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13.04.2021

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Einlagenrückgewähr ausländischer Kapitalgesellschaften – eine (un)endliche Geschichte?

Mit Urteil vom 27.10.2020 – VIII R 18/17 (DB 2021 S. 261) bestätigte der BFH erneut, dass Drittstaatengesellschaften zur Leistung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr in der Lage sind und eine solche Einlagenrückgewähr im Veranlagungsverfahren der Gesellschafter nachgewiesen werden muss. Darüber hinaus fügte der VIII. Senat der Behandlung der steuerneutralen Einlagenrückgewähr durch eine EU-/EWR-Kapitalgesellschaft ein weiteres Kapitel hinzu und ließ im Ergebnis offen, ob deren Anteilseigner unabhängig vom Antragsverfahren nach § 27 Abs. 8 KStG ebenfalls einen individuellen Nachweis führen können.

Einlagenrückgewähr ausländischer Kapitalgesellschaften – eine (un)endliche Geschichte?

StB Dipl.-Fw. (FH), M.A. Taxation Raphael Baumgartner
, Associate bei POELLATH, München

Die steuerneutrale Einlagenrückgewähr

Zahlt eine Kapitalgesellschaft Einlagen an ihre Anteilseigner zurück (sog. „Einlagenrückgewähr“), liegt keine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Anteilseigner vor, weshalb eine Besteuerung dieser Beträge ausscheidet. Werden hingegen Gewinne ausgeschüttet, so wird die Leistungsfähigkeit der Anteilseigner erhöht. Gewinnausschüttungen gehören daher grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Zur Differenzierung zwischen Einlagenrückgewähr und Gewinnausschüttung verwendet das deutsche Steuerrecht die sog. Verwendungsreihenfolge (§ 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG). Danach gelten für steuerliche Zwecke grundsätzlich vorrangig die Gewinne einer Kapitalgesellschaft als ausgeschüttet und nur über die Gewinne hinausgehende Beträge als steuerneutrale Einlagenrückgewähr. So einfach und nachvollziehbar dies in der Theorie klingen mag, so komplex und diffizil ist dieser Grundsatz in seiner praktischen Umsetzung.

Deutsche Kapitalgesellschaften sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen auf dem sog. steuerlichen Einlagekonto unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge gesondert festzustellen (§ 27 Abs. 2 KStG). Im Falle einer Ausschüttung haben die Anteilseigner Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG. Damit bescheinigt die Kapitalgesellschaft, welcher Teil der Leistung als Gewinnausschüttung und welcher Teil als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Dadurch ist eine zutreffende Besteuerung der Anteilseigner möglich.

Demgegenüber sind EU-/EWR-Gesellschaften nicht gesetzlich zur Führung eines steuerlichen Einlagekontos verpflichtet. Stattdessen sieht das deutsche Steuerrecht in § 27 Abs. 8 KStG ein besonderes (zeit- und kostenintensives) Feststellungsverfahren vor. So kann auf Antrag der ausländischen Gesellschaft festgestellt werden, dass eine Leistung der Gesellschaft als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Dieser Antrag ist spätestens bis zum 31.12. des der Ausschüttung folgenden Jahres bei der zuständigen deutschen Finanzbehörde zu stellen. In der Praxis ist hierfür eine aufwendige Überleitung der ausländischen Jahresabschlüsse in Jahresabschlüsse nach deutschem Steuerrecht erforderlich. Zudem sind umfangreiche Nachweispflichten (z.B. die Vorlage sämtlicher Gesellschafterbeschlüsse und Kontoauszüge zum Nachweis von Bareinlagen) zu beachten, wobei die Nachweise immer aus Sicht der Gesellschaft erbracht werden müssen. Das bedeutet, dass nicht nur Einlagen der deutschen Anteilseigner, sondern auch die Einlagen ausländischer Anteilseigner nachgewiesen werden müssen. Ohne die Feststellung i.S.d. § 27 Abs. 8 KStG gelten sämtliche Leistungen als steuerpflichtige Gewinnausschüttungen.

