Keine generelle Qualifizierungspflicht des Arbeitgebers
Grundsätzlich kann ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbildung zum einen kollektivrechtlich in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung und zum anderen individualrechtlich in einem Arbeitsvertrag geregelt sein. Allerdings sind solche Regelungen in der betrieblichen Praxis bislang kaum zu finden. Üblich sind bisher lediglich sogenannte Rahmenvereinbarungen zu Fortbildungsmaßnahmen und Regelungen im Zusammenhang mit den Folgen einer Weiterbildung. Diese vermitteln dem Arbeitnehmer aber keinen einklagbaren Anspruch. Auch ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Qualifizierung besteht nicht. Dies gilt im Grundsatz selbst dann, wenn sich das Tätigkeits- und damit Anforderungsprofil des Arbeitnehmers technologisch bedingt verändert. Zwar sieht das Betriebsverfassungsgesetz vor, dass Arbeitnehmer einen individuellen Erörterungsanspruch im Hinblick auf mögliche Umschulungen oder Weiterbildungen haben. Zudem haben Arbeitnehmer nach einigen Freistellungs- und Bildungsurlaubsgesetzen Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an Qualifizierungsveranstaltungen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbildung wird hierdurch aber nicht begründet.
Die Fürsorge- und Förderungspflicht des Arbeitgebers
Ausnahmsweise kann ein solcher Anspruch gegen den Arbeitgeber allerdings in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer seine bisherige Tätigkeit infolge veränderter technischer Anforderungen ohne entsprechende Weiterbildung nicht mehr ausüben kann. Jedenfalls dann, wenn ein Arbeitnehmer nicht mehr über die für die Tätigkeit notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, trifft den Arbeitgeber eine sogenannte Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber ist dann grundsätzlich zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers verpflichtet. Dieser Förderungspflicht kann der Arbeitgeber nur dann nachkommen, wenn er den Arbeitnehmer weiterbildet. Zu beachten ist jedoch, dass eine solche Weiterbildungsverpflichtung des Arbeitgebers nicht grenzenlos besteht. Digitale Weiterbildungsmaßnahmen müssen dem Arbeitgeber insbesondere auch „zumutbar“ sein, was anhand einer Interessenabwägung zu bestimmen ist. Während auf der Seite des Arbeitgebers dessen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen sind, ist auf der Seite des Arbeitnehmers der Weiterbildungsbedarf und dessen Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Betracht zu ziehen. In die Abwägung dürften dabei wohl auch die bisherige und restliche Beschäftigungsdauer, die Dauer der Fortbildung, die Erfolgsaussichten der Weiterbildungsmaßnahme und die Kostenverteilung einzustellen sein. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf berufliche Weiterbildung grundsätzlich nur bei gesonderter kollektiv- oder individualvertraglicher Regelung besteht. Daneben kommt ein solcher Anspruch gegen den Arbeitgeber in Betracht, wenn der Arbeitnehmer wegen gestiegener Anforderungen ohne entsprechende Fortbildung seine geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Die Grenze bildet dabei die Zumutbarkeit der Qualifizierungsmaßnahme für den Arbeitgeber. Bereits jetzt ist allerdings klar, dass die Bedeutung von Qualifikationen im Zuge der stark voranschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt beständig steigen wird. Die berufliche Weiterbildung von Arbeitnehmern spielt bei der Bewältigung der digitalen Transformation eine Schlüsselrolle. Da bisher nur in Ausnahmefällen ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbildung besteht, wird man versuchen müssen mit den Arbeitgebern einvernehmliche Lösungen herbeizuführen. Dies dürfte wohl in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch im Interesse beider Parteien liegen. Denn auch Arbeitgeber sind auf Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen angewiesen, damit die betrieblichen Abläufe funktionieren.