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09.02.2022

Steuerboard

Erlassbescheide im Rahmen der Verschonungs-bedarfsprüfung nach § 28a ErbStG – vor unklaren Nebenbestimmungen wird gewarnt!

Seit Jahresbeginn 2022 werden durch die Finanzverwaltung erstmals Erlassbescheide im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG erteilt. Hier sollte besonderes Augenmerk auf die Nebenbestimmungen im Erlassbescheid gelegt werden, da Säumniszuschläge möglicherweise rückwirkend entstehen.

Erlassbescheide im Rahmen der Verschonungs-bedarfsprüfung nach § 28a ErbStG – vor unklaren Nebenbestimmungen wird gewarnt!

RA/StB Dr. Martin Liebernickel
, Partner bei POELLATH, Frankfurt/M.

 

 

Verschonungsbedarfsprüfung

nach § 28a ErbStG

Übersteigt der Erwerb begünstigten Vermögens die Schwelle von 26 Mio. €, liegt ein sogenannter Großerwerb vor. Dabei werden alle innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallenden Erwerbe zusammengerechnet (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Bleibt der Großerwerb unter einer gesetzlichen Grenze von 90 Mio. € (§ 13c Abs. 1 Satz 2 ErbStG), hat der Erwerber die Wahl zwischen dem Abschmelzmodell des § 13c ErbStG und der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG. Beträgt der Großerwerb 90 Mio. € und mehr, kommt nur noch die Verschonungsbedarfsprüfung in Betracht. Der Steuerpflichtige beantragt dann, ihm die auf das übertragene begünstigte Vermögen entfallende Erbschaftsteuer zu erlassen, soweit diese nicht mit seinem sogenannten verfügbaren Vermögen beglichen werden kann. Das zur Steuerzahlung einzusetzende verfügbare Vermögen besteht aus der Hälfte des aktuell miterworbenen nicht begünstigten Vermögens, der Hälfte des beim Erwerber bereits vorhandenen nicht begünstigten Vermögens sowie der Hälfte des nicht begünstigten Vermögens, das der Erwerber innerhalb der nächsten zehn Jahre durch Schenkung oder von Todes wegen erhält (auch von Dritten!), das dann nachträglich zur Erbschaftsteuerzahlung einzusetzen ist. Der für die Gewährung des Steuererlasses nach § 28a ErbStG notwendige Antrag des Erwerbers sollte bereits im Rahmen der entsprechenden Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuererklärung gestellt werden und kann zu einem teilweisen oder vollständigen Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer führen. Bislang wurden soweit ersichtlich keine Erlassbescheide nach § 28a ErbStG erteilt (vgl. dazu Liebernickel, Steuerboard vom 30.11.2018). Dies scheint sich nunmehr geändert zu haben. Allerdings müssen die Nebenbestimmungen (also das „Kleingedruckte“) in diesen Erlassbescheiden einer kritischen Würdigung unterzogen werden. So ist u.a. aktuell folgende Nebenbestimmung in einem Erlassbescheid enthalten:

„Die infolge des Steuererlasses zunächst erloschene Steuer lebt im Falle des Widerrufs mit Wirkung vom ursprünglichen Fälligkeitstag an insoweit wieder auf. Sie ist nach Bekanntgabe des Widerrufs sofort zu zahlen und ohne Mahnung vollstreckbar. Für jeden angefangenen Monat der verspäteten Zahlung ist zudem ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 AO).“

Schädliches Ereignis § 28a Abs. 4 ErbStG

Der Erlass nach § 28a ErbStG steht unter der auflösenden Bedingung des Eintritts eines Ereignisses gemäß § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 6 ErbStG. Der Erlassbescheid wird dahingehend unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO erlassen (§ 28a Abs. 4 Satz 2 ErbStG). Der Eintritt eines schädlichen Ereignisses i.S.v. § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ist dem zuständigen Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzamt schriftlich anzuzeigen (§ 28a Abs. 5 ErbStG). Die Anzeigefrist beträgt im Fall der Unterschreitung der Mindestlohnsummen innerhalb der Lohnsummenfrist von sieben Jahren nach dem Erwerb (§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ErbStG) sechs Monate nach Ablauf der Lohnsummenfrist. Im Fall eines Verstoßes gegen die Behaltensbedingungen innerhalb der Behaltensfrist (§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ErbStG) sowie eines schädlichen Nacherwerbs durch Schenkung oder Erwerb von Todes wegen innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ErbStG) beträgt die Anzeigefrist einen Monat nach der Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands.

