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28.03.2022

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Erbschaftsteuerliche Begünstigung für ein Familienheim auch bei Zuerwerben?

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG wird der Erwerb eines Familienheims von Todes wegen durch Kinder von der Erbschaftsteuer freigestellt, soweit dieses vom Erwerber unverzüglich bewohnt wird und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Mit Urteil vom 06.05.2021 hatte der BFH zu der Frage Stellung genommen, ob eine hinzuerworbene Wohneinheit (Doppelhaushälfte), die an der selbstgenutzten Doppelhaushälfte des Erwerbers angrenzt, ein begünstigtes Familienheim i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist, wenn die beiden Wohneinheiten nach dem Zuerwerb miteinander verbunden und vom Erwerber bewohnt werden.

Erbschaftsteuerliche Begünstigung für ein Familienheim auch bei Zuerwerben?

StB/Dipl.-Kfm. Ricardo Fischnaler, LL.M.
Partner und Christoph Samen, LL.B., Professional bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Köln

Sachverhalt

Der Kläger ist Alleinerbe seines im Jahr 2013 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass des Vaters gehörte eine von ihm bis zu seinem Tod bewohnte und selbst genutzte Doppelhaushälfte. Der Kläger bewohnte zum Todeszeitpunkt bereits seit mehreren Jahren die angrenzende Doppelhaushälfte. Nach dem Tod seines Vaters renovierte und sanierte der Kläger die Wohneinheiten. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten waren die Wohneinheiten miteinander verbunden und der Kläger bewohnte beide Doppelhaushälften fortan seit Mitte 2016.

Im Rahmen der Veranlagung lehnte das beklagte Finanzamt die vom Kläger begehrte Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für die von Todes wegen hinzuerworbene Doppelhaushälfte ab. Dabei führte das Finanzamt im Wesentlichen an, dass die für die Begünstigungsgewährung erforderliche unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke nicht vorliege. Es bestünden zwar keine Zweifel, dass der Kläger die hinzuerworbene Doppelhaushälfte zu eigenen Wohnzwecken nutzen wollte. Allerdings erfolgte die Selbstnutzung nicht innerhalb von sechs Monaten. Die deutliche Verzögerung des Einzugs war in den Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen begründet, die allerdings im Verantwortungs- und Einflussbereich des Steuerpflichtigen gewesen sei. Im Ergebnis haben die Maßnahmen aus Sicht der Finanzverwaltung schuldhaft zu viel Zeit in Anspruch genommen. Im Übrigen habe er die Wohnung seines verstorbenen Vaters erst nach Ablauf von sechs Monaten entrümpelt, sodass es an der unverzüglichen Inanspruchnahme fehle.

Der Kläger argumentierte hingegen, dass auf einen klassischen und taggenauen „Einzug“ in die hinzuerworbene Einheit nicht abgestellt werden könne. Vielmehr habe er durch die anfängliche Mitbenutzung des Gartens und die Nutzung einiger Räume der erworbenen Doppelhaushälfte als Lager die Selbstnutzung sukzessive aufgenommen und dadurch die Bestimmung zur Eigennutzung zum Ausdruck gebracht.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH gilt die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG grundsätzlich auch für den Zuerwerb einer Wohneinheit, die räumlich an die vom Erwerber bereits selbst genutzte Wohnung angrenzt, wenn nach dem Erwerb beide Einheiten zu einer einheitlichen selbst genutzten Wohnung verbunden werden. Dies gelte unter bestimmten Maßgaben.

1 .Wohnungsgröße

Die von der Begünstigungsnorm vorgegebene 200 m²-Grenze sei dabei lediglich auf den hinzuerworbenen Teil und nicht auf die verbundene Gesamteinheit anzuwenden. Dies ergäbe sich bei wortgetreuer Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, da dieser allein auf die Größe der „erworbenen“ Wohneinheit abstellt.

2. Erfordernis des Lebensmittelpunkts

Für die Inanspruchnahme der Begünstigung sei Voraussetzung, dass der Erwerber tatsächlich in die hinzuerworbene Einheit einzieht. Eine zwischenzeitliche Nutzung als Lager bzw. die gelegentliche Nutzung des Gartens, Balkons, Kellers oder Dachbodens ist nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es der tatsächlichen Nutzung zu eigentlichen Wohnzwecken, da der Begriff des Familienheims erfordert, dass der Nutzer dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat.

3. Maßnahmen zur unverzüglichen Selbstnutzung

Der Erwerber muss das Familienheim unverzüglich selbst nutzen. Die unverzügliche Selbstnutzung setzte voraus, dass der Erwerber innerhalb von sechs Monaten in die erworbene Wohneinheit einzieht. Sollten vor einem Einzug Renovierungsarbeiten nötig sein, so muss der Erwerber alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um einen zeitnahen Einzug zu fördern. Je größer der Abstand zwischen Erbfall und Einzug ist, desto höher sind die Anforderungen an die Beweislast zur Angemessenheit der Einzugsverzögerung. Ein unverhältnismäßiger Aufwand zur zeitlichen Beschleunigung ist jedoch nicht gerechtfertigt. So sei eine nach dem Erwerb unverzüglich in Auftrag gegebene Sanierung, die z.B. aufgrund von zeitlichen Hindernissen auf Seiten des Beauftragten zu einem verzögerten Einzug führt, nicht dem Erwerber anzulasten. Die zeitnahe Entrümpelung der hinzuerworbenen Einheit stelle grundsätzlich ein Indiz für eine unverzügliche Selbstnutzungsabsicht des Steuerpflichtigen dar.

Bedeutung für die Praxis

Aus Sicht der Steuerpflichtigen ist das Urteil des BFH zu begrüßen. Einerseits ist nach Ansicht des BFH auch für einen Zuerwerb einer Wohneinheit die Steuerbegünstigung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG grundsätzlich zu gewähren. Anderseits konkretisiert der BFH die Anforderungen, die für eine Steuerbefreiung zu erfüllen sind. Auch wenn es sich um strenge Anforderungen handelt, sind sie für die Praxis zur Orientierung sehr hilfreich. In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass der Erwerber die geplante Selbstnutzung des Familienheims dem Finanzamt unverzüglich schriftlich mitteilt und etwaige Verzögerungen durch Nachweise belegt.

Es sollte davon ausgegangen werden können, dass die Grundsätze dieses Urteils auf den steuerfreien Erwerb eines Familienheims durch einen Ehepartner nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG übertragbar sind. In einem weiteren Verfahren wird sich der BFH zeitnah abermals mit der Steuerbefreiung eines selbstgenutzten Familienheims befassen müssen (Az: II R 6/21). Konkret geht es hier um die Streitfrage, ob die Steuerbefreiung auch dann zu gewähren ist, wenn der Erbe das Objekt erst nach einer längeren Renovierungsphase bezieht.


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