Der O-Investmentfonds plante den Abschluss von Unterbeteiligungsverträgen mit Banken oder Investmentfonds und stellte beim polnischen Finanzminister einen Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids, um zu klären, ob die Finanzdienstleistungen, die er als Unterbeteiligter zu erbringen hatte, von der Mehrwertsteuer befreit sein könnten.
Im Rahmen des in Rede stehenden Vertrags verpflichten sich der Unterbeteiligte und der Originator gegenseitig: der Unterbeteiligte, dem Originator eine Finanzierung zu gewähren, und der Originator, dem Unterbeteiligten die Einnahmen aus den Forderungen zu überweisen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind, wobei er die Schuldtitel in seinem Vermögen behält. Der Originator erhält eine Dienstleistung gegen ein Entgelt, das der Differenz zwischen dem Prognosewert der Einnahmen aus den Forderungen und der Höhe der vom Unterbeteiligten ausgezahlten Finanzierung entspricht.
Wie ist die Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen?
Da der O-Investmentfonds die Ansicht des Finanzministers nicht teilte, wonach die Umsätze des Unterbeteiligten dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 23 % unterliegen müssten, erhob er Klage gegen den genannten Steuervorbescheid. Im Rahmen dieses Rechtsstreits möchte das Oberste Verwaltungsgericht wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung für Umsätze, die die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten betreffen, auf den im Ausgangsverfahren beschriebenen Unterbeteiligungsvertrag Anwendung findet.
Finanzdienstleistungen im Streitfall sind von der Mehrwertsteuer befreit
Mit seinem Urteil vom 06.10.2022 (C-250/21) bejaht der EuGH diese Frage. Die von einem Unterbeteiligten erbrachten Dienstleistungen fallen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie, da sie gegen Entgelt erbracht werden. Weiterhin prüft der EuGH, ob die Leistungen des Unterbeteiligten unter den Begriff der „Gewährung von Krediten“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, der der einzige auf das Ausgangsverfahren anwendbare Fall der Befreiung ist.
Unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung, wonach die „Gewährung von Krediten“ u.a. in der Überlassung von Kapital gegen Entgelt besteht, wobei das Kapital nicht zwangsläufig von Bank- oder Finanzinstituten überlassen und das Entgelt nicht unbedingt in Form von Zinsen gezahlt werden muss, bestätigt der EuGH, dass die Finanzdienstleistungen, die der Unterbeteiligte dem Originator im Rahmen des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags erbringt, sich in einer einzigen Leistung erschöpft, die im Wesentlichen in der Auszahlung von Kapital gegen Entgelt besteht. Ferner weist der EuGH auch darauf hin, dass der Unterbeteiligte das jedem Kreditgeschäft inhärente Kreditrisiko trägt.