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26.05.2021

Steuerboard

Die Kosten der Pandemie – müssen die Reichen für die Krise zahlen?

Den Herausforderungen der Corona-Pandemie wurde steuerpolitisch durch Corona-Steuerhilfegesetze und eine erhöhte Verschuldung der öffentlichen Haushalte begegnet. Zwischen den Steuermindereinnahmen und der neuen Verschuldung zur Bekämpfung der Pandemiefolgen gilt es in den nächsten Jahren ein erhebliches Defizit auszugleichen. Wie diese Defizite ausgeglichen werden sollen, ist noch unklar. Ein oft geforderter Weg ist die verstärkte Besteuerung von großen Vermögen.

Die Kosten der Pandemie – müssen die Reichen für die Krise zahlen?

RA/StB Dr. Martin Liebernickel
, Partner bei POELLATH, Frankfurt/M.

Pandemiedefizit

Zum Ausgleich des durch die Folgen der Corona-Pandemie entstandenen Haushaltsdefizits fordert das „Bündnis für Umverteilung“, dem eine ganze Reihe von Organisationen angehören (vgl. Bündnis – www.reichtum-umverteilen.de), die Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine reformierte Erbschaftsteuer, um Millionäre und Milliardäre angemessen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben zu beteiligen und soziale Ungleichheit abzubauen.

Diese Forderungen sind nicht neu: So wurde bereits in der Zeit nach der Finanzkrise und vor der Bundestagswahl 2013 über die Wiedereinführung der Vermögensteuer diskutiert (vgl. Richter, Steuerboard vom 23.08.2012 und Lenz, Steuerboard vom 06.09.2012).

Die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl 2021 (das der CDU steht noch aus) und Beiträge in der steuerrechtlichen Fachliteratur enthalten verschiedene Vorschläge bzw. Forderungen zur Bewältigung der finanziellen Pandemiefolgen – aber der Reihe nach:

Vermögensteuer und Vermögensabgabe

SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN fordern in ihren Wahlprogrammen eine Wiedereinführung der

Vermögensteuer

in Höhe von 1% p.a. oberhalb eines Vermögens von 2 Mio. € (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bzw. für „sehr hohe Vermögen“ (SPD).

DIE LINKE plant darüber hinaus eine Vermögensteuer auf Vermögen (ohne Schulden) oberhalb von einer Millionen Euro mit 5%. Für Unternehmen und betriebsnotwendiges Vermögen sieht DIE LINKE Freibeträge von mindestens 5 Mio. € vor.

Die allgemeine Vermögensteuer wurde in Deutschland bislang nicht abgeschafft, seit den sogenannten Einheitswertbeschlüssen des BVerfG vom 22.06.1995 (2 BvL 37/91, DB 1995 S. 1740) wird sie jedoch nicht mehr erhoben. In diesen Beschlüssen hatte das BVerfG das Vermögensteuergesetz neben dem Erbschaftsteuergesetz in der damals geltenden Fassung für mit dem Grundgesetz teilweise unvereinbar erklärt. Ein Kernkritikpunkt der Entscheidung war die unterschiedliche Bewertung von Grundvermögen und sonstigem Vermögen. Anstatt der Forderung des BVerfG nach einer verfassungskonformen Regelung im Bereich der Vermögensteuer nachzukommen, wird die Vermögensteuer seit dem 01.01.1997 nicht mehr erhoben – man könnte auch formulieren sie befindet sich im Koma, ohne dass ihr Tod förmlich festgestellt wurde (Eigenthaler, DB 2012 S. S45).

Von der Vermögensteuer ist jedoch eine

Vermögensabgabe

abzugrenzen. Während eine Vermögensteuer wiederkehrend erhoben wird, wird die Belastung durch eine Vermögensabgabe für einen besonderen außerordentlichen Finanzbedarf des Bundes einmalig festgestellt und kann dann möglicherweise über einen längeren Zeitraum in Raten abgezahlt werden (vgl. Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG).

DIE LINKE plant daher eine einmalige Vermögensabgabe zur Bewältigung der Corona-Krise, die nach Feststellung der Besteuerungswerte über 20 Jahre abzuzahlen wäre. Die Partei rechnet mit einem Steuermehraufkommen von ungefähr 310 Milliarden € über 20 Jahre durch die Einführung einer Vermögensabgabe.

Ein Gesetzesentwurf und Antrag der FDP, die ausgesetzte

Vermögensteuer

abzuschaffen und den Aufbau von Vermögen zu fördern, führte zuletzt in einer Sachverständigen-Anhörung im Finanzausschuss zu einer regen Diskussion (vgl. Deutscher Bundestag – Öffentliche Anhörungen). Es wurde zum einen auf die hohen Hürden für eine Wiedereinführung und eine unausgeglichene Kosten-Nutzen-Relation bei einer Vermögensteuer aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG hingewiesen. Zum anderen führten positive Stimmen an, die Wiedereinführung könne selbst bei hohen Freibeträgen und niedrigen Prozentsätzen auch dem Anstieg der Vermögensungleichheit entgegenwirken.

