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09.12.2022

Arbeitsrecht, Meldung

Berücksichtigung der Rentennähe bei der Sozialauswahl

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitgeber den absehbaren Bezug einer abschlagsfreien Rentenzahlung durch einen Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl zu einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich berücksichtigen dürfen.

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©Andrey Popov/fotolia.com

Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen. Bei der Gewichtung des Lebensalters kann hierbei zulasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei bezieht. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen kann. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen darf insoweit nicht berücksichtigt werden. Dies hat das BAG mit Urteil vom 08.12.2022 (6 AZR 31/22) klargestellt.

Darum ging es im Streitfall

Der Entscheidung lag die Revision eines Insolvenzverwalters gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 03.09.2021 (16 Sa 152/21) zugrunde. Streitgegenstand war eine Kündigung, die der Insolvenzverwalter im Rahmen einer etappenweisen Betriebsstilllegung gegen eine Mitarbeiterin des Betriebs ausgesprochen hatte. Nach Auffassung der Vorinstanzen war die von der Arbeitgeberin vorgenommene Sozialauswahl grob fehlerhaft, sodass die ausgesprochene Kündigung keinen Bestand hatte.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Kündigung 63 Jahre alt und hatte eine Betriebszugehörigkeit von 48 Jahren. Auch auf Basis des von der Arbeitgeberin verwendeten Punkteschemas war die Mitarbeiterin damit innerhalb ihrer Vergleichsgruppe die Person mit der an sich größten sozialen Schutzwürdigkeit.

Trotzdem entschied sich der Insolvenzverwalter im Rahmen eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat für die Weiterbeschäftigung eines deutlich jüngeren Kollegen mit geringerer Betriebszugehörigkeit. Zur Begründung wurde angeführt, die Klägerin sei im Vergleich weniger schutzbedürftig, weil sie wenige Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist eine vorgezogene Rente für besonders langjährige Versicherte beziehen könnte und somit – wenn überhaupt – nur kurzfristig auf den Bezug von Arbeitslosengeld angewiesen sei. Mit dieser Argumentation war der Insolvenzverwalter in beiden Vorinstanzen gescheitert.

Das BAG zur Sozialauswahl

Das BAG folgt in seiner Entscheidung vom 08.12.2022 den Vorinstanzen im Ergebnis, nicht aber auch durchweg in der Begründung. Zwar halten die Erfurter Bundesrichter die von dem Insolvenzverwalter vorgenommene Sozialauswahl ebenfalls für grob fehlerhaft, da insbesondere die sehr lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Anders als das  Landesarbeitsgericht Hamm halten es die Bundesrichter aber für zulässig, es bei der Bewertung des Lebensalters zulasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Mitarbeiter bereits eine vorgezogene Rente wegen Alters abschlagsfrei beziehe oder er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen könne. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen dürfe insoweit keine Berücksichtigung finden.

Hinweis zu Parallelverfahren

Der Senat hat am selben Tag in einem teilweisen Parallelverfahren (6 AZR 32/22), das eine Kündigung aufgrund des zweiten Interessenausgleichs vom 29.06.2020 zum Gegenstand hatte, auf die Revision des beklagten Insolvenzverwalters die Urteile der Vorinstanzen in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag ebenfalls aufgehoben bzw. abgeändert und diesen abgewiesen.


BAG vom 08.12.2022 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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