Welche Schutzmaßnahmen sollte der Arbeitgeber ergreifen?
Der Arbeitgeber hat eine allgemeine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen und zur Risikominimierung (§ 241 Abs. 2, 618 BGB). Er sollte daher Maßnahmen einleiten, um eine potentielle Ansteckungsgefahr zu vermeiden und über das Infektions- und Erkrankungsrisiko aufklären. Allerdings muss und kann der Arbeitgeber nicht für einen absoluten Schutz sorgen, da gewisse (Infektions-) Risiken nicht ausgeschlossen werden können. Vor diesem Hintergrund können konkrete Maßnahmen beispielsweise sein:
- Hinweise auf die Einhaltung von Hygienevorschiften (keine Begrüßung mittels Handschlags, häufiges Desinfizieren und Waschen der Hände, Husten- und Nieß-Etikette);
- Aufklärung über die typischen Krankheitssymptome (Hinweise dazu existieren auf der Website des Robert-Koch-Instituts);
- Ermittlung von Risikogruppen, insbesondere von Mitarbeitern, die kürzlich in gefährdete Regionen verreist sind und Anordnung einer ärztlichen Untersuchung;
- bezahlte Freistellung oder vorrübergehende Anordnung von Home-Office bei Mitarbeitern, bei denen ein Krankheitsverdacht besteht;
- Anordnung des Tragens einer Mund-Nase-Schutzmaske.
Da das Risiko in Deutschland noch als überschaubar eingestuft wird, müssen freilich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sämtliche dieser Maßnahmen umgesetzt werden. Insbesondere Hinweise über bestehende Risiken, typische Symptome und die Einhaltung von Hygienevorschriften sollten indes frühzeitig im Sinne einer allgemeinen Prävention erfolgen.
Wie muss sich der Arbeitgeber im Fall einer Infektion oder eines Infektionsverdachts verhalten und welche Maßnahmen können die Gesundheitsbehörden ergreifen?
Kommt es zu einer Infektion eines Mitarbeiters oder besteht ein konkreter Verdacht, so treffen den Arbeitgeber nicht nur gesteigerte Schutzpflichten für die übrige Belegschaft, er sollte auch eng mit den zuständigen Gesundheitsbehörden zusammenarbeiten. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) handelt es sich bei dem „Coronavirus“ um eine meldepflichtige Krankheit, dies gilt auch für Verdachtsfälle. Bereits der behandelnde Arzt muss eine Meldung an das zuständige Gesundheitsamt abgeben. Dieses kann zur Verhinderung einer Ausbreitung des Virus berufliche Tätigkeitsverbote und Quarantänen verhängen (§§ 30, 31 IFSG). Wird von der Behörde ein Tätigkeitsverbot verhängt, sieht § 56 IFSG einen Entschädigungsanspruch für die betroffene Person vor. Die Entschädigung bemisst sich in den ersten sechs Wochen nach dem Verdienstausfall, anschließend nach dem Krankengeld. Dabei hat der Arbeitgeber diese Entschädigung nach § 56 Abs. 5 IFSG für die Dauer von sechs Wochen auszubezahlen. Vor diesem Hintergrund sollte der Arbeitgeber bei einer bestehenden Infektion bzw. im Fall eines Verdachtes folgende Maßnahmen ergreifen:
- Frühzeitige Einbindung und enge Abstimmung mit den zuständigen Gesundheitsbehörden. Die zuständige Behörde kann unter diesem Link ermittelt werden.
- Sämtliche Mitarbeiter, die (potenziell) mit dem infizierten Kollegen in Kontakt gekommen sind, sollten aufgefordert werden, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen, sollten die Mitarbeiter freigestellt werden oder aus dem Home-Office arbeiten.
- Neben dem vorrangigen Gesundheitsschutz sollte der Arbeitgeber ein Konzept erarbeiten, ob und wie die betrieblichen Abläufe aufrechterhalten werden können. Der Arbeitgeber trägt insofern das Betriebsrisiko. Kann er den gesunden Mitarbeitern keine Tätigkeit anbieten, bleibt er grundsätzlich zur Zahlung der Vergütung verpflichtet (§ 615 S. 3 BGB). Wenn die Produktion daher wegen Engpässen bei wichtigen Zulieferern oder Ausfällen eigener Mitarbeiter zu stoppen droht, könnte die Einführung von Kurzarbeit in Abstimmung mit dem Betriebsrat in Betracht kommen. Spiegelbildlich dazu können bei einem hohen Arbeitsausfall der eigenen Belegschaft – in Abstimmung mit dem Betriebsrat – vorrübergehend Überstunden für die übrigen Mitarbeiter angeordnet werden.
Haben erkrankte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Ja, der Anspruch besteht bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – vorbehaltlich günstigerer individual- oder kollektivrechtlicher Regelungen – für die Dauer von bis zu sechs Wochen. Eine Ausnahme gilt, wenn den Arbeitnehmer an der Erkrankung ein Verschulden trifft. Dies kann etwa der Fall sein, wenn er im Rahmen seines privaten Urlaubs gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat und deshalb erkrankt. Zu unterscheiden von dieser Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ist die bereits genannte Entschädigung nach dem IFSG im Fall eines behördlich verhängten Tätigkeitsverbotes.
