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01.03.2021

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Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung: Pflichtteilsanspruch ist zu berücksichtigen

Erwirbt ein Ehegatte durch den Tod seines Ehegatten Vermögen von Todes wegen, so gilt der Betrag, der dem Überlebenden als Zugewinnausgleich zusteht, nicht als erbschaftsteuerlich relevanter Erwerb (§ 5 Abs. 1 ErbStG). Auch wenn zivilrechtlich der Zugewinn nicht ausgeglichen wird, fingiert das Gesetz für die Berechnung der Erbschaftsteuer eine zivilrechtliche Ausgleichsforderung, die vom Wert des Erwerbs des überlebenden Ehegatten abgezogen wird. Dem überlebenden Ehegatten wird dadurch – vereinfacht gesprochen – ein zweiter Freibetrag in Höhe des ihm zustehenden Zugewinnausgleichs gewährt. Im Urteil vom 22.07.2020 – II R 42/18 hatte sich der BFH mit der Berechnung eines solchen Zugewinnausgleichs zu beschäftigen. Es ging um die Frage, wie ein Pflichtteilsanspruch, der dem Verstorbenen aus einem früheren Erbfall – dem Tod seiner Mutter – zustand, im Rahmen der Berechnung des Zugewinns zu berücksichtigen ist.

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Ausgangslage und Urteilsfall

Der Kläger ist der Ehemann der am 30.04.2009 verstorbenen Erblasserin, die im Jahr 2005 selbst Beteiligte eines Erbfalls gewesen ist. Ihre verstorbene Mutter hatte durch testamentarische Verfügung ihre Neffen als Erben eingesetzt. Die insofern von der Erbfolge ausgeschlossene, hiesige Erblasserin machte anschließend ihren Pflichtteilsanspruch gegen die Erben ihrer Mutter geltend. Der Pflichtteilsanspruch wurde zu keinem Zeitpunkt erfüllt. Gleichwohl wurde wegen der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen die hiesige Erblasserin im Jahr 2006 Erbschaftsteuer festgesetzt.

Hinsichtlich des Erbfalls im Jahr 2009 berücksichtigte das Finanzamt bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegenüber dem Ehemann im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 ErbStG erforderlichen Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung des Ehemanns den Pflichtteilsanspruch der Erblasserin in deren Anfangsvermögen, nicht aber in deren Endvermögen. Grundlage der Zurechnung zum Anfangsvermögen ist dabei § 1374 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift wird dem Anfangsvermögen auch das Vermögen zugerechnet, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder Ausstattung erwirbt.

Der Ehemann legte gegen die Festsetzung des Finanzamts zunächst Einspruch, anschließend Klage ein. Das FG München gab dem Ehemann mit Urteil vom 17.10.2018 (Az: 4 K 1948/17) Recht. Nicht allein die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, sondern nur dessen Erfüllung führe zu einer Erhöhung des Anfangsvermögens. Vorher liege laut dem Gericht kein Vermögenszuwachs vor, weil anders als beim Erbanfall, das Vermögen nicht kraft Gesetz übergeht, sondern der Pflichtteilsberechtigte lediglich befugt ist, seinen Anspruch geltend zu machen. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH entschied entgegen der Vorinstanz, dass der Pflichtteilsanspruch dem Anfangsvermögen des verstorbenen Ehegatten zuzurechnen ist, und zwar selbst dann, wenn der Pflichtteilsanspruch im Todeszeitpunkt bereits verjährt ist.

Zum Anfangsvermögen zählten alle dem Ehegatten am Stichtag zustehenden rechtlich geschützten Positionen von wirtschaftlichem Wert, insbesondere auch geschützte Anwartschaften oder vergleichbare Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistungen gewährten und nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig seien. Die Berücksichtigung setze nicht voraus, dass der Wert sogleich verfügbar sei.

Der BFH sieht einen Pflichtteilsanspruch als eine solche geschützte Position von wirtschaftlichem Wert an. Der Pflichtteilsanspruch entstehe schließlich kraft Gesetzes mit dem Erbfall und gehöre von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Der Pflichtteilsanspruch sei ab diesem Moment vererblich und übertragbar. Dass der originäre Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerlich mit dem bloßen Entstehen des Anspruchs noch nicht von Bedeutung ist, sondern erst, wenn der Berechtigte diesen geltend macht, sei unerheblich.

