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27.04.2022

Steuerboard

Besteuerung von Kryptowährungen im Privatvermögen – die neuesten Entwicklungen im Ertragsteuerrecht

Kryptowährungen haben in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung erfahren und genießen insbesondere seit der Einführung der sog. Bitcoins im Jahr 2009 eine hohe Publizität. Insbesondere die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kryptowährungen sowie der Umstand, dass diese großen Wertschwankungen unterliegen, erschweren die steuerliche Beurteilung. In Fortführung an einen früheren Beitrag in diesem Zusammenhang (vgl. Hötzel, HB Steuerboard vom 20.05.2021) zeigt dieser Beitrag, was sich aus steuerlicher Sicht (zumindest) im Hinblick auf die herkömmlichen Kryptotoken wie z.B. Bitcoins seitdem getan hat, insbesondere wie sich die Auffassung der Finanzverwaltung bzw. der Literatur zu diesem Thema entwickelt hat.

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StB Korbinian Wintermeier, LL.M.
Counsel bei POELLATH, München

Bestandsaufnahme zur ertragsteuerlichen Behandlung durch die Finanzverwaltung

Bereits in früheren Erlassen bzw. Beschlüssen (vgl. OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.04.2018, DB 2018 S. 1185; FG Berlin-Brandenburg vom 20.06.2019, BB 2020 S. 176) hat die Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, dass es sich bei Kryptowährungen um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt und demzufolge Veräußerungsgewinne aus dem privaten Handel hieraus den sog. (steuerpflichtigen) privaten Veräußerungsgeschäften i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG zugerechnet werden müssen, soweit die übrigen Voraussetzungen der Norm vorliegen. Diese Einordnung beruht auf dem Verständnis, dass die BaFin Bitcoins und (herkömmliche) Kryptotoken (Token ist ein Oberbegriff für virtuelle Werteinheiten) als Rechnungseinheit i.S.d. § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 7 KWG qualifiziert hat. Da diese Recheneinheiten mit Devisen vergleichbar sind, gelten für den Kauf und Verkauf von (herkömmlichen) Kryptowährungen dieselben Grundsätze, die auch für den Handel von Fremdwährungsgeschäften maßgeblich sind.

Daraus folgt, dass die Anschaffung und Veräußerung von Bitcoins und (herkömmlichen) Kryptowährungen (Bitcoins, Token) ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Verlängerung der Spekulationsfrist

Kontrovers wurde in der Literatur in diesem Zusammenhang diskutiert, ob sich die Frist auf zehn Jahre verlängert, wenn Kryptowährungen u.a. entgeltlich verliehen werden (sog. Lending). Für Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, aus deren Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr Einkünfte erzielt werden, erhöht sich die Spekulationsfrist gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG von einem auf zehn Jahre. Maßgeblich ist also die Überlegung, ob mit der entsprechenden Kryptowährung Einkünfte erzielt werden.

Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur ist aber der Auffassung, dass es hierbei nicht zu einer Verlängerung der Haltefrist kommt. Beim sog. Lending werden regelmäßig keine Einkünfte aus der Kryptowährung selbst erzielt, sondern aus dem separat zu betrachtenden Verleihgeschäft. Als Argumentationsgrundlage wird hier gerne die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern herangezogen, wonach bei verzinslich angelegen Fremdwährungsguthaben eine Verlängerung der Spekulationsfrist nicht eingreift, weil die erzielten Zinsen nicht Ausfluss des Wirtschaftsguts „Fremdwährungsguthaben“ sind, sondern aus der entgeltlichen Kapitalforderung resultieren (vgl. LfSt Bayern vom 10.03.2016 – S 2256.1.1 – 6/6 St 32).

Da Kryptowährungen lt. Finanzverwaltung und der BaFin den Devisen vergleichbar sind, kann diese Fundstelle sicherlich als valides Argument gegen eine Verlängerung der Spekulationsfrist herangezogen werden (vgl. auch Heuel/Matthey, NWB 2018 S. 1042 f;).

Fehlender Anschaffungsvorgang

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es an einer Anschaffung fehlt, wenn die (herkömmlichen) Kryptowährungen durch sog. Mining selbst erzeugt wurden. D.h. in diesem Fall unterliegen spätere Veräußerungen nicht den Regelungen des § 23 EStG, da kein vorgelagerter Anschaffungsvorgang vorliegt.

Einsatz von Kryptowährung

Sofern erworbene Kryptotoken als Zahlungsmittel eingesetzt werden (z.B. Tausch in andere Kryptowährung, Umtausch in Euro oder Einkauf im Internet) liegen lt. Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig, unter Berücksichtigung der zeitlichen Komponente, die Voraussetzungen für ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor (vgl. auch FinMin. Hamburg vom 11.12.2017 – S 2256 – 2017/003-52, DB 2018 S. 159).

