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27.10.2022

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Die Inflationsausgleichsprämie – Was ist arbeitsrechtlich zu beachten?

Die sogenannte Inflationsausgleichsprämie ist eines der Instrumentarien des dritten Entlastungspaketes. Mit diesen Instrumentarien möchte der Gesetzgeber einerseits die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges abfedern und andererseits sicherstellen, dass die Inflation nicht zu dauerhaften Lohnerhöhungen führt. Solche dauerhaften Lohnerhöhungen würden ansonsten die Inflation weiter befeuern. Durch die Neueinfügung der Inflationsausgleichsprämie in § 3 Nr. 11c EStG soll es Arbeitgebern ermöglicht werden, (rückwirkend) in der Zeit vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 bis zu 3.000 Euro steuer- und sozialleistungsfrei an ihre Arbeitnehmer zu zahlen. Damit jedoch die Leistung einer Inflationsausgleichsprämie keine unbeabsichtigten Folgen nach sich zieht, sind bei der Umsetzung gewisse Überlegungen und Vorkehrungen zu treffen.

Nachhaltigkeitsbericht: Die Herausforderung erfolgreich meistern

RA/FAArbR Thomas Ubber
Allen & Overy LLP, Frankfurt/M

RA Dr. Hendric Stolzenberg
Allen & Overy LLP, Frankfurt/M

Steuer- und sozialversicherungsprivilegierte Prämie nur „zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn“

Grundsätzlich ist es nicht möglich, entgelt- oder sonstige vergütungsrelevante Leistungen zu kürzen und stattdessen eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen. Denn gemäß § 3 Nr. 11c EStG muss die Inflationsausgleichsprämie „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden. Den Begriff der „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachten Leistung hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2020 in § 8 IV EStG definiert. Dieser lautet auszugsweise: „Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht

wird. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.“ Entsprechend dürfte es zulässig sein, rein (!) freiwillige Sonderzahlungen (etwa ein freiwilliges Weihnachtsgeld) nicht zu gewähren und an dessen Stelle eine steuer- und sozialversicherungsrechtlich privilegierte Inflationsausgleichsprämie zu zahlen. Dies scheidet aber immer dann aus, wenn der Arbeitnehmer bereits einen Anspruch auf die Sonderzahlung hat, sei es auf tariflicher, betrieblicher oder individualvertraglicher Grundlage. Auch ist sorgsam zu prüfen, ob nicht bereits ein Anspruch auf die Sonderzahlung – bspw. mangels eines wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalts oder einer doppelten Schriftformklausel – auf Grundlage einer betrieblichen Übung oder Gesamtzusage zu leisten ist. In diesem Fall scheidet eine Aussetzung der Sonderzahlung aus. Die Arbeitnehmer könnten die Sonderzahlung also ggf. nachfordern.

Durchführungsweg: Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder individualvertraglich – was ergibt wann Sinn?

Für Unternehmen, die von der Möglichkeit der Inflationsausgleichsprämie Gebrauch machen möchten, stellt sich die Frage, auf welche Weise eine betriebliche Rechtsgrundlage für die Prämie geschaffen werden soll. Insbesondere im Rahmen laufender oder bevorstehender Tarifverhandlungen ist zu erwägen, ob die Inflationsausgleichsprämie nicht auch Baustein einer Einigung der Tarifparteien – womöglich bei lediglich moderater prozentualer Tabellenentgelterhöhung – sein könnte. Sollte eine tarifliche Rechtsgrundlage mangels Tarifbindung ausscheiden, jedoch ein Betriebsrat bestehen, dürfte zumeist die Einführung mittels einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede die einfachste Lösung darstellen, da für die Festlegung der Verteilungsmaßstäbe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besteht. Hier dürfte zumeist eine Zuständigkeit eines eventuell bestehenden Konzern- oder Gesamtbetriebsrats bestehen (vgl. zur Zuständigkeit bei Corona-Sonderzahlungen LAG Nürnberg v. 21.06.2021 – 1 TaBV 11/21). Unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Einführung sollte im Rahmen der Einführung stets zweifelsfrei und eindeutig festgehalten werden, dass die Prämie zur Minderung der zusätzlichen Belastung im Zusammenhang mit den derzeit hohen Verbraucherpreisen geleistet wird. Eine entsprechende Zweckbestimmung erfordert § 3 Nr. 11c EStG, nach dessen Wortlaut die Prämie „zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise“ gewährt werden muss.

Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Mancher Arbeitgeber wird womöglich nicht allen Arbeitnehmern seines Unternehmens den Höchstbetrag der Inflationsausgleichsprämie gewähren wollen. Er könnte vielmehr das Bedürfnis haben, Höhe und Auszahlungsmodalitäten der Prämie an weitere Kriterien zu knüpfen, diese also beispielsweise für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen unterschiedlich auszugestalten. Bei der Auswahl der Kriterien ist besondere Vorsicht geboten. Denn wenn die Prämienzahlung nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip erfolgt, indem bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festlegt sind, greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der Auswahl der Kriterien, von denen der Arbeitgeber das „Ob“ und „Wie“ der Zahlung abhängig machen will, muss überprüft werden, ob sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Da die Sonderzahlung die wirtschaftliche Belastung abfedern soll, könnte Ansatzpunkt sein, welche Arbeitnehmer durch die gestiegenen Preise besonders betroffen sind. Das Anknüpfen an die Einkommenssituation oder an soziale Gesichtspunkte wie Unterhaltspflichten wäre somit denkbar. Eine Differenzierung nach Leistungskriterien verbietet sich hingegen. Dies ist für den Arbeitgeber besonders relevant, da die rechtlichen Konsequenzen bei der Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes folgenschwer sind. Die gesamte ausgenommene Gruppe könnte einen Anspruch auf die Sonderzahlung geltend machen, sofern der Arbeitgeber keine nachvollziehbaren und sachlich gerechtfertigten Unterscheidungskriterien gewählt hat (sogenannte „Angleichung nach oben“)

Vermeidung einer betrieblichen Übung

Bei der Zahlung der Prämie ohne kollektivrechtliche Grundlage ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass kein dauerhafter Anspruch des Arbeitnehmers entsteht. Da die Inflationsausgleichsprämie in mehreren Teilzahlungen bis 2024 gewährt werden kann, besteht die Gefahr des Entstehens einer betrieblichen Übung. Jene kann bei regelmäßig gewährter Leistung an die Arbeitnehmer einen dauerhaften Anspruch begründen. Um dies zu verhindern, sollte die Zahlung mit einem verständlich und klar formulierten Vorbehalt versehen werden. Es genügt dabei eine Klausel, die bestimmt, dass es sich bei der näher bezeichneten Leistung um eine einmalige freiwillige Leistung handelt, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird und zukünftige Ansprüche nicht begründet.

Zusammenfassung

Bei der Gewährung der Inflationsausgleichsprämie muss sich der Arbeitgeber nicht allein der steuer- und sozialabgaberechtlichen Voraussetzungen, sondern auch der arbeitsrechtlichen Risiken bewusst sein. Zudem besteht Gestaltungsspielraum, der auch genutzt werden sollte. Etwa im Rahmen von Tarifverhandlungen kann die steuer- und sozialabgabenrechtliche Privilegierung genutzt werden, um ein für beide Seiten akzeptables Gesamtergebnis zu erzielen.


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