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12.11.2019

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BFH ändert Rechtsprechung zum Zusätzlichkeitskriterium einkommensteuerlicher Begünstigungsnormen

Die Anwendung einer Reihe einkommensteuerlicher Begünstigungsnormen setzt voraus, dass die Arbeitgeberleistungen „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden (sog. Zusätzlichkeitskriterium). Ist das Zusätzlichkeitskriterium erfüllt, ermöglicht dies die steuerfreie Inanspruchnahme durch den Arbeitgeber erbrachter Sachleistungen. Auch für die abgeltende Pauschalbesteuerung von Sachzuwendungen, die Pauschalbesteuerung sog. Internetzuschüsse und Zuschüssen für den Weg zur Arbeit besteht die Voraussetzung, dass die pauschal zu versteuernden Zuwendungen bzw. Zuschüsse durch den Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Mit der am 24.10.2019 veröffentlichten Entscheidung vom 01.08.2019 (VI R 32/18) und den beiden (im Wesentlichen inhaltsgleichen) Parallelentscheidungen vom gleichen Tag (VI R 21/17 und VI R 40/17) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung des Zusätzlichkeitskriteriums wesentlich entschärft.

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Bislang durch den BFH vertretene Auslegung des Zusätzlichkeitskriteriums

Der BFH hat bislang vertreten, dass das in den einkommensteuerlichen Vorschriften verwendete Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten“ Arbeitslohn nur bei freiwilligen Arbeitgeberleistungen erfüllt sei (s. hierzu BFH vom 19.09.2012 – VI R 54/11, BStBl. II 2013 S. 395 = DB 2012 S. 2908 und VI R 55/11, BStBl. II 2013 S. 398). Ohnehin geschuldet werde danach der Arbeitslohn, auf den der Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Anspruch habe. Freiwillig wende der Arbeitgeber nur den Arbeitslohn zu, auf den der Arbeitnehmer keinen Anspruch habe. Die Finanzverwaltung hat das Zusätzlichkeitskriterium – abweichend von der BFH-Rechtsprechung – auch dann als erfüllt angesehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung hat (s. BMF vom 22.05.2013, BStBl. I 2013 S. 728). Gehaltsumwandlungen waren aber auch nach der weniger strengen Verwaltungsauffassung begünstigungsschädlich.

Streitige Erfüllung des Zusätzlichkeitskriteriums im Fall der Herabsetzung des Bruttogehalts

In dem der Entscheidung vom 01.08.2019 (VI R 32/18, a.a.O.) zugrundeliegenden Sachverhalt war streitig, ob das Zusätzlichkeitskriterium auch dann erfüllt ist, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer den „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ für zukünftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herabsetzen und der Arbeitgeber diese Minderung durch eine verwendungsgebundene Zusatzleistung ausgleicht. Im Streitfall hatte ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber in einem ersten Schritt die Herabsetzung des Bruttogehalts und in einem zweiten Schritt die Gewährung eines Arbeitgeberzuschusses zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für die Internetnutzung vereinbart. Später hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wohl im Hinblick auf die durch die o.g. BFH-Entscheidungen vom 19.09.2012 verschärfte Rechtslage – dann vereinbart, dass die Zuschüsse durch den Arbeitgeber freiwillig und ohne rechtlichen Anspruch gewährt werden. Das beklagte Finanzamt ist der durch den Arbeitgeber erfolgten Pauschalversteuerung der Zuschüsse mit dem Argument entgegengetreten, dass eine steuerschädliche Gehaltsumwandlung gegeben sei. Das Zusätzlichkeitskriterium des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG für eine Erhebung der Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25% sei nicht erfüllt und der Arbeitgeber hafte daher für die nicht abgeführte Lohnsteuer. Die Vorinstanz (FG Düsseldorf) hatte sich der Verwaltungsauffassung angeschlossen.

Zusätzlich geleistet wird verwendungs- bzw. zweckgebundener Arbeitslohn

In den Entscheidungen vom 01.08.2019 ist der BFH zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn um den Arbeitslohn handelt, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung erhält und der damit der Regelbesteuerung unterliegt. Ohnehin geschuldet wird im Streitfall der Arbeitslohn, auf den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Herabsetzung geeinigt hatten. Die Arbeitgeberzuschüsse zu den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für die Internetnutzung werden hingegen verwendungs- bzw. zweckgebunden geleistet. Diese Zahlungen erfolgen somit nicht „ohnehin“, sondern zusätzlich und können daher gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG pauschal versteuert werden. Die aus der BFH-Entscheidung resultierende Abgrenzung des ohnehin geschuldeten Arbeitslohns hat zur Folge, dass es nicht länger darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer auf die fragliche Leistung einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat. Die Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich“ ist damit nicht länger gleichzusetzen mit nicht geschuldet. Daher war im Streitfall auch die arbeitsrechtlich wirksam vereinbarte Herabsetzung des (ohnehin geschuldeten) Arbeitslohns zugunsten der verwendungsgebundenen Zusatzleistungen steuerbegünstigt möglich. Denn der Herabsetzungsbetrag zählt nicht mehr zum „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“. Unbeachtlich ist bei dieser Sichtweise dann auch, dass der Arbeitgeber den Herabsetzungsbetrag früher einmal arbeitsvertraglich geschuldet hat.

Fazit

Die durch den BFH erfolgte Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Auslegung des in wichtigen einkommensteuerlichen Begünstigungsnormen verwendeten Zusätzlichkeitskriteriums ist zu begrüßen. Zusätzlich wendet der Arbeitgeber den Arbeitslohn zu, der verwendungs- bzw. zweckgebunden neben den verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung durch den Arbeitgeber geleisteten Arbeitslohnzahlungen erfolgt. Die bislang teils schwierig zu beantwortenden Abgrenzungsfragen, ob die Leistungen zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die entweder durch Vereinbarung, eine dauernde Übung oder sonst arbeitsrechtlich geschuldet sind, stellen sich zukünftig nicht mehr. Sofern die persönlichen und sachlichen Begünstigungsvoraussetzungen erfüllt sind und auch dem vereinbarten Verwendungszweck entsprochen wird, kann der zusätzliche Lohn vom Arbeitgeber steuerfrei gewährt oder mit einem Pauschalsteuersatz versteuert werden; die Umwandlung von Barlohn in steuerlich begünstigte Sachbezüge durch arbeitsvertraglich wirksam vereinbarte Herabsetzung des Arbeitslohns ist damit möglich. Auch im Hinblick auf den weiten Anwendungsbereich der (zusätzlich gewährten) Sachbezüge, für die eine Pauschalversteuerung gemäß § 37b EStG in Anspruch genommen werden kann, ist der Rechtsprechungswandel des BFH von hoher praktischer Relevanz. Es ist daher zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die Entscheidung über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwendet.


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