Keine Freigebigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei satzungskonformer Leistung
Mit klaren Worten brachte der BFH in seiner Entscheidung vom 03.07.2019 (a.a.O.) auf den Punkt, dass Leistungen ausländischer Stiftungen an inländische Destinatäre nur dann freigebig und damit schenkungsteuerpflichtig gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind, wenn sie eindeutig unter Verstoß gegen die Stiftungssatzung gewährt werden. Dies gilt im Übrigen auch für Leistungen inländischer Stiftungen (BFH vom 13.04.2011 – II R 45/09, DB 2011 S. 1424). Hintergrund ist dabei die Annahme, dass von einer freigebigen Zuwendung der Stiftung nicht die Rede sein kann, wenn diese in Erfüllung einer satzungsmäßigen Pflicht leistet. Denn in diesen Fällen fehlt es an der subjektiven Voraussetzung einer freigebigen Zuwendung: dem Willen zur Freigebigkeit, der nur dann vorliegt, wenn der Zuwendende sich bewusst ist, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen.
Um eine Zuwendung als freigebig einordnen zu können, muss der Satzungsverstoß zudem „eindeutig“ sein. Das bedeutet, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Finanzverwaltung oder der Finanzgerichte ist, zu klären, ob die Gewährung einer bestimmten Zuwendung gegen die Stiftungssatzung verstoßen hat. Vielmehr billigt der BFH den Stiftungsorganen insofern einen gewissen „Beurteilungs- und Ermessensspielraum“ zu. Die hierdurch gesetzten Grenzen werden erst überschritten, wenn die Gewährung der Zuwendung sich für einen verständigen und unbefangenen Dritten schlechterdings nicht mehr mit der Stiftungssatzung in Übereinstimmung bringen lässt. Durch die Gewährung dieser „stiftungsinternen Einschätzungsprärogative“ soll zum einen verhindert werden, dass die Finanzbehörden und -gerichte eine Auslegung der Stiftungssatzung anstelle der hierzu in erster Linie berufenen Stiftungsorgane vornehmen müssen. Zum anderen will der BFH schlicht dem praktischen Problem vorbeugen, dass die Frage der Satzungskonformität einer Zuwendung nach ausländischem Stiftungsrecht zu beurteilen ist, dessen Ermittlung im Einzelfall gewisse Schwierigkeiten bereiten kann. Die Feststellungslast für Umstände, die einen eindeutigen Satzungsverstoß begründen, liegt demgemäß bei der Finanzverwaltung.
Keine Zwischenberechtigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG ohne gesicherten Rechtstitel
Weil eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Streitfall ausschied, hatte der BFH überdies Gelegenheit, sich zur Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG zu äußern. Nach dieser Bestimmung gilt als Schenkung unter Lebenden auch der Erwerb durch „Zwischenberechtigte“ während des Bestehens einer Vermögensmasse ausländischen Rechts. Der Begriff des Zwischenberechtigten wurde in der Vergangenheit äußerst weit verstanden, denn hierunter fiel im Grunde jede Person, die während des Bestehens der Vermögensmasse Auszahlungen aus dieser erhält (BFH vom 27.09.2012 – II R 45/10, BStBl. II 2013 S. 84, zu einem US-amerikanischen Trust). In seiner Entscheidung vom 03.07.2019 (a.a.O.) hat der BFH den Begriff des Zwischenberechtigten nunmehr deutlich enger gefasst. Zwischenberechtigter sei demnach nur, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über eine Rechtszuständigkeit an dem in der Vermögensmasse gebundenen Vermögen und/oder an den durch die Vermögensmasse erzielten Erträgen verfüge. Es bedürfe eines „rechtlich verfestigten Titels“ am Vermögen. Nicht zwischenberechtigt sei daher, wer über keine Rechte an oder Ansprüchen gegenüber der Vermögensmasse verfüge. Denn von einer „Berechtigung“ könne nicht die Rede sein, wenn der Begünstigte die Zuwendung auf der Basis einer reinen Ermessensentscheidung der zuständigen Stiftungsorgane erhalte, ohne hierauf einen rechtlich gefestigten Anspruch zu haben.