Bedeutung für die Praxis

Nach den Grundsätzen des hiesigen Urteils wirkt sich ein ererbter Pflichtteilsanspruch des verstorbenen Ehegatten für den überlebenden Ehegatten stets steuererhöhend aus. Denn wenn der ererbte Pflichtteilsanspruch im Todeszeitpunkt des Ehegatten bereits verjährt ist, erhöht der Pflichtteilsanspruch das Anfangsvermögen des verstorbenen Ehegatten, nicht aber dessen Endvermögen. Dadurch sinkt nicht nur der Zugewinn des Verstorbenen, sondern auch die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten, die dessen erbschaftsteuerlich relevanten Erwerb nach § 5 Abs. 1 ErbStG vermindert. Der geringere Ausgleichsanspruch führt insofern zu einem höheren erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb.

Ist der Pflichtteilsanspruch zum Todeszeitpunkt hingegen noch nicht verjährt, ist er für den zivilrechtlichen Zugewinn zwar neutral, weil er auch dem Endvermögen des Verstorbenen hinzugerechnet wird. Der ererbte Pflichtteilsanspruch des Verstorbenen geht dann jedoch als werthaltige Position auf den überlebenden Ehegatten über und erhöht insofern dessen erbschaftsteuerlich relevanten Erwerb von Todes wegen. Auf die Geltendmachung des ererbten Pflichtteilsanspruchs kommt es dabei nicht an. Dies unterscheidet die erbschaftsteuerliche Behandlung des ererbten Pflichtteilsanspruchs elementar von derjenigen eines originären Pflichtteilsanspruchs, den der Überlebende im Falle seiner Enterbung durch den Tod seines Ehegatten erlangt. Dieser originäre Pflichtteilsanspruch verwirklicht erst bei Geltendmachung einen steuerlichen Erwerbstatbestand.

Die negativen Folgen des Urteils sollten sich nicht durch einen Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch abmildern lassen. Entscheidender Stichtag für die zivilrechtliche Berechnung des Anfangsvermögens ist nach Auffassung des BFH im Fall des § 1374 Abs. 2 BGB (Zurechnung von Erbschaften zum Anfangsvermögen) allein der Zeitpunkt des Erbfalls, zu dem der Pflichtteilsanspruch bereits als Vollrecht entsteht und dem Vermögen des Pflichtteilsberechtigten zuzurechnen ist. Das spätere Schicksal des Anspruchs – sei es eine eintretende Verjährung oder ein Verzicht – ist damit nach der Rechtsprechung für die Zurechnung zum Anfangsvermögen unerheblich.

Die Entscheidung des BFH kommt insgesamt allerdings nicht überraschend, folgt das Erbschaftsteuerrecht bei der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung doch dem Zivilrecht. Dort werden geerbte Ansprüche im Anfangsvermögen berücksichtigt, sofern sie nicht von der Erfüllung einer Gegenleistung abhängig sind. Eine andere Entscheidung wäre gleichwohl zumindest für im Todeszeitpunkt bereits verjährte, aber zuvor geltend gemachte Pflichtteilsansprüche wünschenswert gewesen. Denn im vorliegenden Fall musste die Ehefrau bereits auf den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch Erbschaftsteuer zahlen. Zusätzlich muss sich nun auch der Ehegatte bei deren Versterben den steuerfreien Zugewinn kürzen lassen, wenngleich das Anfangsvermögen der Ehefrau tatsächlich nie erhöht worden ist. Dass bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung, bzw. dem durch sie gewährten „Freibetrag“ durchaus erbschaftsteuerliche Wertungen zu berücksichtigen sind, zeigt insbesondere ein Blick auf das JStG 2020. Danach soll die abzugsfähige fiktive Ausgleichsforderung entsprechend dem Verhältnis zwischen dem um Steuerbefreiungen geminderten Wert des Endvermögens zum Wert des (zivilrechtlichen) Endvermögens gekürzt werden. Werden insofern zu Lasten des Steuerpflichtigen Abweichungen von der streng am Zivilrecht orientierten Betrachtung vorgenommen, sollten Abweichungen an anderer Stelle auch zugunsten des Steuerpflichtigen ausfallen. Zu begrüßen ist wenigstens, dass im vorliegenden Urteil der Pflichtteilsanspruch der Ehefrau selbst infolge der Verjährung nicht als derivativer Erwerb beim erbenden Ehemann berücksichtigt wird.


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