Erbschaftsteuer und Einkommensteuer

Im Rahmen der

Erbschaftsteuer

soll nach dem Willen von SPD und DIE LINKE die Privilegierung von Betriebsvermögen eingeschränkt werden. So will die SPD mit „einer effektiven Mindestbesteuerung […] die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abschaffen“. Was die Partei mit der Einführung einer „Mindestbesteuerung für vermögenshaltende Familienstiftungen“ beabsichtigt, bleibt angesichts von erbschaftsteuerlicher Stiftungseingangssteuer sowie der alle 30 Jahre fälligen Ersatzerbschaftsteuer etwas rätselhaft. Nach dem Programm von DIE LINKE „sollen die heute existierenden Privilegien für Betriebsvermögen bei Erbschaften und Schenkungen entfallen“. Das Wahlprogramm der CDU liegt zwar noch nicht vor aber auch Friedrich Merz kann sich eine höhere Erbschaftsteuer vorstellen (HB vom 20.05.2021), glaubt aber nicht an ein wesentlich höheres Steueraufkommen. Die FDP fordert zumindest keine Verschärfung der Erbschaftsteuer, die AfD deren Abschaffung.

Diese Vorschläge zur Reduzierung bzw. Abschaffung der komplexen Verschonungsreglungen für Betriebsvermögen in den §§ 13a-13c sowie § 28a ErbStG finden Befürworter auch in der steuerrechtlichen Fachliteratur. Pars pro toto sei hier der aktuelle lesenswerte Aufsatz von Seer (StuW 2021 S. 111) genannt, der in der komplexen Ermittlung des erbschaftsteuerlich begünstigten Betriebsvermögens (Korezkij listet in DStR 2016 S. 2434 hierzu 22 Prüfungsschritte auf!) sowie in der Verbundvermögensaufstellung bei Konzernunternehmen ein strukturelles Vollzugsdefizit erkennt.

In der Tat ist zu beobachten, dass die Finanzverwaltung häufig geraume Zeit benötigt, um Erbfälle und Schenkungen überhaupt erstmalig zu veranlagen. Dies obwohl entsprechende Steuererklärungen vorliegen und es im fiskalischen Interesse sein sollte, eine nicht der Regelverzinsung des § 233a AO unterliegende Steuer zeitnah festzusetzen und zu erheben. Zudem hat sich an dem Umstand, dass die Finanzverwaltung weiterhin keine Bescheide über den Erlass von Erbschaftsteuer nach § 28a ErbStG erstellt offensichtlich nichts geändert. Im weiteren Fortgang wird die Erbschaftsteuer in vielen Fällen zunächst veranlagt wie erklärt, was eine lange Zeit der Planungsunsicherheit für den Steuerpflichtigen und sein Unternehmen bedeutet. Viele sog. gesonderte Feststellungen durch Betriebs- und Lagefinanzämter (Bewertungen, schädliches Verwaltungsvermögen, Lohnsummen) nehmen ihren Lauf, bis am Ende die Betriebsprüfung sich ggf. noch einmal intensiv mit der Übertragung beschäftigt. Bis zu einer endgültigen Veranlagung sollte der Steuerpflichtige auch die Behaltens- und Verfügungsbeschränkungen des von ihm gewählten Verschonungsregimes beachtet und etwaige Verstöße rechtzeitig angezeigt haben. Hatte der Erwerber die Verschonungsbedarfsprüfung des § 28a ErbStG gewählt, sollte er in den nachfolgenden zehn Jahren möglichst kein weiteres nicht begünstigtes Vermögen (egal von wem) erhalten, da sonst der gesamte Fall wieder aufgerollt wird.

Bei der

Einkommensteuer

haben sich SPD, Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE in verschiedenem Ausmaß für die Anhebung der Einkommensteuertarife für höhere Einkommen ausgesprochen. Die SPD fordert einen Aufschlag von 3% bei einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 € (Einzelveranlagung), während die GRÜNEN bereits bei einem Einkommen von 100.000 € einen Steuersatz von 45%, ab 250.000 € von 48% greifen lassen wollen. DIE LINKE setzt sich mit der Forderung eines Spitzensteuersatzes von 53% bei einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 €, von 60% ab 260.533 € und 75% oberhalb 1 Mio. € „erwartungsgemäß“ an die Spitze der Bewegung. Die FDP will dagegen den Spitzensteuersatz von 42% erst ab einem Einkommen von 90.000 € einsetzen lassen und den Soli für alle Steuerzahler abschaffen.

Durchführbarkeit der Umsetzung

Von Seiten der Deutschen Steuergewerkschaft wurden bereits im Jahre 2012 im Rahmen der Diskussion um eine neue

Vermögensteuer

Bedingungen für ein solches Vorhaben festgelegt. Unter anderem müsse das Steueraufkommen bei mindestens 10 Milliarden € im Jahr liegen und die Neufeststellung des Vermögens nur alle fünf Jahre erfolgen, damit sich der Verwaltungsaufwand der Erhebung lohne. Für die Bewertung, insbesondere bei Immobilienvermögen, müssten stark typisierende Verfahren eingeführt werden. Für die Erhebung müsse schließlich zusätzliches Personal sowie eine gute EDV-Unterstützung bereitgestellt werden (vgl. Eigenthaler, a.a.O.).

Wer also die Vermögensteuer oder Vermögensabgabe (wieder) einführen will, muss auch bereit sein, die Finanzverwaltung in die Lage zu versetzen, sie zeitnah und mit überschaubarem Aufwand zu erheben. Die aktuelle Lage bei der Erbschaftsteuer – aber auch bei der Auszahlung der „Coronahilfen“ – zeigt, dass dieses Thema nicht zu unterschätzen ist. Die verstärkte Besteuerung großer Vermögen ist also nicht zum Nulltarif zu haben, gegenläufige Effekte (Verlagerung von Steuersubstrat in das Ausland, ausbleibende Investitionen im Inland) können die beabsichtigten Mehreinnahmen weiter reduzieren. Hier ist zu hoffen, dass eine neue Regierung mit Augenmaß agieren wird.


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