Können Arbeitnehmer wegen des Infektionsrisikos die Arbeit generell bzw. Dienstreisen nach China verweigern?
Ein generelles Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers besteht nicht. Dazu wäre es erforderlich, dass dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Dies ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Arbeitsleistung nur unter einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit erbracht werden kann. Ein abstraktes Infektionsrisiko genügt nicht, zumal das Robert-Koch-Institut und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Gefahr durch das Virus für Deutschland nach wie vor als gering einschätzen. Auch Dienstreisen nach China oder in andere betroffene Regionen kann der Arbeitnehmer daher nicht pauschal unter Hinweis auf das Risiko verweigern. Für die Frage, ob eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit des Mitarbeiters besteht, bieten die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes einen wichtigen Anhaltspunkt. Soweit das Auswärtige Amt keine Reisewarnung für die betroffene Region ausgesprochen hat, wird diese Gefahr als überschaubar eingestuft. Eine solche Reisewarnung ist die höchste Warnstufe und erfolgt nur im äußersten Fall bei einer Gefahr für Leib und Leben. Nach aktuellem Stand existiert eine Reisewarnung für die Provinz Hubei. Reisen in solche Regionen kann der Mitarbeiter mit berechtigen Gründen widersprechen. Indes dürfte sich die Verpflichtung zu Dienstreisen in die chinesischen Risikoregionen als theoretisches Problem darstellen. So haben bereits mehrere Fluggesellschaften den Flugverkehr nach China beschränkt. Da sich zudem die Einschätzung des Auswärtigen Amtes und der zuständigen internationalen Gesundheitsorganisationen tagtäglich verändern können, ist der Arbeitgeber gut beraten, Dienstreisen in die betroffenen Regionen vorrübergehend einzustellen.
Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber, wenn sich Mitarbeiter auf einer Dienstreise in einer gefährdeten Region befinden?
Der Arbeitgeber muss Gefahren für die Gesundheit der Mitarbeiter auch im Ausland vermeiden und Schutzmaßnahmen ergreifen. Zwar haben deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter zwischenzeitlich ganz überwiegend aus den am stärksten betroffenen chinesischen Regionen abgezogen. Momentan ist aber nicht absehbar, in welchem Umfang sich das Virus weiter ausbreitet. So können auch Nachbarländer betroffen sein, weshalb sich ein Arbeitgeber, der Mitarbeiter in diesen Gebieten beschäftigt, stets über das aktuelle Risiko informieren sollte. Konkret können dazu folgende Maßnahmen zählen:
- Es sind regelmäßige und aktuelle Informationen über den Sicherheitsstand vor Ort einzuholen, etwa durch eine Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt. Wenn es zu einer Ausweitung der Reisewarnung kommt, sind Dienstreisen in die genannten Regionen zu untersagen und eine zügige Rückreise der Mitarbeiter vor Ort ist zu organisieren.
- Losgelöst vom Bestehen der Reisewarnung sollten Reisen in stärker betroffenen Regionen auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt werden. Gleiches gilt für Besuche von Mitarbeitern und Kunden aus diesen Regionen. Die WHO informiert regelmäßig über die aktuelle Lage und die Ausbreitung des Virus.
- Die Mitarbeiter sind aufzufordern, sich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes einzutragen.
- Es sollte kommuniziert werden, wie groß das Infektionsrisiko ist und welche Schutzmaßnahmen es zu ergreifen gilt. Auch hierzu eignen sich die Informationen des Auswärtigen Amts und der WHO.
- In Risikogebieten kann ein Transfer zum Arbeitsort oder eine Wohnung in unmittelbarer Nähe des Tätigkeitsortes angeboten werden, um so Kontakt mit anderen Menschen zu verringern. Ebenso kann das Tragen einer Mund-Nase-Schutzmaske vorgeschrieben werden.
- Mitarbeiter, die aus der betroffenen Region zurückreisen, sind aufzufordern, sich unmittelbar durch einen Arzt untersuchen zu lassen. Bis das Ergebnis der Diagnose feststeht, sollten die Mitarbeiter freigestellt werden oder aus dem Home-Office arbeiten.
Welche generellen Schutzkonzepte sollten Arbeitgeber erarbeiten?
Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass es immer wieder zur Ausbreitung solcher Erkrankungen kommt. Dem Arbeitgeber ist – bestenfalls in Koordination mit dem Betriebsrat – zu raten, ein allgemeines Schutzkonzept zu erarbeiten. Darin können sämtliche der genannten Hinweispflichten, Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr vorgesehen werden. Auch kann abstrakt geregelt werden, wann im Ausland beschäftigte Mitarbeiter die jeweilige Region verlassen müssen. Ebenso sollte ein Kommunikationskonzept erarbeitet werden, welches im Notfall direkt eingreifen kann. Dabei sollte aus Sicht der Arbeitgeber im Blick gehalten werden, dass derartige Epidemien sich recht plötzlich ausbreiten und die betrieblichen Abläufe – gerade bei internationalen Verflechtungen – erheblich stören können. Die Erstellung eines abstrakten Notfallplans ist daher zu empfehlen.