• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • „Die bisherige Form der Rentenbesteuerung hat deutliche Schwächen“

31.05.2021

Interview

„Die bisherige Form der Rentenbesteuerung hat deutliche Schwächen“

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Mit großer Spannung wurden die Urteile des Bundesfinanzhofs zur Doppelbesteuerung von Renten erwartet. Nun ist es soweit: Der BFH hat entschieden. Welche Auswirkungen dies nun auf (künftige) Rentenbezieher hat und ob der Weg für ein neues Rentenbesteuerungssystem jetzt frei ist, erklärt MdB Markus Herbrand, FDP-Steuerexperte im Bundestag und Obmann im Finanzausschuss.

DB: Herr Herbrand, können Sie uns kurz schildern, wie der BFH heute entschieden hat?

Herbrand: Für den konkret verhandelten Einzelfall hat der BFH die Klage gegen eine vermutete verfassungswidrige Renten-Doppelbesteuerung abgewiesen.

Der Kläger muss an dieser Stelle also entscheiden, ob er nun versucht, seine Ansprüche in einem möglichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen.

Abseits dieses Einzelurteils hat der BFH sehr deutlich gemacht, dass die bisherige Form der Rentenbesteuerung deutliche Schwächen hat. So ergibt sich auf Grundlage der BFH-Berechnungsmodelle die Schlussfolgerung, dass spätere Rentenjahrgänge vermehrt von einer doppelten Rentenbesteuerung betroffen sein werden. Dies folgt daraus, dass der für jeden neuen Rentnerjahrgang geltende Rentenfreibetrag mit jedem Jahr immer kleiner wird und damit nicht mehr ausreicht, um die aus versteuertem Einkommen getätigten Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren. Heute ist also mitnichten ein abschließendes Grundsatzurteil zur Doppelbesteuerung erfolgt. Der BFH hat vielmehr Hausaufgaben verteilt, die Bundesfinanzministerium und Parlament erfüllen müssen.

DB: Die FDP fordert seit Langem notwendige Gesetzesanpassungen bei der Rente. Ist der Weg dafür jetzt frei?

Herbrand: In der Tat sind wir seit langem darum bemüht, Gerechtigkeit und Transparenz zu den Grundpfeilern der Rentenbesteuerung zu machen. Bundesregierung und Große Koalition haben uns hier immer wieder Steine in den Weg gelegt. Mit dem heutigen Urteil hat der BFH diese Steine aber aus dem Weg geräumt – und die Bundesregierung gleichzeitig ermahnt, keine neuen Ausflüchte zu suchen. Wortwörtlich wurde das Jahr 2025 genannt, ab dem die Zahl der von einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung betroffenen Rentnerinnen und Rentner deutlich zunehmen wird. Spätestens dann muss eine neue und verfassungsgemäße Form der Rentenbesteuerung erarbeitet und vom Parlament verabschiedet worden sein. Wir Freien Demokraten werden nicht darin nachlassen, für diese Reform zu kämpfen und die Bundesregierung an den Auftrag des BFH zu erinnern.

DB: Der Bundestag hat im März 2021 erstmals über einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Doppelbesteuerung bei Renten verhindern“ debattiert. Sie sind Autor des Antrags – weshalb liegt Ihnen das Thema so am Herzen?

Herbrand: Weil wir bei diesem Thema an den Grundpfeilern unserer Gesellschaft rütteln: Gerechtigkeit, Respekt, Anerkennung der Lebensleistung, Unterstützung statt Ablehnung – all diese Aspekte spiegeln sich in der Diskussion um die Renten-Doppelbesteuerung wieder. 80-jährige Rentnerinnen und Rentner damit allein zu lassen, eine Doppelbesteuerung nachzuweisen, ist eine Unverschämtheit.

DB: Ihrer Ansicht nach ist die Rente in Deutschland nicht mehr finanzierbar. Deshalb haben Sie sich gemeinsam mit Johannes Vogel ein neues Konzept für eine stabile und faire Altersvorsorge überlegt: die „gesetzliche Aktienrente“. Können Sie uns kurz diesen Vorschlag erläutern und aufzeigen, warum wir ein solches Konzept brauchen?