Widerrufsfolgen

Im Fall eines schädlichen Ereignisses i.S.d. § 28a Abs. 4 ErbStG erfolgt ein ganz oder teilweiser Widerruf des Erlassbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 28a Abs. 4 Satz 3 ErbStG). Nach der Gesetzesbegründung zu § 28a ErbStG entfällt mit dem Widerruf kraft Gesetzes rückwirkend die Erlöschenswirkung des Erlasses (§ 47 AO). Die Widerrufsregelung verdränge insoweit § 131 Abs. 2 AO, der den Widerruf eines (im Zeitpunkt seines ursprünglichen Ergehens) rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts nur mit Wirkung für die Zukunft zulässt.

Säumniszuschlag

Unklar erscheint, auf welchen Zeitpunkt sich die Berechnung eines möglichen Säumniszuschlags bezieht. Grundsätzlich ist für jeden angefangenen Monat einer verspäteten Zahlung ein Säumniszuschlag von 1% des jeweils rückständigen Steuerbetrags angeordnet (§ 240 AO).

Nach dem Wortlaut des § 240 Abs. 1 AO folgen Säumniszuschläge grundsätzlich dem Fälligkeitstag der Steuer. Da diese vom ursprünglichen Fälligkeitstag an wiederauflebt, wäre für jeden angefangenen Monat seit diesem Zeitpunkt ein Säumniszuschlag von 1% der ursprünglich erlassenen Steuer festzusetzen. Bei einem schädlichen Nacherwerb zum Ende der zehnjährigen Nacherwerbsfrist (§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ErbStG) wäre damit nach Bekanntgabe des Widerrufs möglicherweise ein Säumniszuschlag von

120%

des ursprünglich erlassenen Steuerbetrags anzusetzen. Dies würde zu unverhältnismäßigen, wohl nicht beabsichtigten Härten führen.

Selbst wenn mit der aktuellen Rechtsprechung des BFH eine Aussetzung der Vollziehung in hälftiger Höhe des Säumniszuschlags zu gewähren ist (BFH vom 26.5.2021 – VII B 13/21) könnte im Einzelfall weiterhin ein wohl unbilliges Ergebnis vorliegen. Denkbar wäre dann noch ein Billigkeitsverfahren nach § 227 AO.

Angemessener erscheint die Bemessung des Säumniszuschlags ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerrufsbescheids.

Erneuter Antrag nach § 28a Abs. 1 ErbStG

Darüber hinaus ist nicht geregelt, wie die Veranlagung eines erneuten Antrags auf Verschonungsbedarfsprüfung nach Widerruf eines zuvor ergangenen Erlassbescheides zeitlich erfolgt. Im Fall eines schädlichen Ereignisses nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 bis 6 ErbStG kann der Erwerber einen erneuten Antrag nach § 28a Abs.1 ErbStG stellen.

Infolge des Widerrufs aufgrund eines schädlichen Ereignisses wäre die ausstehende Steuer sofort zu zahlen und ohne Mahnung vollstreckbar. Darüber hinaus wäre der Säumniszuschlag festzusetzen. Bei darauffolgender Erteilung eines weiteren Erlassbescheides infolge des erneuten Antrags auf Verschonungsbedarfsprüfung würde die gezahlte Steuer möglicherweise jedoch wieder (teilweise) erlassen. Ein solches Zahlungskarussell ist wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers. Wie in der Zwischenzeit und nach Bekanntgabe oder Ablehnung des erneuten Erlassbescheids mit Säumniszuschlägen verfahren wird, bleibt abzuwarten.

Bei einem schädlichen Nacherwerb (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ErbStG) treffen die Anzeigepflicht und das Recht auf einen erneuten Antrag nach § 28a Abs. 1 ErbStG zusammen, sodass diese grundsätzlich gleichzeitig erklärt werden könnten. Ein schädlicher Nacherwerb ist jedoch innerhalb eines Monats anzuzeigen, wobei ein erneuter Antrag nach § 28a Abs. 1 ErbStG regelmäßig erst im Rahmen der Erklärung des Nacherwerbs erfolgen können wird, was der gleichzeitigen Anzeige des Nacherwerbs und Neubeantragung der Verschonungsbedarfsprüfung zumindest in komplexen Nacherwerbsfällen entgegensteht. Besteht der Nacherwerb z.B. aus Unternehmensvermögen, muss ggf. erst aufwendig ermittelt werden, welcher Teil davon nicht begünstigt und damit zum Nacherwerb zu zählen ist.

Fazit

Bis die dargestellten Friktionen im Rahmen eines Nacherwerbs nach § 28a ErbStG nicht durch die Finanzverwaltung klargestellt werden, bleibt zu hoffen, dass die Finanzämter mit Augenmaß vom Mittel des Widerrufs eines Erlassbescheides Gebrauch machen werden. Dem Steuerpflichtigen und seinem Berater ist zu empfehlen, die jetzt ergehenden Erlassbescheide und ihre Nebenbestimmungen einer genauen Prüfung zu unterziehen und im Zweifel Einspruch dagegen einzulegen.


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