Brauchen wir ein „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“?
Klares Ja. Zwar beläuft sich die Zahl der unbesetzten Stellen im zweiten Quartal 2019 auf knapp 1,4 Mio. (Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)). Viele Unternehmen müssen momentan noch sehr viel Zeit und Energie dafür investieren, Arbeitskräfte zu finden. Auf der anderen Seite ist bereits eine Konjunkturabkühlung spürbar. Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Juli 2019 von 97,5 auf 95,7 Punkte gefallen. Die Unternehmen blicken skeptisch auf die zukünftige Geschäftsentwicklung. Nicht zuletzt durch Brexit und Strafzölle sinken die Exporte und nun kündigt sich auch noch ein genereller konjunktureller Abschwung an. Dies hinterlässt Spuren. Die Zahl der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit Kurzarbeit ist im Vergleich zum Vorjahr von 2,6% auf 3,8% angestiegen. Laut ifo Umfragen betrifft dies zurzeit insbesondere Fahrzeugbau, Automobilzuliefererindustrie, Textil- und Bekleidungsindustrie, Metallerzeugung und -bearbeitung sowie Maschinenbau. In den nächsten Monaten könnte der Anteil der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in Kurzarbeit sogar auf 8,5% zunehmen. Zudem stehen viele Wirtschaftszweige nicht nur vor konjunkturellen, sondern auch vor strukturellen Herausforderungen, vor allem infolge Digitalisierung, Energiewende und E-Mobilität. Klassische Arbeitsplätze in der Produktion und Sachbearbeitung werden entfallen. Umgekehrt werden neue Berufe im technischen Umfeld entstehen, wofür Mitarbeiter gefunden werden müssen. Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter fordern daher schon lange, dass die Beschäftigten durch Umschulung und Weiterbildung auf den digitalen Wandel vorbereitet werden.
Was soll das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ bringen?
Viel ist noch nicht bekannt. Es sind Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld angekündigt. Im Rahmen einer sog. Perspektivqualifizierung sollen Zuschüsse sowohl zur Weiterbildung als auch zum Lohn geleistet werden, wenn Mitarbeiter in einem Unternehmen gehalten werden, in dem sie eigentlich keine dauerhafte Perspektive mehr haben. Wenn Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft überführt werden, soll eine längere Weiterbildung ermöglicht werden. Bestehende Regelungen, beispielsweise dass Betroffene mindestens 45 Jahre alt sein müssen, um Zuschüsse für eine Weiterbildung zu erhalten, sollen gelockert werden. Während der Finanzkrise war Kurzarbeit ein Erfolgsrezept. Trotz des erheblichen wirtschaftlichen Einbruchs kam es nur zu einem vergleichsweise geringen Anstieg der Arbeitslosenquote. Kurzarbeitergeld konnte schnell und unkompliziert beantragt werden, die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld wurde verlängert und die Bundesagentur für Arbeit zahlte die Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld. Es sollen nun wieder die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass im Krisenfall schnell Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld eingeführt werden können.
Wann kommt das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“?
Bald. Ein konkreter Fahrplan steht noch nicht. Es ist angekündigt, dass der Gesetzesentwurf im September vorgelegt werden soll. Wann das Gesetz in den Bundestag eingebracht werden und in Kraft treten soll, ist noch nicht klar. Wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert, ist allerdings zu erwarten, dass hierzu schnell Entscheidungen getroffen werden.
Löst das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ alle Probleme?
Wohl nicht. Zurzeit gibt es nur allgemeine Aussagen zu dem geplanten Gesetz. Ein konkreter Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor. Daher lässt sich nur schwer abschätzen, welche Folgen es haben wird. Im Rahmen der Finanzkrise haben sich die Erleichterungen und die Ausweitungen für das Kurzarbeitergeld bei konjunkturellen Schwächen bereits bewährt. Das Kurzarbeitergeld wird daher auch in der sich ankündigenden Konjunkturkrise einen wichtigen Beitrag leisten, um Arbeitsplätze zu erhalten. Ob und in welchem Umfang dies gelingt, wird natürlich sehr stark davon abhängen, welches Ausmaß der konjunkturelle Einbruch haben wird. Ob das „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ wesentlich unterstützen wird, die strukturellen Herausforderungen, insbesondere infolge Digitalisierung, Energiewende und E-Mobilität, zu meistern, ist jedoch fraglich. Finanzielle Zuschüsse für die Weiterbildung und Umschulung sind sicherlich ein guter Anreiz für Unternehmen, ihre Mitarbeiter für den digitalen Wandel fit zu machen. Aber auch wenn sich die Bundesagentur für Arbeit zu einer „Bundesagentur für Weiterbildung“ weiterentwickelt, wird dies kaum genügen, den Weg in die digitale Zukunft erfolgreich zu gehen. Die Unternehmen sind gefordert, ihre Geschäftsmodelle anzupassen, um am digitalen Wandel zu partizipieren. Sie müssen für ihr Unternehmen den konkreten Bedarf ermitteln. Die Bundesagentur für Arbeit kann das nicht leisten. Mit einer langfristen und an Veränderungen ständig angepassten Personal- und Entwicklungsplanung kann es gelingen, betroffene Mitarbeiter in neue Funktionen und Berufsbilder zu entwickeln. Wenn hierfür Anreize durch Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit gesetzt werden, kann dies zu einem guten Gesamtpaket führen, von dem Unternehmen und Mitarbeiter profitieren.