Kommanditanteile im Jahr 2011 nicht i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG a.F. steuerbar war. Die Strukturmaßnahmen bei der KG könnten somit keinen Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a. F. begründen. Grund dafür ist nach Auffassung des BFH, dass der zivilrechtlich von der Untergesellschaft gehaltene Grundbesitz der Obergesellschaft nicht grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Maßgebend für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG sei, dass zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehöre und sich der Gesellschafterbestand dieser Personengesellschaft im Betrachtungszeitraum von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändere, dass mindestens 95% der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a GrEStG a.F.). Ob ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehöre, richte sich dabei nicht nach Zivilrecht oder der Regelung des § 39 AO, sondern nach der grunderwerbsteuerlichen Zurechnung. Hierfür müsse der Gesellschaft das Grundstück im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sein.

Für die mehrstöckige Struktur folgte nach Ansicht des BFH für den Streitfall hieraus: Das Grundstück der Untergesellschaft sei der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG erworben habe. Dies sei hinsichtlich der zivilrechtlich von der Untergesellschaft gehaltenen Grundstücke nicht der Fall gewesen, da die Obergesellschaft in Bezug auf diese Grundstücke vor der Abtretung der Kommanditanteile im Jahr 2011 keinen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG verwirklicht habe. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führe nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft. Gleiches gelte hinsichtlich der Mehrheitsbeteiligung der Obergesellschaft an der Untergesellschaft. Eine Mehrheitsbeteiligung allein führe nicht dazu, dass der Obergesellschaft auch das Grundvermögen der Untergesellschaft zuzurechnen sei.

Fazit

Mit dem Urteil führt der II. Senat des BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Zurechnung von Grundstücken fort. Auch die Finanzverwaltung geht in den jüngsten Fassungen ihrer gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022 (BStBl. I 2022 S. 801 und 821, jeweils Tz. 3) davon aus, dass ein Grundstück zum Vermögen der Gesellschaft gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist.

Zu beachten ist, dass die Entscheidung zur Grundstückszurechnung bezüglich des Tatbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG ergangen ist. Die Thematik der Grundstückszurechnung in mehrstufigen Strukturen ist damit noch nicht abschließend geklärt. Im Revisionsverfahren II R 33/20 wird der BFH voraussichtlich noch entscheiden, welche Grundsätze beim Tatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG gelten sollen, insbesondere ob hier ebenso die eigene Verwirklichung eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erforderlich ist oder aber ob die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft zur Tatbestandsverwirklichung ausreicht (Vorinstanz: FG Hessen vom 30.09.2020 – 5 K 2390/17).

Offen ist zudem noch, ob in einer mehrstöckigen Beteiligungsstruktur auch eine mehrfache grunderwerbsteuerliche Zurechnung desselben Grundstücks zu mehreren Gesellschaften möglich ist. Folge wäre, dass bei Anteilsbewegungen auf oberen Ebenen hinsichtlich eines Grundstücks mehrfach Grunderwerbsteuer ausgelöst werden könnte, etwa durch Verwirklichung von § 1 Abs. 2a GrEStG auf Ebene der Obergesellschaft und § 1 Abs. 2b GrEStG auf Ebene der Untergesellschaft. Ein solches Ergebnis wäre unlogisch und nicht sachgerecht. Nach Ansicht der Finanzverwaltung (BStBl. I 2022 S. 801 und 821, jeweils Tz. 7) sind beide Vorschriften allerdings gleichrangig anzuwenden.


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