Drittstaatengesellschaften hingegen sind weder zur Führung eines steuerlichen Einlagekontos verpflichtet, noch können Sie einen Antrag i.S.d. § 27 Abs. 8 KStG stellen. Die deutschen Finanzgerichte räumen den deutschen Gesellschaftern daher die Möglichkeit ein, eine Einlagenrückgewähr im Rahmen des individuellen Veranlagungsverfahrens nachzuweisen (zuletzt BFH vom 10.04.2019 – I R 15/16, DB 2019 S. 2052). Da die Finanzverwaltung die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung noch immer nicht anerkennt und Leistungen einer Drittstaatengesellschaft per se als steuerpflichtigen Kapitalertrag qualifiziert, kommt es in der Praxis weiterhin zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten. Abhilfe wird bis zu einer einheitlichen Verwaltungspraxis oder einer Gesetzesänderung in den meisten Fällen nur ein Klageverfahren schaffen können.

Die Entscheidung des VIII. Senats

Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob die Leistung einer österreichischen Kapitalgesellschaft als steuerneutrale Einlagenrückgewähr zu behandeln sein kann, obwohl die Kapitalgesellschaft keinen Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG gesellt hat. Nach österreichischem Steuerrecht stellte die Leistung eine Einlagenrückgewähr dar, obwohl es sich um die Ausschüttung von Gewinnen der Gesellschaft handelte. Das deutsche Finanzamt behandelte die Leistung mangels Antrags als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Nach Ansicht des Klägers lag darin ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sowie gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 3 GG. Er beantragte daher, die Leistung als steuerneutrale Einlagenrückgewähr zu behandeln. Schließlich würde ein Gesellschafter einer EU-/EWR-Gesellschaft ansonsten schlechter gestellt, als der Gesellschafter einer Drittstaatengesellschaft.

Der BFH stellte zunächst klar, dass etwaige Einwände gegen den Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG wie z.B. gegen die einjährige Ausschlussfrist oder die Berechnung der Verwendungsreihenfolge nach deutschen Steuerbilanzgrundsätzen nicht im Rahmen der Klage gegen den individuellen Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid, sondern im Feststellungsverfahren selbst vorgetragen werden müssen. Dementsprechend sei vorliegend nur der Frage nachzugehen, ob eine Einlagenrückgewähr einer EU-/EWR-Gesellschaft auch außerhalb des § 27 Abs. 8 KStG nachgewiesen werden kann. Der BFH verneinte diese Frage basierend auf Art. 3 GG, da das deutsche Steuerrecht mit § 27 Abs. 8 KStG für EU-/EWR-Gesellschaften eine entsprechende Nachweismöglichkeit vorsieht. Insoweit liege keine Ungleichbehandlung mit den Gesellschaftern einer Drittstaatengesellschaft vor, da für solche Gesellschaften kein Antragsverfahren normiert sei.

Die Frage, ob die fehlende Nachweismöglichkeit bei EU-/EWR-Gesellschaftern gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, ließ der BFH explizit offen, da unter Berücksichtigung der Verwendungsreihenfolge nach § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG im Streitfall keine Einlagenrückgewähr vorgelegen habe.

Ausblick und Praxishinweis

Für deutsche Gesellschafter einer Drittstaatengesellschaft ist das Urteil positiv zu bewerten. Der VIII. Senat führt die jüngste Rechtsprechung des I. Senats zur Einlagenrückgewähr fort und bestätigt erneut, dass eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaatenkapitalgesellschaft unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge möglich ist. In der Praxis sollten entsprechende Sachverhalte geprüft werden und, basierend auf der BFH-Rechtsprechung, eine steuerneutrale Behandlung beantragt werden – falls erforderlich auch im Klageverfahren.

Für EU-/EWR-Gesellschaften fügt der BFH hingegen lediglich ein weiteres Kapital zur scheinbar unendlichen Geschichte der Einlagenrückgewähr hinzu. Der VIII. Senat hätte schließlich auch klarstellen können, ob ein individueller Nachweis im Veranlagungsverfahren unter Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit möglich ist, wenn unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge eine Einlagenrückgewähr vorliegt. Da diese Gelegenheit ungenutzt blieb, muss erst ein entsprechendes Verfahren den Weg bis zum BFH finden. In der Praxis sollte daher darauf hingewirkt werden, dass sich die ausländische Gesellschaft zur Antragstellung nach § 27 Abs. 8 KStG verpflichtet. Falls ein Antrag nicht gestellt wurde, sollte geprüft werden, ob unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge eine Einlagenrückgewähr vorliegt, denn in diesem Fall könnte unter Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit ein individueller Nachweis möglich sein und die Leistung der Kapitalgesellschaft daher nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Auch in dieser Situation könnte sich daher ein Klageverfahren lohnen. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich darf mit Spannung erwartet werden.

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Raphael Baumgartner / Bianca Disch


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