Fehlen einer qualifizierten Beantwortung durch die Finanzgerichtsbarkeit bzw. den BFH

Während das BMF für die umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoins und anderen sog. virtuellen Währungen nach dem Urteil des EuGH vom 22.10.2015 – Rs. C-264/14, Hedqvist, das BMF-Schreiben vom 27.02.2018 erlassen hat und damit eine gewisse Rechtssicherheit im Hinblick auf die Umsatzsteuer eingetreten ist, gab es für Fragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen lange keine neueren Ausführungen des BMF. Diese Unsicherheit führte dazu, dass die Frage zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen schlussendlich die Finanzgerichte erreichte.

Hierzu hatte unter anderem für die Frage der Steuerbarkeit bei Veräußerung von Bitcoins das FG Berlin-Brandenburg entschieden (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 20.06.2019 – 13 V 13100/19, DStRE 2019 S. 1329), dass Bitcoins als (immaterielle) Wirtschaftsgüter einzuordnen sind und die Veräußerung ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft unter den genannten Voraussetzungen i.S.v. § 23 EStG auslösen kann. Demgegenüber hatte das FG Nürnberg erhebliche Zweifel an der Steuerpflicht von Kryptowährungen (vgl. FG Nürnberg vom 08.04.2020 – 3 V 1239/19, DStRE 2020 S. 758), da insbesondere durch den BFH nicht geklärt ist, ob eine konkrete Kryptowährung ein (immaterielles) Wirtschaftsgut darstellen und mithin ihr An- und Verkauf nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG einen Besteuerungstatbestand erfüllen kann. Im Wesentlichen verlangt das FG für die Frage der Steuerbarkeit eine exakte Einordnung/Qualifizierung der Kryptowährung, da man nicht per se die Eigenschaft als (immaterielles) Wirtschaftsgut bei mehr als 5.000 existenten Kryptowährungen bejahen kann.

Entwurf zu einem BMF-Schreiben vom 17.06.2021

Mit dem vorgenannten Entwurf versucht das BMF die vielen (steuerlichen) Einzelfragen, die sich im Zusammenhang mit Kryptowährungen ergeben, auf Basis bisher gewonnener Erkenntnisse im ersten Schritt (technisch) zu klassifizieren bzw. einzuordnen (d.h. insbesondere Erläuterung von virtueller Währung, Token, Blockchain sowie Erwerb von Einheiten einer virtuellen Währung durch Mining oder Tausch), um im zweiten Schritt dann ausführlich eine entsprechende ertragsteuerliche Beurteilung vorzunehmen.

Nach dem Entwurf des vorgenannten BMF-Schreibens beschränkt die Finanzverwaltung die Einkunftserzielungsmöglichkeiten auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (§ 19 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) und den sonstigen Einkünften, hier insbesondere die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, auf welche in diesem Beitrag das Hauptaugenmerk liegen soll.

Ertragsteuerliche Behandlung aus privaten Veräußerungsgeschäften

In dem Entwurfschreiben bestätigt das BMF die herrschende Auffassung in der Literatur / überwiegend bis dato ergangene Rechtsprechung, wonach Einheiten einer virtuellen Währung als „anderes Wirtschaftsgut“ i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen sind. Begründet wird dies damit, dass sich der Erwerber zur Erlangung der Kryptowährung etwas kosten lässt und die Kryptowährung demzufolge mittels eines über Börsen ermittelbaren Marktpreises einer selbstständigen Bewertung zugänglich ist.

Daraus folgt aber auch, dass die Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften qualifiziert, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Auf Anfrage der FDP (BT-Drucks. 19/28573 vom 15.04.2021) wird auch von der Bundesregierung insoweit keine andere Auffassung vertreten bzw. eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen angestrebt.

Anders als bisher überwiegend in der Literatur vertreten, verlängert sich lt. BMF die Veräußerungsfrist auf zehn Jahre, wenn Einheiten einer virtuellen Währung als Einkunftsquelle genutzt werden und zumindest in einem Kalenderjahr hieraus Einkünfte erzielt worden sind. Eine Nutzung als Einkunftsquelle ist demnach anzunehmen, wenn Einheiten einer virtuellen Währung im Wege des sog. Lending gegen Entgelt überlassen werden.

Ausblick

Angesichts der Vielfalt an Kryptowährungen und deren unterschiedliche technische Ausgestaltung (jede Kryptowährung kann in ihrer Programmierung und Wirkungsweise unterschiedlich aufgebaut sein) kann eine „pauschale“ steuerliche Beurteilung m.E. nicht vorgenommen werden. In jedem Fall sollte sich die jeweilige Kryptowährung im Einzelnen angeschaut werden und davon die steuerliche Beurteilung abhängig gemacht werden.

Der vorgenannte Entwurf des BMF ist eine (erste) hilfreiche Anleitung für den Steuerpflichtigen bzw. die steuerberatenden Berufe, um den Erwerb, den Handel und die Veräußerung von Kryptowährungen steuerlich greifbarer zu machen.

Da sich das besagte BMF-Schreiben aber immer noch im Entwurf befindet und derzeit die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wird die Diskussion über eine Steuerbarkeit bzw. Nichtsteuerbarkeit von Kryptowährungen nicht beendet sein.

Abschließend sollte zumindest das endgültige Schreiben des BMF abgewartet werden, da nur dieses Bindungswirkung für die Finanzverwaltung entfaltet


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