Als Reaktion auf die Scheinreferenden in den mittlerweile durch Russland annektierten Gebieten in der Ukraine reagierte die EU mit einem weiteren Sanktionspaket. Die BRAK hält diesen Schritt zwar für nachvollziehbar, kritisiert allerdings die konkrete Ausgestaltung aufs Schärfste und fordert die Sicherung von Rechtsstaatlichkeit und Berufsausübungsfreiheit. Die BRAK hatte in der Vergangenheit wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die ungerechtfertigte militärische Invasion in einem souveränen Staat einen inakzeptablen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit in Europa, aber auch auf die internationale Staatengemeinschaft darstellt. Die ukrainische Nation und das ukrainische Volk verdienen den größtmöglichen Schutz der internationalen Rechtsordnung.
BRAK fordert Sicherung der Berufsausübungsfreiheit
Dessen ungeachtet ist es aus Sicht der BRAK im Schreiben vom 07.10.2022 jedoch keinesfalls gerechtfertigt und verfassungsrechtlich überaus bedenklich, dass nunmehr nach dem neuen Artikel 5n der entsprechenden EU-Verordnung die rechtliche Beratung von in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen wesentlich eingeschränkt werden soll.
Das achte EU-Sanktionspaket verstößt nach Auffassung der BRAK gegen rechtsstaatliche Grundsätze und darf in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Anwendung finden. Daran ändern auch die in den Regelungen niedergelegten Ausnahmefälle nichts. Einerseits enthalten diese zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe. Zum anderen ist es nicht hinnehmbar, dass im Grunde genommen verbotene Rechtsberatung im Einzelfall und unter bestimmten Bedingungen von Behörden genehmigt werden kann.
BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels findet hierfür klare Worte: „Schon Art. 12 GG gebietet die Sicherung der Berufsausübungsfreiheit! Es muss allein die Entscheidung jeder Rechtsanwältin und jedes Rechtsanwalts sein, ob sie oder er ein Mandat annehmen oder es – beispielsweise aus moralischen Gründen – ablehnen möchte.“ Das Sanktionspaket steht nach Auffassung der BRAK auch in klarem Widerspruch zur Berufsordnung (BORA) für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen.
Einschränkungen bei der rechtlichen Beratung nicht hinnehmbar
„Jedermann hat das gesetzlich verankerte Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Die BORA sichert überdies keineswegs nur die Freiheit der Berufsausübung, sondern darüber hinaus auch die Teilnahme am Recht. Die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates wird in ihren Grundfesten erschüttert, sollte es bei den nun auf den Weg gebrachten Regelungen bleiben. Die in der neuen Verordnung vorgesehenen Einschränkungen bei der rechtlichen Beratung müssen angesichts der massiven rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken zwingend wieder rückgängig gemacht werden“, fordert Wessels.