Nach einem Ende Januar vom Arbeitsgericht Frankfurt entschiedenen Kündigungsschutzverfahren titelten die Zeitungen, die Bank habe der Whistleblowerin kündigen dürfen, ohne dass sie in deutsches Recht umgesetzt wurde. Das war mindestens äußerst missverständlich, weil das Arbeitsgericht lediglich festgestellt hat, dass die Kündigungserklärung des Arbeitgebers innerhalb der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses zugegangen war. Daher fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Die Klägerin hatte die Vorwürfe erhoben, die Beklagte betreibe bei ihren Fonds greenwashing. Auf den Wahrheitsgehalt dieser Aussage kam es dementsprechend nicht mehr an.
Wie aber wäre es im Geltungsbereich des Whistleblower-Schutzes gewesen? Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie ist am 17. Dezember 2021 abgelaufen. Konsequenzen daraus können sich allerdings nur für den Staat und seine Einrichtungen ergeben, nicht im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern. Geht man davon aus, dass die behaupteten Verstöße eine Verletzung der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor darstellt, so hätte die Whistleblowerichtlinie keine Anwendung gefunden. Sie schützt nämlich lediglich bestimmte, dort definierte Regelwerke aus dem Finanzsektor. Die Nachhaltigkeitsrichtlinie gehört nicht dazu. Legt man hingegen den Referentenentwurf zum Umsetzungsgesetz zugrunde, der in der letzten Legislaturperiode diskutiert wurde, so würde der behauptete Verstoß in den Anwendungsbereich hineinfallen. Es wird also entscheidend darauf ankommen, wie weit im deutschen Umsetzungsgesetz der Anwendungsbereich definiert wird. An den Dissenz hierüber war der letzte Entwurf gescheitert.
Ganz entscheidend ist die Art und Weise, wie die Meldung erstattet wurde. Die Richtlinie sieht einen internen und einen externen Meldekanal als gleichwertig an. Allerdings sollen die nationalen Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass der interne Meldekanal bevorzugt wird. Auf jeden Fall muss aber ein solcher offizieller Kanal genutzt werden. Wendet sich der Hinweisgeber sofort an die Öffentlichkeit, genießt er keinen Schutz. In dem aktuellen Fall konnte der außenstehende Beobachter gar den Eindruck gewinnen, als habe die Arbeitnehmerin erst nach dem Zugang der Kündigung angebliche Missstände angeprangert. Dann wäre der Missbrauch evident, die Betreffende wäre nicht Hinweisgeberin, sondern Denunziantin.
Sofern auch der persönliche Geltungsbereich eröffnet ist, schützt die Richtlinie den Hinweisgeber gegen Repressalien. Dazu gehört zweifelslos auch die Kündigung. Nicht erforderlich für den Schutz des Hinweisgebers ist es, dass die Meldung zutreffend ist. Es soll ausreichend sein, wenn der Verdacht eines Verstoßes plausibel erscheint. Hier wollte jedenfalls der Referentenentwurf missbräuchlichem Verhalten dadurch vorbeugen, dass er einen Schadensersatz durch den Hinweisgeber bei grob fahrlässigem Verhalten vorsah.
Sofern der Geltungsbereich des Hinweisgeberschutzes eröffnet ist, besteht eine Umkehr der Beweislast. Es wird vermutet, dass eine Benachteiligung des Hinweisgebers eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war. In diesen Fällen obliegt dem Arbeitgeber zu beweisen, dass die Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert. Wenn ein Arbeitnehmer in Anbetracht der zu erwartenden Kündigung vor Ablauf der Wartezeit einen angeblichen Missstand meldet, kommt der Arbeitgeber in die schwierige Situation, dass er den Grund für die Kündigung darlegen muss, obwohl dies nach der Grundkonzeption der Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz eigentlich nicht erforderlich ist. Man wird daher die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannen dürfen. Andernfalls würde die Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes unterlaufen, das der Arbeitgeber in den ersten sechs Monaten keinen Kündigungsgrund braucht.
Andererseits empfiehlt es sich gerade deshalb auch in den ersten sechs Monaten die Leistungen zu dokumentieren und negative Beurteilung transparent zu machen, um ggf. den erforderlichen Nachweis führen zu können.