Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des EuGH vom 06.11.2018 (C-684/16) und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senatsrechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 31.01.2023 (9 AZR 244/20) klargestellt.
Darum ging es im Streitfall
Die Beklagte, ein Zeitungsverlag, beschäftigte den Kläger seit April 2007 zunächst auf der Grundlage eines sog. Vertrags für Pauschalisten, sodann als angestellten Online-Redakteur. Nach § 18 Nr. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) sind nicht erfüllte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Während seiner Tätigkeit als Pauschalist vom 01.04.2007 bis zum 30.06.2010 erhielt er keinen Urlaub. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.09.2014. Im August 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, insgesamt 65 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2010 abzugelten. Die Forderung in Höhe von 14.391,50 Euro brutto wies die Beklagte mit der Begründung zurück, ein etwaiger Anspruch des Klägers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Pauschalist sei verfallen und verjährt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
Urlaubsabgeltung kann tariflichen Ausschlussfristen unterfallen
Nach der ständigen BAG-Rechtsprechung kann der Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Daran hält das BAG fest. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
EuGH machte neue Regeln für den Verfall von Urlaub
Der Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2014 nicht gehalten, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2007 bis 2010 der Beklagten gegenüber i. S. d. Ausschlussfristenregelung geltend zu machen. Das BAG ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, oblag es dem Kläger, Urlaubsabgeltung zu verlangen.
Der von dem Kläger erhobene Abgeltungsanspruch ist vor diesem Zeitpunkt auch nicht verjährt. Zwar steht der Anwendung der Verjährungsvorschriften der unabdingbare Schutz, den der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub genießt, nicht entgegen. Nach den vom BAG entwickelten Grundsätzen lief die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende 2018. Der Kläger wahrte die gesetzliche Verjährungsfrist, indem er die Beklagte im Jahr 2018 auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichtlich in Anspruch nahm.