Herbrand: Wir brauchen dringend mehr Anteil der Bürgerinnen und Bürger am Produktivwachstum unserer Wirtschaft, weil die gesetzliche Altersrente allein in vielen Fällen nicht ausreichen wird. Deshalb wollen wir einen Mentalitätswandel erreichen und Bürgerinnen und Bürger zu mehr Aktieninvestitionen ermutigen. Ein fixer Anteil der Beiträge zur Rentenversicherung soll zukünftig in staatlich organisierte Aktienfonds eingezahlt werden. Die Betroffenen sollten in den Augen von uns Freien Demokraten nicht nur auf mögliche steuerfinanzierte Kompensationszahlungen aus Berlin warten, sondern gezielt selber vorsorgen. Unsere Aktienrente bietet hierfür einen idealen Einstieg – nicht zuletzt auch dafür, um das umlagenfinanzierte Rentensystem fit für die Zukunft zu machen

DB: Der Blick in die Glaskugel: Wie geht es nun weiter mit den Renten in Deutschland?

Herbrand: Die Renten werden dort, wo ihre Höhe über dem Grundfreibetrag liegt, auch in Zukunft besteuert werden. Allerdings wird diese Form der Besteuerung nach der Umsetzung des BFH-Urteils hoffentlich auf transparenten Kriterien beruhen, die niemanden höher besteuern als verfassungsrechtlich zulässig. Bei der Rentenhöhe rechne ich persönlich eher mit prozentualen Abschlägen in der Zukunft. Bei immer weniger Beitragszahlern und immer mehr Empfängern kommt unser umlagefinanziertes System über kurz oder lang zwangsläufig an seine Grenzen.

DB: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


Weitere Meldungen


Meldung

©liudmilachernetska/123rf.com


10.06.2025

So erfassen deutsche Unternehmen Arbeitszeit

Die meisten Unternehmen setzen bei der Arbeitszeiterfassung auf digitale Lösungen, doch auch analoge Methoden wie Stundenzettel und Stechuhr sind noch weit verbreitet.

weiterlesen
So erfassen deutsche Unternehmen Arbeitszeit

Steuerboard

Raphael Baumgartner / Cindy Slominska


06.06.2025

BFH bestätigt gesellschaftsbezogenes Beherrschungserfordernis bei der Umschaltklausel nach § 20 Abs. 2 AStG – ein Aufatmen für Steuerinländer mit möglichen Auswirkungen auf die Gewerbesteuer? – Teil I

Mit Urteil vom 08.04.2025 (IX R 32/23) hat sich der BFH erstmals zur zentralen Frage geäußert, ob für die Anwendung der sogenannten Umschaltklausel gemäß § 20 Abs. 2 AStG eine gesellschafter- oder gesellschaftsbezogene Betrachtung maßgeblich ist.

weiterlesen
BFH bestätigt gesellschaftsbezogenes Beherrschungserfordernis bei der Umschaltklausel nach § 20 Abs. 2 AStG – ein Aufatmen für Steuerinländer mit möglichen Auswirkungen auf die Gewerbesteuer? – Teil I

Rechtsboard

RAin/FAin ArbR Dr. Bettina Scharff


06.06.2025

BAG zum aktiven Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben eines Unternehmens im Rahmen von Betriebsratswahlen

Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, hat bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe das aktive Wahlrecht. Dieser Grundsatz gilt gem. der BAG-Entscheidung vom 22.05.2025 (7 ABR 28/24) auch für Führungskräfte, die keine leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 3 BetrVG sind, in Unternehmen mit einer unternehmensinternen Matrixstruktur.

weiterlesen
BAG zum aktiven Wahlrecht von Führungskräften in mehreren Betrieben eines Unternehmens im Rahmen von Betriebsratswahlen

Haben wir Ihr Interesse für DER BETRIEB geweckt?

Sichern Sie sich das DER BETRIEB Gratis Paket: 4 Hefte + Datenbank