Nicht zweifelsfrei beantwortet hat der BFH indes die Frage, ob § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG überhaupt auf ausländische Stiftungen anwendbar ist oder ob die Bestimmung vielmehr von vornherein nur für ausländische Trusts gilt. Die Vorinstanz, das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.04.2015 – 7 K 2471/12), hatte hierzu die Auffassung vertreten, dass auch ausländische Stiftungen unter den Begriff der Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Hs. 2 ErbStG fielen. Im einschlägigen Schrifttum wird dies überwiegend verneint – und auch der BFH hat mit Beschluss vom 21.07.2014 (II B 40/14) ernstliche Zweifel daran geäußert, dass ausländische Stiftungen unter den Begriff der Vermögensmasse ausländischen Rechts gefasst werden können. Die Tatsache allerdings, dass der BFH in seinem Urteil vom 03.07.2019 (a.a.O.) eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG im Falle einer ausländischen Stiftung (erst) an der Tatbestandsvoraussetzung des „Zwischenberechtigten“ scheitern lässt, könnte vermuten lassen, dass der BFH insoweit zwischenzeitlich die Ansicht des FG Baden-Württemberg teilt. Denn im vom BFH konkret entschiedenen Streitfall ging es um eine Stiftung schweizerischen Rechts, nicht um einen Trust.
Nicht abschließend geklärt ist außerdem, ob die vom BFH im Urteil vom 03.07.2019 (a.a.O.) gefundene – enge – Interpretation des Begriffs des Zwischenberechtigten auch auf die Begünstigten von Trusts übertragen werden kann oder ob für diese weiterhin die bisherige – weite – Definition gilt. M.E. kann für die Begünstigten von Trusts nichts anderes gelten. Eine dahingehende Einschränkung kann der Entscheidung nicht entnommen werden. Vor diesem Hintergrund dürften vor allem die Begünstigten sogenannter discretionary trusts Grund zum Aufatmen haben. Denn bei diesen steht den Begünstigten kein gefestigter Zahlungsanspruch zu. Vielmehr steht es bei diesen Gestaltungen im Ermessen des trustee, ob und in welcher Höhe wann an wen Zuwendungen gewährt werden. Von einer „Zwischenberechtigung“ des jeweiligen Zahlungsempfängers kann in diesen Fällen nur schwerlich die Rede sein.
Fazit und Ausblick
Die Verfügung des LfSt Bayern vom 05.03.2020 hat in Bezug auf die Besteuerung von Zuwendungen ausländischer Stiftungen und Trusts Wesentliches zur Herstellung von Rechtssicherheit beitragen können. Auch wurde die Schenkungsteuerbarkeit derartiger Leistungen weit zurückgenommen. Eine Belastung mit Schenkungsteuer dürfte nur noch in Betracht kommen, wenn die Leistung entweder eindeutig satzungswidrig ist oder die inländischen Leistungsempfänger über einen verfestigten Rechtstitel verfügen. Hierauf wird in der Beratungspraxis in Zukunft besonderes Augenmerk zu richten sein.
Sofern nach dem vorstehend Gesagten eine Belastung mit Schenkungsteuer in Frage kommt, stellt sich jedoch das – weiterhin unbeantwortete – Problem, inwiefern es daneben auch zu einer Ertragsbesteuerung und damit einer Doppelbelastung mit Schenkung- und Ertragsteuer kommen kann. Das FG München (Urteil vom 15.05.2019 – 4 K 2033/16, DStR 2019 S. 1921 m. Anm. Friz/Grünwald) hat hierzu entschieden, dass sich jedenfalls die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG einerseits und die Belastung mit Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG andererseits nicht ausschlössen, sondern nebeneinander zur Anwendung kommen könnten. Weil diesbezüglich ein Revisionsverfahren anhängig ist (II R 31/19) hat der BFH schon bald Gelegenheit, erneut zur Besteuerung von Zuwendungen ausländischer Stiftungen und Trusts Stellung zu beziehen.