Hintergrund und Sachverhalt
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind Änderungen von Versorgungsregelungen mit kollektivem Bezug (Betriebsvereinbarungen, Gesamtzusagen oder Einheitsregelungen), die in die bestehenden Versorgungsanwartschaften (verschlechternd) eingreifen, anhand eines dreistufigen Prüfungsschemas zu beurteilen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um im Ablösezeitpunkt bereits unverfallbare oder noch verfallbare Anwartschaften handelt. Erfasst sind sowohl Neuregelungen durch die Betriebsparteien als auch einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers (z.B. Beendigung eines Versorgungswerks durch Kündigung einer Betriebsvereinbarung ohne Nachwirkung). Der vom BAG entschiedene Fall betraf eine Hinterbliebenenversorgung. Bei der Beklagten gibt es durch Betriebsvereinbarung geregelte Versorgungsleistungen. Die ursprüngliche Versorgungsordnung aus dem Jahr 1994 wurde 2002 und dann nochmals 2004 jeweils durch (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen abgelöst. Dabei wurde in die Höhe der Versorgungsanwartschaften eingegriffen. Die Klägerin, die Witwe eines 2013 verstorbenen Mitarbeiters der Beklagten, machte geltend, dass die Änderungen unwirksam seien und ihr daher eine – höhere – Hinterbliebenenleistung aus der ursprünglichen Versorgungsordnung zustehe. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Eingriffe seien aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers verhältnismäßig gewesen. Das BAG hat diese Begründung verworfen und das Verfahren zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Prüfung anhand des Dreistufenschemas
Das BAG bestätigt zunächst – wenig überraschend – seine ständige Rechtsprechung, wonach die Wirksamkeit von Ablösungen von durch Betriebsvereinbarung geschaffenen Versorgungsregelungen durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung, welche in die Höhe der Versorgungsanwartschaften eingreift, anhand des von ihm entwickelten dreistufigen Prüfungsschemas zu beurteilen ist. Bei der Beurteilung sind die an die Rechtfertigung des (verschlechternden) Eingriffs zu stellenden Anforderungen umso höher, je stärker in die Rechtsposition des Anwartschaftsberechtigten eingegriffen wird. So können zum Ablösestichtag bereits erdiente Ansprüche und Anwartschaften (1. Stufe) nur aus zwingenden Gründen entzogen oder gekürzt werden (z.B. bei planwidriger Überversorgung). Eingriffe in die Anwartschaftsdynamik, d.h. in die als „erdiente Dynamik“ (2. Stufe) dienstzeitunabhängig geschützten Zuwächse (etwa bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen), können nur aus triftigen Gründen, welche den Fortbestand des Unternehmens langfristig gefährden, erfolgen. Auf der letzten Stufe der als dienstzeitabhängige Zuwachsraten künftig zu erdienenden Anwartschaftsteile (3. Stufe) genügen dann sachlich-proportionale Gründe für etwaige Eingriffe. Vorliegend hat das BAG seine Entscheidung zum einen auf die seiner Auffassung nach nicht hinreichende Prüfung durch das LAG, ob durch die Ablösung lediglich ein Eingriff in künftige Zuwächse (3. Stufe) oder aber auch in die erdiente Dynamik (2. Stufe) bewirkt wurde, gestützt. Zudem müsse das LAG in weit umfangreicherem Maße das Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe für eine Rechtfertigung des Eingriffs auf der 3. Stufe prüfen und hierzu den Parteien Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme geben. Soweit der Arbeitgeber sich zur Begründung eines sachlich-proportionalen Grundes etwa auf ein Vereinheitlichungsinteresse beruft, ein vom BAG anerkannten Grund, kann bei Aufnahme neuer, bisher nicht versorgter Mitarbeiter in das Versorgungswerk auch die so durch die Betriebsparteien anvisierte Generationengerechtigkeit als „achtenswertes Anliegen“ in die Abwägung und Prüfung des sachlich-proportionalen Grundes einbezogen werden.
Mehrere Ablösungen gesondert zu beurteilen
Dabei betont das BAG, dass bei mehreren, auch kurz aufeinanderfolgenden, Ablösungen jede Ablösung für sich zu prüfen ist. Dabei ist die Wirksamkeit der jeweiligen Ablösung – unter Anwendung des Dreistufenschemas – nur in Bezug auf die jeweils zuvor geltende Versorgungsordnung zu beurteilen. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebieten keine Notwendigkeit einer Gesamtwürdigung aller erfolgten Ablösungsregelungen im Lichte der ursprünglichen Versorgungsordnung. Der Anwartschaftsinhaber kann bei (wirksamer) Ablösung einer zunächst für ihn geltenden Versorgungsordnung nicht mehr auf den Fortbestand der ursprünglich geltenden, dann aber (wirksam) abgelösten Regelung vertrauen. Für den Fall, dass die erste oder eine von mehreren nachfolgenden Ablösungen nach Prüfung anhand des Dreistufenschemas unwirksam ist, ist bei der (gesonderten) Prüfung der nachfolgenden Ablösung dann auf die jeweils „ursprüngliche“ Versorgungsordnung abzustellen, wenn die Ablösung auch diese nach entsprechender Auslegung erfassen soll.
Berücksichtigung gemeinsamer Regelungen durch die Betriebsparteien bei der Prüfung
Zudem betont das BAG, dass bei der Anwendung des Dreistufenschemas zu berücksichtigen sei, ob die ablösende Regelung gemeinsam durch die Betriebsparteien oder allein durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Allerdings macht das BAG keinerlei Ausführungen, in welchem Maße ein solcher Umstand zu berücksichtigen sei. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1990 (3 AZR 380/89) hatte das BAG etwa ausgeführt, dass die Zustimmung des Betriebsrates oder eine entsprechende Initiative zur Ablösung durch die Arbeitnehmervertreter ein „Anzeichen“ sein kann, dass ein Bedürfnis für eine Neuregelung besteht und diese ausgewogen sei.
Fazit
Seit der grundlegenden Entscheidung des BAG zu dem von ihm entwickelten dreistufigen Prüfungsschema im Jahr 1985 (3 AZR 72/83) bleibt dieses Thema ein „Dauerbrenner“. Das BAG verteidigt das Dreistufenschema ausdrücklich gegen Kritik. Dabei vermag aber auch die vorliegende Entscheidung letztlich keine erheblich neuen Erkenntnisse für eine „sichere“ Gestaltung ablösender Versorgungsregelungen bringen. Dass allein die Ausführungen des BAG zu den vom LAG bei der (erneuten) Prüfung, ob ein Eingriff in die erdiente Dynamik (2. Stufe) gegeben ist, maßgeblich zu berücksichtigenden Grundsätzen mehr als 50 Randnummern (von insgesamt 146) einnehmen, lässt hier für die Praxis nichts Gutes hoffen. Letztlich mahnt auch die vorliegende Entscheidung jeden Arbeitgeber, bei der Ablösung von Versorgungsregelungen besonderes Augenmerk auf die jeweiligen Gründe und insbesondere die entsprechende Dokumentation zu legen. Ob die vom BAG nunmehr erneut angesprochene Berücksichtigung einer gemeinsam durch die Betriebsparteien erfolgten Ablösung tatsächlich Erleichterungen bringt, bleibt abzuwarten.