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28.11.2019

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Forderungsverzicht nach Einführung der Abgeltungsteuer: BFH widerspricht Finanzverwaltung

In seinem Urteil vom 06.08.2019 (VIII R 18/16) hat der BFH entschieden, dass der Verzicht des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall führt. Mit dieser Entscheidung widerspricht der BFH den Ausführungen des BMF im Abgeltungsteuererlass vom 18.01.2016 (BStBl. I 2016 S. 85), wonach der Verzicht auf den nicht werthaltigen Forderungsanteil außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 EStG keine steuerliche Berücksichtigung findet.

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Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 2010 mit 48,15% an einer GmbH beteiligt. Gegen die GmbH bestanden Forderungen im Nennwert von 801.768,78 €, die der Kläger im Streitjahr erwarb. Der Kaufpreis belief sich auf 364.154,60 €. Wenige Monate nach dem Forderungserwerb schloss der Kläger mit der GmbH einen Darlehensvertrag über 801.768 € zuzüglich Zinsen und verzichtete auf einen Teilbetrag seiner Darlehensforderung in Höhe von 275.000 € ohne Vereinbarung eines Rangrücktritts. Gleichzeitig wurde in Höhe des Forderungsverzichts eine Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH beschlossen.

Im Klageverfahren machte der Kläger hinsichtlich seines teilentgeltlichen Erwerbs der Forderungen (43,5%) geltend, dass ihm durch den Forderungsverzicht ein Veräußerungsverlust in Höhe seiner Anschaffungskosten von 119.625 € (43,5% von 275.000 €) entstanden sei. Nach Auffassung des Klägers war dieser Verlust als negative Kapitaleinkünfte zu berücksichtigen und mit seinen tariflich zu besteuernden Einkünften zu verrechnen. Das FG Berlin-Brandenburg wies die Klage mit der Begründung ab, dass der vom Kläger ermittelte Verlust steuerlich nicht zu berücksichtigen sei.

Entscheidung und Argumentation des BFH

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Das FG sei im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass der Kläger mit dem teilweisen Forderungsverzicht keinen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust erzielt habe. Allerdings könne der Forderungsverzicht eines Gesellschafters grundsätzlich – im Gegensatz zur Auffassung des FG – zu negativen Kapitaleinkünften führen. Diese negativen Einkünfte seien zudem unter bestimmten Voraussetzungen (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG) mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten zu verrechnen.

In seinen Entscheidungsgründen unterscheidet der BFH zwischen dem Verzicht eines Gesellschafters auf den werthaltigen Teil seiner Forderung und dem Verzicht eines Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung.

Im Hinblick auf den Verzicht eines Gesellschafters auf den werthaltigen Teil seiner Forderung verweist der BFH auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997 (GrS 1/94, BStBl. II 1998 S. 307 = DB 1997 S. 1693). Hiernach führe ein auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhender Verzicht eines Gesellschafters auf seine nicht mehr vollwertige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft zu einer Einlage, soweit der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichte. Daraus schließt der BFH, dass der Verzicht auf eine Teilforderung erst dann zu einer Einlage führt, wenn der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Nach Einführung der Abgeltungsteuer gelte eine in diesem Zusammenhang begründete Einlage als steuerbare Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Bei Anschaffungskosten in Höhe der Einlage resultiere kein Veräußerungsgewinn nach § 20 Abs. 4 EStG.

Im Hinblick auf den Verzicht eines Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung führt der BFH aus, dass insoweit beim endgültigen Forderungsverzicht ein Forderungsausfall vorliege, der – anders als nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des genannten Beschlusses des Großen Senats des BFH und entgegen den Ausführungen des BMF im Abgeltungsteuererlass vom 18.01.2016 (BStBl. I 2016 S. 85 = DB 2016 S. 205) – nach Einführung der Abgeltungsteuer gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigen sei. Der Forderungsausfall stehe hierbei wirtschaftlich betrachtet einer Abtretung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gleich. Die Freiwilligkeit des Verzichts stünde der Anerkennung eines entsprechenden Verlusts nicht entgegen. Die Ermittlung des Verlusts erfolge nach § 20 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten des Steuerpflichtigen. In der Folge wirke sich der Forderungsverzicht nur dann steuerlich aus, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen habe.

Im Streitfall habe der Kläger auf Basis der vorstehenden Grundsätze lediglich auf einen nicht werthaltigen Teil seiner Forderung verzichtet. Aufgrund des geringen zeitlichen Abstands zwischen Forderungserwerb und Forderungsverzicht sei davon auszugehen, dass der Teilwert der Forderung zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts dem vereinbarten Kaufpreis entsprach. Somit übersteige der Verzichtsbetrag von 275.000 € nicht den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung von 437.000 € (801.768 € abzüglich 364.154 €). Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass im Zusammenhang mit dem Forderungsverzicht eine Zuführung zur Kapitalrücklage der GmbH beschlossen wurde, da der verzichtende Gesellschafter insoweit im Rahmen von § 20 Abs. 2 EStG keine Dispositionsbefugnis habe.

Der Verzicht des Klägers auf einen nicht werthaltigen Teil seiner Forderung stelle einen Veräußerungsvorgang nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG dar. Dieser habe allerdings im Ergebnis keine steuerlichen Auswirkungen, da der Kläger für den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung keine Anschaffungskosten getragen habe. Aufgrund des Erwerbs der Forderungen durch den Kläger von Dritten beliefen sich die Anschaffungskosten des Klägers auf seinen Kaufpreis. Der Kaufpreis sei bei wirtschaftlicher Betrachtung insgesamt dem werthaltigen Teil der Forderung zuzuordnen.

Praxishinweis

Nach Ansicht des BFH kann der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil einer Forderung zu einem steuerlichen Veräußerungsverlust bei den Kapitaleinkünften des Steuerpflichtigen führen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil Anschaffungskosten getragen hat. Die Ansicht des BFH widerspricht der aktuellen Auffassung der Finanzverwaltung. Es bleibt somit abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird. Zusätzlich interessant sind die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem noch nicht in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019). Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 31.07.2019 sollte durch eine Änderung des § 20 Abs. 2 EStG klargestellt werden, dass der Verlust aus einem Forderungsausfall steuerlich unbeachtlich ist. Die von der Bundesregierung hierzu vorgeschlagene Gesetzesänderung wurde durch den Bundestag am 07.11.2019 jedoch gestrichen. Berichten zufolge soll sich die Regierungskoalition im Nachgang der Streichung am 11.11.2019 auf einen Kompromiss hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Totalverlusten aus Kapitalanlagen geeinigt haben. Ein entsprechender Vorschlag liege dem Finanzausschuss des Bundestags bereits vor. Die Umsetzung sei im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen geplant.


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